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Zitieren als:
BVerwG, Urteil vom 14.03.2006 - 1 C 11.05 - asyl.net: M8537
https://www.asyl.net/rsdb/M8537
Leitsatz:
Schlagwörter: Zwangsgeld, sachliche Zuständigkeit, Bundesgrenzschutz, Anwendungszeitpunkt, Erlass, Rechtsverordnung
Normen: AuslG § 63 Abs. 4 Nr. 2; AuslG § 74 Abs. 2 S. 2; VwVG § 14; BGSG § 58 Abs. 1; AuslG § 63 Abs. 4 Nr. 2; AufenthG § 63 Abs. 2; AufenthG § 71 Abs. 3 Nr. 2; BPolG § 58 Abs. 1
Auszüge:

Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet, das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht nicht (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat die Klage mit Recht wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit der Grenzschutzdirektion (heute: Bundespolizeidirektion) für den Erlass von Zwangsgeldbescheiden nach § 63 Abs. 4 Nr. 2, § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG i.V.m. § 14 VwVG als begründet angesehen.

1. Die Rechtmäßigkeit der von der Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage angegriffenen Zwangsgeldfestsetzung bestimmt sich nach der Sach- und Rechtslage zu dem Zeitpunkt, in dem das Vollstreckungsverfahren für das im Einzelfall festgesetzte Zwangsgeld abgeschlossen war. Bei noch andauernden Vollstreckungsverfahren ist hingegen grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts maßgeblich. Sofern die Vollstreckung noch nicht abgeschlossen ist, sind spätere auch während des Revisionsverfahrens erfolgende Rechtsänderungen zu berücksichtigen.

2. Der Grenzschutzdirektion fehlte zum danach maßgeblichen Zeitpunkt der Zahlung im Mai 2002 die sachliche Zuständigkeit für den Erlass von Zwangsgeldfestsetzungsbescheiden nach § 63 Abs. 4 Nr. 2, § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG i.V.m. § 14 VwVG. Die Zuständigkeitsübertragung durch Erlass des Bundesministers des Innern vom 23. August 2001 war unwirksam, da sie gegen § 58 Abs. 1 BGSG verstieß.

Nach § 74 Abs. 2 Satz 1 AuslG (jetzt: § 63 Abs. 2 AufenthG) war das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle zuständig für die Untersagung der Beförderung von Ausländern, die nicht im Besitz eines erforderlichen Passes oder Visums waren, und für die Zwangsgeldandrohung für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Beförderungsverbot. § 74 Abs. 2 AuslG begründete jedoch keine Zuständigkeit für die Festsetzung eines Zwangsgeldes. Diese ergab sich vielmehr aus § 63 Abs. 4 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 71 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG), der die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden mit der "Durchführung des § 74 Abs. 2 Satz 2" AuslG betraute. Unter "Durchführung" war die Festsetzung und Beitreibung von Zwangsgeldern im Sinne von § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG zu verstehen (so auch Ott in: GK-AufenthG, Oktober 2005, § 63 Rn. 58; Wefelmeier in: GK-AuslR, Juni 1998, § 63 AuslG Rn. 109). Denn der Begriff der Durchführung umfasst alle Vollzugsakte im Anschluss an die Androhung des Zwangsgeldes, also insbesondere auch dessen Festsetzung nach § 14 VwVG.

Wer zum hier maßgeblichen Zeitpunkt die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden im Sinne von § 63 Abs. 4 Nr. 2 AuslG waren, ergab sich aus dem Bundesgrenzschutzgesetz vom 19. Oktober 1994 BGSG (BGBl I S. 2978). Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 BGSG hatte der Bundesgrenzschutz diese Aufgabe wahrzunehmen. Die Aufgabe, Zwangsgelder nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG festzusetzen, durfte dem Bundesgrenzschutz zwar der Sache nach übertragen werden. Insbesondere stand § 1 Abs. 2 BGSG nicht entgegen, da das Ausländergesetz 1990 diese Aufgabenübertragung bereits vor dem im BGSG genannten Stichtag vom 1. November 1994 vorsah. Die erforderliche konkrete Festlegung, welche der in § 57 Abs. 1 BGSG genannten Bundesgrenzschutzbehörden (Grenzschutzämter, Grenzschutzpräsidien, Grenzschutzdirektion, Grenzschutzschule sowie Bahnpolizeiämter) diese Aufgabe wahrnehmen sollte, durfte aber nicht wie hier durch Erlass erfolgen, sondern hätte einer Regelung durch Rechtsverordnung bedurft. Dies ergab sich aus § 58 Abs. 1 BGSG (jetzt: § 58 Abs. 1 BPolG). Eine solche Aufgabenübertragung durch Rechtsverordnung ist aber erst durch § 4 Abs. 4 BPolZV, mithin nach dem für die Beurteilung des angefochtenen Zwangsgeldes maßgeblichen Zeitpunkt erfolgt, so dass auch eine "Heilung" der fehlenden sachlichen Zuständigkeit entgegen der Ansicht der Beklagten ausscheidet.