Keine extreme allgemeine Gefahrenlage für Hindus in Afghanistan; außerdem gleichwertiger Abschiebungsschutz durch Abschiebungsstopp.
Keine extreme allgemeine Gefahrenlage für Hindus in Afghanistan; außerdem gleichwertiger Abschiebungsschutz durch Abschiebungsstopp.
(Leitsatz der Redaktion)
Auch Abschiebungshindernisse gem. § 60 Abs. 7 AufenthG liegen nicht vor.
Eine derartig extreme Gefahrenlage kann nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Kläger nach eigenen Angaben Angehöriger der religiösen Minderheit der Hindus sind, angenommen werden. Die Kammer geht davon aus, dass den Klägern, bei denen es äußerst zweifelhaft ist, ob sie überhaupt aus Kandahar stammen, in jedem Fall eine Rückkehr nach Kabul möglich ist.
Die Vereinten Nationen versorgen ausweislich des Lageberichtes des Auswärtigen Amtes vom 29.11.2005 nach dem Ende der langjährigen Dürreperiode noch Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern. Die Versorgungslage hat sich in Kabul und zunehmend auch in den anderen großen Städten weiter grundsätzlich verbessert, wegen mangelnder Kaufkraft profitieren jedoch längst nicht alle Bevölkerungsschichten von dieser verbesserten Lage. Die Versorgung mit Wohnraum ist unzureichend, das Angebot an Wohnraum ist knapp und nur zu hohen Preisen erhältlich. Dies wird von Mostafa Danesch in den beiden von den Klägern vorgelegten Gutachten vom 23.01.2006 und vom 21.01.2006 auch bestätigt. Nach dem o.a. Lagebericht leben etwa 5.000 Hindus und Sikhs noch in Afghanistan. Es gibt allerdings Fälle von Diskriminierung gegen Hindus, die sich gegen die Ausübung der religiösen Sitten und Gebräuche der Hinduminderheit richten. Es gibt auch Opfer illegaler Landnahme, wobei es sich nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes nicht um ein spezifisch gegen Hindus gerichtetes Phänomen handelt, auch andere Bevölkerungsgruppen seien davon betroffen. Allerdings verlief in Kabul das 9-tägige Hindufest Navrata, das in den Tempeln der Stadt gefeiert wurde, ohne Zwischenfälle. Hindurückkehrer könnten häufig nur in den noch existierenden Hindutempeln unterkommen und unter äußerst schwierigen Bedingungen leben. Auch Mostafa Danesch bestätigt dies in seinen insoweit gleichlautenden Gutachten vom 23.01.2006 und vom 26.01.2006. Die Gutachten von Dr. Danesch bestätigen die im Lagebericht des Auswärtigen Amtes aufgeführte prekäre Wohn- und Versorgungslage der Hindus. Allerdings zeigen diese Gutachten auch, dass es Hindus möglich ist, in Kabul, wenn auch unter schwierigen Umständen zu überleben. Insoweit berücksichtigt die Kammer auch, dass der Kläger zu 1) 1969 geboren und offenbar gut ausgebildet ist, so dass es ihm zuzumuten ist, auch unter Verwendung seiner Dari-Kenntnisse, sich um Arbeit zu bemühen, um so den Lebensunterhalt seiner Familie sicherzustellen.
Unabhängig davon ist auch die Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung gesperrt. Denn die Kläger haben derzeit nach der geltenden Erlasslage und den Beschlüssen der ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder keine Rückführung nach Afghanistan zu befürchten. Auf der 178. Sitzung der ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder im Juni 2005 wurde zwar beschlossen, neben Straftätern auch die zwangsweise Rückführung von alleinstehenden männlichen afghanischen Staatsangehörigen im Alter von 18 bis 60 aufzunehmen, die sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch keine 6 Jahre im Bundesgebiet aufgehalten haben. Betont wird aber weiterhin, dass die freiwillige Rückkehr aller Personen Vorrang vor der zwangsweisen Rückführung genießt und weiterhin durch geeignete Maßnahmen wirksam unterstützt wird (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 29.11.2005, S. 34). Damit sperrt der Erlass des Nds. Ministeriums für Inneres und Sport vom 12.07.2005 - 45.11 - 12230/1-8(§ 23) N1 - , der diese Beschlüsse der Innenministerkonferenz umsetzt, die Feststellung von Abschiebungshindernissen gem. § 60 Abs. 7 AufenthG aufgrund allgemeiner Gefahren.