VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 14.07.2006 - 7 E 1820/04.A(V) - asyl.net: M8569
https://www.asyl.net/rsdb/M8569
Leitsatz:
Schlagwörter: Iran, Verfolgungsbegriff, Genfer Flüchtlingskonvention, Anerkennungsrichtlinie, exilpolitische Betätigung, AKP, Arbeiterkommunistische Partei Iran, Hambastegi, Überwachung im Aufnahmeland
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Nach § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Somit ist bei der Prüfung der Frage, ob eine asylsuchende Person diese Voraussetzungen erfüllt, der Flüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention zugrunde zu legen. Dies gebietet im Übrigen die Richtlinie 2004/83/EG des Rates der EU vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. Nr. L 304/12, sog. Qualifikationsrichtlinie). Die Anwendung des Flüchtlingsbegriffs der Genfer Flüchtlingskonvention hat ebenso wie die Vorgaben, die sich aus der Qualifikationsrichtlinie ergeben, zur Folge, dass als Prüfungsmaßstab maßgeblich darauf abzustellen ist, ob eine asylsuchende Person eine "wohlbegründete Furcht" vor Verfolgung in ihrem Herkunftsland glaubhaft machen und diese daher auf eine Rückkehr nach dort nicht verwiesen werden kann. Entscheidungserheblich ist damit anders als beim Begriff der politischen Verfolgung i. S. d. Art. 16 a Abs. 1 GG und auch anders als nach der überkommenen Rechtsprechung zu § 51 Abs. 1 AuslG nicht länger eine Art objektiver Beurteilung der Verfolgungsgefahr durch einen Dritten, sondern die subjektive Einschätzung einer schutzsuchenden Person, die freilich dahingehend zu prüfen ist, ob objektive Anhaltspunkte ihre Stichhaltigkeit stützen (vgl. UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Genf 1979, Nr. 37 ff.).

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin vorverfolgt aus dem Iran ausgereist ist. Jedenfalls hat das Gericht aufgrund des Vorbringens der Klägerin im laufenden Gerichtsverfahren die sichere Überzeugung erlangt, dass sie begründete Furcht hat, im Falle einer Rückkehr in den Iran einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die Klägerin hat sich in den letzten Jahren nachhaltig exilpolitisch in der AKP bzw. in der Organisation Hambastegi betätigt. Diese Betätigung erfolgte auch, was die Klägerin im Einzelnen überzeugend durch entsprechende Bescheinigungen, Fotografien etc. belegt hat, in einer solch herausragenden und exponierten Weise, die unter Berücksichtigung der Kriterien, die u.a. der HessVGH in ständiger Rechtsprechung zur Verfolgungssituation im Iran aufgestellt hat, die Gefahr einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung begründet. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Klägerin aufgrund ihrer vielfältigen exilpolitischen Aktivitäten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in das Visier des iranischen Nachrichtendienstes gekommen sein dürfte und die Gefahr konkreter Verfolgungsmaßnahmen durch iranische Stellen droht.