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VG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 20.07.2006 - 14 A 20/01 - asyl.net: M8578
https://www.asyl.net/rsdb/M8578
Leitsatz:
Schlagwörter: Aserbaidschan, Armenier, gemischt-ethnische Abstammung, Verfolgung durch Dritte, mittelbare Verfolgung, Schutzbereitschaft, Diskriminierung, Freiheitsberaubung, Misshandlungen, interne Fluchtalternative, Berg-Karabach, Erreichbarkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Die Ablehnung des Antrages auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich Aserbaidschan ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Sie haben einen Anspruch auf die beantragte Feststellung.

Die Kläger haben ihr Verfolgungsschicksal sowohl beim Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung in getrennter Anhörung im wesentlichen übereinstimmend glaubhaft geschildert.

Damit liegt eine mittelbare politische Verfolgung durch aserbaidschanische Staatsangehörige vor, die ihren Grund darin hat, dass die Klägerin zu 2) eine armenische Mutter hat. Diese Verfolgung ist dem aserbaidschanischen Staat auch zuzurechnen. Wie sich aus den in das Verfahren eingeführten Unterlagen ergibt, müssen armenische Volkszugehörige oder solche, die als solche angesehen werden, in Aserbaidschan damit rechnen, dass sie von erheblichen Teilen der Bevölkerung abgelehnt, diskriminiert und verfolgt werden. Staatliche Hilfe ist, wie sich aus diesen Unterlagen ebenfalls ergibt, regelmäßig nicht zu erlangen. Im vorliegenden Fall spielt dabei noch eine Rolle, dass eine Person, die offenbar an den Maßnahmen gegen die Kläger maßgeblich beteiligt war, selber Mitarbeiter einer staatlichen Behörde war, so dass von daher eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit besteht, dass staatliche Stellen nicht zur Unterstützung der Kläger tätig geworden wären.

Die gegenüber den Klägern ergriffenen Maßnahmen sind auch von einer Intensität, die als asylerhebliche politische Verfolgung anzusehen ist. Es wurde nicht nur die gesamte Wohnung zerstört, der Kläger zu 1) wurde auch über mehrere Tagen seiner Freiheit beraubt, geschlagen und misshandelt und mit dem Tode bedroht, wie überhaupt die Kläger befürchten mussten, dass bei einem weiteren Verbleib in Aserbaidschan noch weiter gehende Maßnahmen gegen sie ergriffen werden würden.

Bei einer Rückkehr der Kläger nach Aserbaidschan bestätigt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass sich derartiges wiederholen würde.

Die Kläger haben auch keine inländische Fluchtalternative in Berg-Karabach. Von Aserbaidschan aus konnten sie dieses Gebiet angesichts der militärischen Frontstellung der Armenier und der Aserbaidschaner nicht erreichen. Aber auch bei einer Rückkehr von Deutschland aus ist Berg-Karabach für die Kläger nicht erreichbar. Die Kammer vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass Staatenlose oder Aserbaidschaner ohne Personalpapiere über Armenien das Gebiet von Berg-Karabach nicht erreichen können (vgl. unter anderem Urteil vom 12.01.2006 - 14 A 31/03 -).