OVG Thüringen

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Zitieren als:
OVG Thüringen, Beschluss vom 25.01.2006 - 3 EO 61/06 - asyl.net: M8579
https://www.asyl.net/rsdb/M8579
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Ausreisehindernis, abgelehnte Asylbewerber, Verschulden, Mitwirkungspflichten, Ursächlichkeit, Passbeschaffung, Passersatzbeschaffung, Passlosigkeit, Privatleben, Integration, Duldung, Schulbesuch, vorübergehende Gründe
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5; AufenthG § 25 Abs. 4 S. 1; EMRK Art. 8
Auszüge:

Die Beschwerde, mit der die Antragsteller - allerdings ohne ausdrücklichen Antrag - ihr Begehren weiterverfolgen, "bis zur rechtmäßigen Entscheidung über die gestellten Anträge nach § 25 AufenthG keine Abschiebemaßnahmen zu ergreifen", bleibt erfolglos.

Der allein zu erwägende Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG, den die Antragsteller als vollziehbar ausreisepflichtige ehemalige Asylbewerber (vgl. §§ 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG, 42 Abs. 1 AuslG bzw. 50 Abs. 1 AufenthG, 42 Abs. 2 Satz 2 AuslG bzw. 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) nach erfolgloser Klage im Erstantragsverfahren und im Folgeantragsverfahren vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für sich geltend machen, setzt neben einem rechtlichen oder tatsächlichen Ausreisehindernis und dem in absehbarer Zeit nicht zu erwartenden Wegfall dieses Hindernisses für die zu treffende Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde u. a. voraus, dass der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Schon an der letztgenannten Voraussetzung dürfte es im vorliegenden Fall fehlen, wie die Vorinstanz im Einzelnen ausgeführt hat. Die Beschwerde meint zwar, es könne insoweit nur ein aktuelles Verhalten betrachtet werden; dies greift zu kurz. Dem betroffenen Ausländer ist ein schuldhaftes Tun allgemein schon dann vorwerfbar, wenn er die Ausreise durch ein in seiner Sphäre stehendes Verhalten verhindert oder wesentlich erschwert (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 8.98 - BVerwGE 108, 21, 26 und Senatsbeschluss vom 9. März 2005 - 3 EO 2/05 -, n. v. [zum Vertretenmüssen i. S. v. § 1a Nr. 2 AsylbLG]). Es ist Sache des Ausländers, sich frühzeitig und nachhaltig um die Beseitigung von Abschiebungshindernissen zu bemühen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. April 1997 - 1 B 74.97 - juris, zur Vorgängervorschrift des § 30 Abs. 3 AuslG). Dieses fehlende Verschulden i. S. d. § 25 Abs. 5 AufenthG gehört zu den Anspruchsvoraussetzungen, so dass die Antragsteller dafür darlegungs- und beweispflichtig sind (vgl. nur Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 8. Auflage, Rn. 36 zu § 25 AufenthG). Deshalb oblag und obliegt es den Antragstellern, etwa noch bestehende Hindernisse für die Durchsetzung der Ausreisepflicht zu beseitigen. Nach der Aktenlage sind die Antragsteller zu 1 und 2 der Aufforderung durch Verfügung des Antragsgegners vom 6. September 2004, einen gültigen Pass oder ein Passersatzdokument vorzulegen, nicht nachgekommen.

Soweit die Antragsteller zu 3 und 4 wegen des tatsächlichen Aufenthalts im Bundesgebiet nach dem 1. Lebensjahr (ab Januar 1995) bzw. seit Geburt (September 1996) mit weitgehender Integration ein Recht auf Aufenthalt geltend machen, weil dies der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK (i. d. F. der Bekanntmachung vom 17. Mai 2002 - BGBl. II S. 1054) geböten, fehlt es ebenso an Rechtsgründen für einen Sicherungsanspruch. Die Antragsteller verfügten lediglich während des durchgeführten 1. Asylverfahrens über das vorläufige Bleiberecht, das die Aufenthaltsgestattung verlautbarte. Im Anschluss an den rechtskräftigen Abschluss dieser Verfahren nach Klage erhielten sie nur Duldungen (Aussetzung der Abschiebung) wegen fehlender Personalpapiere. Ein eigenständiges vom Asylverfahren unabhängiges Aufenthaltsrecht bestand zu keiner Zeit. Schon deshalb kann aus der Europäischen Menschenrechtskonvention nichts zu Gunsten der Antragsteller hergeleitet werden. Überdies lässt sich aus Art. 8 EMRK eine Verpflichtung der Konventionsstaaten, die Wahl des gemeinsamen Wohnsitzes zu achten und einer zuwanderungswilligen Familie den Aufenthalt zu gestatten, gerade nicht entnehmen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1997 - 1 C 7/96 - NVwZ 1998, 185 = InfAuslR 1997, 391). Die Konvention garantiert kein Recht auf Einreise und Aufenthalt und enthält auch kein ausdrückliches Verbot der Ausweisung von Ausländern (vgl. nur EGMR, Urteil vom 21. Dezember 2001 - 31465/96 - InfAuslR 2002, 334 und zuletzt Urteil vom 16. Juni 2005 - 60654/00 - InfAuslR 2005, 349; st. Rspr.). Der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 16. Juni 2005 (a. a. O.) liegt entgegen der Auffassung der Antragsteller ein atypischer Sonderfall zugrunde, in dem der Gerichtshof mit Blick auf Art. 8 EMRK den Rechtssatz formuliert hat, die Weigerung, eine Regelung des Aufenthalts im Land des Aufenthalts zu treffen, bedürfe dann einer besonderen Rechtfertigung, wenn die Betroffenen (hier in Lettland auch noch nach dem Zerfall der Sowjetunion) sich bereits langjährig (mehrere Jahrzehnte) rechtmäßig aufgehalten hatten.

Schulische Gründe, die für die Antragsteller zu 3 und 4 zusätzlich geltend gemacht werden, scheiden ebenso für ein etwaiges Aufenthaltsrecht aus. Abgesehen davon, dass die Antragsteller sich wahrscheinlich nicht erfolgreich auf humanitäre Gründe i. S. v. § 25 Abs. 4 AufenthG berufen können, weil § 25 Abs. 5 AufenthG insoweit eine spezielle und abschließende Regelung darstellt (vgl. auch Ziff. 25.4.1.1. der vorläufigen Anwendungshinweise des BMdI zu § 25 Abs. 4 AufenthG), ist auch nichts dafür ersichtlich, dass etwa der Abschluss einer Schulausbildung aus dringenden persönlichen Gründen noch ermöglicht werden müsste (vgl. auch Ziff. 25.4.1.3 der zitierten Hinweise). Die Antragsteller zu 3 und 4 besuchen nach den vorgelegten Schulbescheinigungen z. Zt. die 5. Klasse der Regelschule bzw. die 2. Klasse der Grundschule. Danach müsste für eine lange Zeit und nicht nur aus dringenden humanitären Gründen der weitere Aufenthalt hingenommen werden. Das ist nicht Aufgabe der Regelung, die von vornherein nur die befristete Aufenthaltserlaubnis für einen vorübergehenden Aufenthalt ermöglichen soll (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 27. Juni 2005 - 11 ME 96/05 - AuAS 2005, 242).