OLG Celle

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Zitieren als:
OLG Celle, Beschluss vom 27.06.2006 - 22 W 35/06 - asyl.net: M8605
https://www.asyl.net/rsdb/M8605
Leitsatz:

Das Amtsgericht muss vor der Verlängerung der Abschiebungshaft den Ausländer anhören; das gilt auch dann, wenn der Verfahrensbevollmächtigte verhindert ist.

 

Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Verlängerung, Anhörung, Prozessbevollmächtigte, Verhinderung, Vertagung, einstweilige Anordnung
Normen: FreihEntzG § 5 Abs. 1; FreihEntzG § 11 Abs. 2
Auszüge:

Das Amtsgericht muss vor der Verlängerung der Abschiebungshaft den Ausländer anhören; das gilt auch dann, wenn der Verfahrensbevollmächtigte verhindert ist.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Die weitere sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Entscheidung des Amtsgerichts vom 5. Mai 2006 ist nicht ohne Rechtsfehler ergangen. Zu Recht rügt der Betroffene die unterbliebene Anhörung im Rahmen der Entscheidung über die einstweilige Freiheitsentziehung. § 5 Abs. 1 FreihEntzG gilt nach § 11 Abs. 2 FreihEntzG auch für die einstweiligen Anordnungen. Hierauf kann nur verzichtet werden, wenn dies auch gesundheitlichen Gründen im Sinne von § 5 Abs. 2 FreihEntzG nicht verantwortet werden kann oder bei Vorliegen von Gefahr im Verzug. Keine dieser Voraussetzungen lag vor (vgl. hierzu auch Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl., § 11 Rn. 4). Ebenso wenig wäre der Zweck der Anordnung durch eine Anhörung des Betroffenen gefährdet worden. Für eine solche Annahme ist nichts ersichtlich. Es wäre möglich gewesen, im Rahmen einstweiliger Anordnung die Anhörung des Betroffenen zunächst ohne den um 9.30 Uhr verhinderten Verfahrensbevollmächtigten durchzuführen. Jedenfalls aber hätte die zunächst unterbliebene Anhörung unverzüglich nachgeholt werden müssen (vgl. auch BayObLG vom 30.1.2002, 3Z BR 244/01), gegebenenfalls - nach Rücksprache mit dem Verfahrensbevollmächtigten - noch am Nachmittag des 5. Mai 2006. Dies ist nicht erfolgt. Die erst am Mittwoch, den 10. Mai 2006 schließlich erfolgte Vernehmung jedenfalls war nicht mehr unverzüglich. Dies kann nur zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der mit Beschluss vom 5. Mai 2006 angeordneten einstweiligen Freiheitsentziehung führen. Dass der Verfahrensbevollmächtigte das Aufheben gerade des Termins zur Aufhörung (sic!) beantragt hatte, steht dem nicht entgegen. Denn der Verfahrensbevollmächtigte hatte nicht etwa erklärt, es werde wegen seiner Verhinderung am 5. Mai um 9.30 Uhr auf eine Anhörung des Betroffenen oder dessen unverzügliche Nachholung verzichtet.

Der Senat weist aber vorsorglich darauf hin, dass die rechtswidrig unterbliebene Anhörung des Betroffenen im Verfahren über die einstweilige Freiheitsentziehung lediglich die mit Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 5. Mai 2006 angeordnete Haft erfasst und die nachfolgend mit Beschluss vom 10. Mai 2006 erneut angeordnete Abschiebungshaft von diesem Rechtsfehler nicht betroffen ist.