LG Braunschweig

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Zitieren als:
LG Braunschweig, Beschluss vom 02.05.2006 - 3 T 1058/05 - asyl.net: M8609
https://www.asyl.net/rsdb/M8609
Leitsatz:

Die Polizei darf einen Ausländer nicht auf Veranlassung der Ausländerbehörde ohne richterlichen Beschluss vorläufig festnehmen, um die Durchführung des Abschiebungshaftverfahrens sicherzustellen.

 

Schlagwörter: D (A), Festnahme, Polizei, Ausländerbehörde, Haftbefehl, einstweilige Anordnung, einstweilige Freiheitsentziehung
Normen: FEVG § 11; Nds. SOG § 18 Abs. 1 Nr. 2
Auszüge:

Die Polizei darf einen Ausländer nicht auf Veranlassung der Ausländerbehörde ohne richterlichen Beschluss vorläufig festnehmen, um die Durchführung des Abschiebungshaftverfahrens sicherzustellen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Ingewahrsamnahme des Betroffenen durch das Polizeikommissariat Goslar war rechtswidrig. Zwar ist von Amts wegen eine Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz erstattet und später durch die Staatsanwaltschaft Braunschweig ein entsprechendes Strafverfahren (Geschäftsnummer: 305 Js 3252/05) eingeleitet worden. Aus der Strafanzeige und der Festnahmeanzeige ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass die Ingewahrsamnahme des Betroffenen ausschließlich auf Veranlassung der Ausländerbehörde erfolgte, um die Durchführung des Abschiebehaftverfahrens zu gewährleisten.

Das geltende Recht der Abschiebehaft ermächtigt indes die Ausländerbehörde nicht, den Ausländer über die Polizeibehörden aus eigener Machtvollkommenheit zur vorläufigen Sicherung der Abschiebung selbst in Gewahrsam zu nehmen oder dem Haftrichter vorzuführen. Vielmehr ist in allen Fällen eine vorherige richterliche Entscheidung - ggf. im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 11 FEVG - auf Antrag der zuständigen Behörde erforderlich. Es gibt keinen der Abschiebehaft vorgelagerten Freiheitsentzug durch die Verwaltungsbehörde (so OLG Braunschweig, Beschluss v. 04.02.2004, 6 W 32/03 m. Nachweisen aus Literatur und Rechtssprechung).

Die Freiheitsentziehung kann auch nicht auf § 18 Abs. 1 Nr. 2 Nds. SOG, also auf Landesrecht, gestützt werden. Denn die Festnahme des Betroffenen erfolgte nicht im Hinblick auf eine möglicherweise begangene Straftat nach dem Ausländergesetz, sondern auf Veranlassung der Antragstellerin als Ausländerbehörde zur Herbeiführung eines Abschiebehaftbeschlusses. Daran bestehen nach der Festnahmeanzeige keine Zweifel.

Die Ingewahrsamnahme diente damit allein der Vorbereitung der Abschiebehaft und war somit ohne eine vorherige richterliche Entscheidung rechtswidrig.