Allein die Unterzeichnung der Kampagne "Auch ich bin ein PKK'ler" rechtfertigt nicht den Ausschluss der Einbürgerung nach § 11 Satz 1 StAG.
Allein die Unterzeichnung der Kampagne "Auch ich bin ein PKK'ler" rechtfertigt nicht den Ausschluss der Einbürgerung nach § 11 Satz 1 StAG.
(Leitsatz der Redaktion)
Der Kläger besitzt einen Einbürgerungsanspruch nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG. Danach ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat, einzubürgern, wenn er die in dieser Vorschrift unter Nr. 1 bis Nr. 5 bezeichneten Voraussetzungen, sofern von diesen nicht nach § 12 oder nach § 12 a Abs. 1 StAG abgesehen wird oder abgesehen werden kann, erfüllt und kein Grund vorliegt, der gemäß § 11 Satz 1 StAG diesen Einbürgerungsanspruch hindert.
a) Unabhängig davon ist für den Kläger hier aber feststellbar, dass sein Einbürgerungsanspruch nach dieser Vorschrift nicht beschränkt ist. Der einzige von den Behörden gegenüber dem Kläger konkret erhobene Vorwurf, seine Unterschrift unter die PKK-Selbsterklärung, trägt dies nicht. Zwar ist in der Rechtsprechung grundsätzlich unbestritten, dass die PKK und ihre Unterorganisation ERNK zu den Organisationen zählt, deren Wirken unter § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG fällt, da sie jedenfalls bis Mitte 1999 Bestrebungen verfolgt hat, die gegen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gerichtet waren (vgl. oben Nr. 13).
b) Allerdings hat der Kläger mit seiner Unterschrift die entsprechenden Bestrebungen der PKK/ERNK nicht unterstützt i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG. Die gegenteilige Rechtsansicht des VGH Ba.-Wü. (Urt. v. 10.11.2005 a.a.O. und Urt. v. 15.02.2006 - 13 S 1939/05 -) in zwei mit dem vorliegenden Rechtsstreit nahezu identischen Verfahren, ist unhaltbar.
aa) Als Unterstützungshandlung i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG ist zunächst eine eigene Handlung anzusehen, die für Bestrebungen i.S.d. Bestimmung objektiv vorteilhaft ist. Dazu zählen etwa die öffentliche oder nichtöffentliche Befürwortung von Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG, die Gewährung finanzieller Unterstützung oder die Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele (vgl. VGH München, Urt. v. 27.05.2003 - 5 B 01.1805 <juris>; Berlit in GK-StAR § 11 StAG RdNr. 96 ff.).
Allerdings muss die Bedeutung einer Unterstützung derartiger Bestrebungen seines Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. An einem Unterstützen fehlt es hingegen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele einer Organisation, nicht aber auch deren Bestrebungen hinsichtlich einer Gefährdung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland befürwortet - sich hiervon ggf. deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen oder der Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 -, DVBl 2005, 1203 = NVwZ 2005, 1091; zum insoweit verwandten Begriff des "Unterstützens einer Vereinigung, die ihrerseits den internationalen Terrorismus unterstützt" - Ausweisungs- und besonderer Versagungsgrund nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alternative, § 47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG). Soweit sich der VGH Ba.-Wü. (a.a.O.) zur Begründung seiner Rechtsauffassung auf diese Entscheidung bezieht, fehlt eben diese Passage in seiner Urteilsbegründung (a.a.O.), die ansonsten das Bundesverwaltungsgericht weitgehend zitiert.
Für den Begriff des Unterstützens i.S.d. § 11 Satz 1 StAG ist ferner zu berücksichtigen, dass er in dieser Vorschrift gleichsam zweifach enthalten ist, er insoweit aber nur einheitlich verstanden werden kann. Bei der Frage, ob sich der Einbürgerungsbewerber von der früheren Unterstützung derartige Bestrebungen abgewendet hat, geht die Rechtsprechung (zu Recht, dazu sogleich) davon aus, das für das Abwenden von einer früheren Unterstützung über das bloße Unterlassen hinaus ein Element der Nachhaltigkeit zu fordern ist (vgl. etwa VGH Baden-Württ. a.a.O m.w.N.; Berlit a.a.O RdNr. 152 zu § 11 StAG). Dann muss dieses Element der Nachhaltigkeit aber auch für die Unterstützungshandlung selbst vorliegen, da es nicht möglich ist, sich nachhaltig von einer Unterstützungshandlung zu lösen, die man womöglich ohne sie zu erkennen geleistet hat, und die nur deshalb als Unterstützungshandlung gewertet wird, weil sie für die inkriminierten Bestrebungen nach § 11 Satz 1 StAG rein objektiv vorteilhaft ist.
Nach diesen Grundsätzen kann der Vorwurf, der Kläger habe durch seine Unterschrift unter die "PKK-Selbsterklärung" im Jahr 2001 einen seinen Einbürgerungsanspruch ausschließenden Tatbestand verwirklicht, nicht aufrechterhalten werden.
cc) Vor dem Hintergrund dieses völlig vereinzelt gebliebenen Vorkommnisses kann hier nicht davon ausgegangen werden, selbst wenn man die Leistung einer entsprechenden Unterschrift im Rahmen einer solchen Unterschriften-Kampagne als Unterstützungshandlung nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG ansehen wollte, diese besitze im vorliegenden Fall die von dieser Vorschrift auch mit geforderte Nachhaltigkeit (vgl. oben).
dd) Fehlt es der dem Kläger vorgeworfenen Handlung im konkreten Fall daher schon an der erforderlichen Nachhaltigkeit, so kommt hinzu, dass es zur Überzeugung des Einzelrichters insoweit auch an der vom Bundesverwaltungsgericht (Urt. vom 15.03.2005, a.a.O.) vorausgesetzten Zurechenbarkeit, die aus einer Erkennbarkeit der Unterstützungshandlung für die inkriminierten Bestrebungen folgt, ermangelt. Angesichts der vom Kläger glaubhaft geschilderten Umstände anlässlich der von ihm geleisteten Unterschrift und gerade auch mit Blick auf die Sprachkenntnisse des Klägers ist nämlich anzunehmen, dass der Kläger den umfangreichen und schwierigen, teilweise hochintellektuellen deutschen Text in dieser Situation weitgehend nicht verstanden haben dürfte, er ihn vor seiner Unterschrift jedenfalls nicht umfassend nachvollzogen hat, sondern den gesprächsweise durch Landsleute vermittelten friedlichen Inhalten aufgesessen ist.
c) Aber selbst wenn man zu einer gegenteiligen Wertung käme, so hat der Kläger im vorliegenden Fall jedenfalls glaubhaft gemacht, dass er sich von einer früheren Unterstützung der nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG inkriminierten Bestrebungen abgewandt hat.
bb) Unter Berücksichtigung von Art, Gewicht, Häufigkeit und Zeitpunkt der ihm vorgehaltenen Unterstützungshandlung, wenn diese als solche zu werten wäre (vgl. oben), springt geradezu ins Auge, dass es sich um einen einmaligen, viele Jahre zurückliegenden und ausgesprochen geringwertigen Unterstützungsakt handelte. In einem solchen Fall genügt es, wenn der Einbürgerungsbewerber glaubhaft und nachvollziehbar bekräftigt, solches Tun im Rahmen des politischen Diskurses inzwischen für sinn- und erfolglos anzusehen.
cc) Für den auch hier vorliegenden Fall, dass die dem Einbürgerungsbewerber vorgeworfene Unterstützungshandlung (ausschließlich) in der Leistung einer Unterschrift besteht, ergibt sich aus einem weiteren Umstand zudem, dass an das Abwenden i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG hier keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen. Die deutsche Rechtsordnung konzidiert, etwa in § 312 Abs. 1 Nr. 3 BGB, dass bei der Leistung einer Unterschrift im Anschluss an ein überraschendes Ansprechen in Verkehrsmitteln oder im Bereich öffentlich zugänglicher Verkehrsflächen ein gewisser psychischer Zwang vorliegen kann, jedenfalls aber eine Unbedachtheit. Dementsprechend gewährt die Rechtsordnung einem Verbraucher - entgegen dem sonst gültigen Rechtsgrundsatz "pacta sunt servanda" - in derartigen Fällen ausdrücklich ein Widerrufsrecht. Die Einheitlichkeit der Rechtsordnung gebietet es daher, auch in Fällen der vorliegenden Art einem Einbürgerungsbewerber, der eine derartige inkriminierte Unterschrift geleistet hat, zugute zu halten, auf welche Art und Weise diese zustande gekommen ist und für ein Abwenden i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 2 StAG in einer solchen Konstellation ein glaubhaftes Bekräftigen, mit derartigen Dingen nichts mehr zu tun zu haben und zu tun haben zu wollen, genügen zu lassen.