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VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 08.03.2006 - AN 9 K 04.30520 - asyl.net: M8617
https://www.asyl.net/rsdb/M8617
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung für ugandischen Staatsangehörigen nach Festnahme und Folter wegen Verdachts der Mitgliedschaft in der Lord's Resistance Army (LRA).

 

Schlagwörter: Uganda, LRA, Verdacht der Unterstützung, Folter, Haft, Glaubwürdigkeit, traumatisierte Flüchtlinge, posttraumatische Belastungsstörung, safe houses, Amtswalterexzesse, herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Flüchtlingsanerkennung für ugandischen Staatsangehörigen nach Festnahme und Folter wegen Verdachts der Mitgliedschaft in der Lord's Resistance Army (LRA).

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage, im Hauptantrag darauf gerichtet, unter Aufhebung des entgegenstehenden Bescheides des Bundesamtes insoweit auf Verpflichtung der Beklagten, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG beim Kläger festzustellen, ist begründet, da der Kläger zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft machen konnte, dass ihm ein Anspruch auf Zuerkennung eines Abschiebeschutzes zusteht.

Bei einer Rückkehr nach Uganda kann eine Wiederholung der gegen seine (vermeintliche) politische Überzeugung gerichteten Verfolgung nicht ausgeschlossen werden.

Dabei ist das Gericht auf Grund des vom Kläger vorgetragenen Sachverhalts unter Berücksichtigung des von ihm in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks und auf Grund der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskunftsquellen zur allgemeinen innenpolitischen Situation in Uganda zu der vollen Überzeugung gelangt, dass der Kläger, der bereits glaubhaft wegen seiner politischen Betätigung für die democratic party in der Vergangenheit in das Blickfeld der Sicherheitsbehörden gelangt ist, im Oktober 2003 wegen des Verdachts, die LRA unterstützt zu haben, festgenommen und für ca. zehn Tage festgehalten worden ist, während dieser Haftzeit Verhören, Folterungen und entwürdigenden Übergriffen ausgesetzt gewesen ist und mit dem Tode bedroht worden ist. Diese Übergriffe zielten auf seine vermeintliche abweichende Gesinnung, nämlich auf eine Unterstützung für die LRA, wobei ihm gezielt Rechtsverletzungen zugefügt worden sind, die ihn in ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgegrenzt haben und die an den Verdacht der Unterstützung der LRA angeknüpft haben. Durchgreifende Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers bestehen insoweit in diesem Zusammenhang in keiner Weise. Dass der Kläger seine bei der Anhörung vor dem Bundesamt bereits im Einzelnen vorgetragenen Verletzungen an Körper und Seele durch die Sicherheitskräfte nicht noch einmal in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen zu schildern vermochte, ergibt nach Überzeugung des Gerichts keinen Grund, an der Glaubwürdigkeit des Klägers zu zweifeln und ist zur Überzeugung des Gerichtes mit der Traumatisierung des Klägers zu erklären. Nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung war für das Gericht evident, dass der Kläger auf Grund seiner psychischen Konstitution nicht nochmals in der Lage war, auch im Hinblick auf die Entwicklung seiner Traumatisierung, nochmals im Detail die damalige wiederholte Folter und entwürdigenden Übergriffe zu schildern. Ungeachtet dessen, dass auch in der durch den Vertreter des Klägers eingereichten Stellungnahme des Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge niedergelegten Angaben des Klägers zu diesen tief greifenden Übergriffen auch seinen Angaben bei der Anhörung vor dem Bundesamt im Wesentlichen entsprechen, sind in diesen Stellungnahmen des Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge die Kriterien für das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung anhand der Kriterien des ICD-10 F 43.1 methodisch korrekt, nachvollziehbar und überzeugend auch für das Gericht dargestellt.

Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen kann auch davon ausgegangen werden, dass die vom Kläger in wesentlichen Punkten wiederholt gleichartig geschilderte Vorgehensweise der ugandischen Sicherheitskräfte der Realität entspricht. Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskünften und Stellungnahmen kam es in den vergangenen Jahren sowohl durch Polizisten wie auch durch Armeeangehörige und Mitarbeiter anderer Sicherheitsdienste immer wieder zu Folterungen von Menschen nach ihrer Festnahme, sowohl wegen politischer als auch wegen krimineller Delikte. Die Verdächtigten wurden in inoffiziellen, gewöhnlich als "safe houses" bezeichneten Haftanstalten ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten (vgl. Jahresberichte amnesty international 2004 und 2005). Offiziellen Berichten zu Folge griffen die Sicherheitskräfte häufig zu Folterungen und anderen grausamen unmenschlichen oder erniedrigender Behandlungen, um Informationen zu erpressen. Auch die Stellungnahme des Instituts für Afrikakunde vom 12. Juli 2005 bestätigt diesen Sachverhalt. Danach ist bekannt, dass Oppositionelle wiederholt von verschiedenen Sicherheitskräften verfolgt, misshandelt, festgenommen und gefoltert wurden. Dabei wurde ihnen auch teilweise Rebellentum vorgeworfen.

Angesichts dieser sich aus den Erkenntnisquellen ergebenden Lage fehlen entgegen der Auffassung der Beklagten tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den nicht nur vereinzelten Übergriffen gegen den Kläger nur um so genannte Amtswalter- Exzesse gehandelt haben könnte (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 14.5.2003 - 2 BvR 134/01).

Auf Grund der erlittenen politischen Verfolgung kann auch in keiner Weise ausgeschlossen werden, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Uganda vor einer erneuten politischen Verfolgung hinreichend sicher ist.

Da nach der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskunft des Auswärtigen Amts vom 15. Januar 2004 zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, dass beim "Verschwinden" einzelner Personen wie dem Kläger, die zuviel Einblick in unliebsame Praktiken haben "nachgeholfen" wird, wäre der Kläger bei einer Rückkehr nach Uganda bereits unter diesem Gesichtspunkt vor einer erneuten politischen Verfolgung nicht hinreichend sicher.