OVG Rheinland-Pfalz

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Zitieren als:
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.07.2006 - 7 A 11671/05.OVG - asyl.net: M8622
https://www.asyl.net/rsdb/M8622
Leitsatz:
Schlagwörter: Kosten, Abschiebungshaft, Abschiebung, Ermessen, atypischer Ausnahmefall, Höhe, Haftkostenbeitrag
Normen: AuslG § 81 Abs. 1; AuslG § 82 Abs. 1; AuslG § 83 Abs. 1 Nr. 2; StVollzG § 50; LAufnG § 5 S. 2; AufenthG § 69 Abs. 1; AufenthG § 66 Abs. 1; AufenthG § 67 Abs. 1 Nr. 2
Auszüge:

Die Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Rechtsgrundlage für die Forderung der Abschiebungshaftkosten sind die §§ 81 Abs. 1 und 2 Satz 2, 82 Abs. 1 und 83 des Ausländergesetzes - AuslG - vom 9. Juli 1990. Da der Widerspruchsbescheid vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes erlassen worden ist und hier keine Übergangsregelung eingreift, ist das bis zum 31. Dezember 2004 geltende Ausländergesetz anwendbar.

Gemäß § 81 Abs. 1 AuslG (vgl. jetzt: § 69 Abs. 1 AufenthG) werden für Amtshandlungen nach diesem Gesetz und den zur Durchführung dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben. Daneben findet das Verwaltungskostengesetz Anwendung, soweit dieses Gesetz keine abweichenden Vorschriften enthält (§ 81 Abs. 2 Satz 2 AuslG; jetzt: § 69 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Nach § 82 Abs. 1 AuslG (jetzt: § 66 Abs. 1 AufenthG) hat der Ausländer die Kosten, die durch die Abschiebung entstehen, zu tragen. Zu diesen Kosten zählen gemäß § 83 Abs. 1 Nr. 2 AuslG (jetzt: § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) unter anderem die bei der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten einschließlich der Kosten für die Abschiebungshaft.

Der Forderung der Abschiebungshaftkosten steht nicht entgegen, dass der Kläger nicht abgeschoben worden ist. Die Kostentragungspflicht nach § 82 Abs. 1 AuslG setzt nicht voraus, dass eine Abschiebung des Ausländers tatsächlich vollzogen wurde (a.A.: Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand April 2005, § 66 Rn. 8). Eine solche Voraussetzung lässt sich insbesondere nicht aus dem in §§ 82 Abs. 1, 83 Abs. 1 AuslG verwendeten Begriff der "Abschiebung" herleiten. Gegen diese Annahme spricht bereits der Wortlaut des § 83 Abs. 1 Nr. 2 AuslG, wonach die Kosten der Abschiebung auch die bei der Vorbereitung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten umfassen. Vor allem aber stünde diese Auffassung nicht in Einklang mit dem Sinn und Zweck des § 82 Abs. 1 AuslG. Diese Regelung dient nämlich der Präzisierung und Erweiterung der fortbestehenden Veranlasserhaftung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG, nicht hingegen ihrer Begrenzung (vgl. BVerwGE 124, 1 [5]). Die Unterbringung eines Ausländers in Abschiebungshaft auf der Grundlage des § 57 Abs. 2 AuslG (jetzt: § 62 Abs. 2 AufenthG) dient ausschließlich der Durchsetzung seiner Ausreisepflicht. Die Tatsache, dass es aufgrund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände nicht zur Ausreise des Ausländers kommt, ändert nichts daran, dass er die entstandenen Kosten veranlasst und daher auch zu tragen hat (im Ergebnis ebenso BayVGH, InfAuslR 2004, 252; VGH BW, Urteil vom 19. Oktober 2005 - 11 S 646/04, juris).

Der angefochtene Leistungsbescheid ist auch nicht deswegen rechtswidrig, weil er keine Ermessenserwägungen dazu enthält, ob von einer Heranziehung des Klägers zu den Abschiebungshaftkosten ganz oder teilweise abgesehen wird. Dabei kann offen bleiben, ob die vom Bundesverwaltungsgericht zu § 84 AuslG (jetzt: § 68 AufenthG) entwickelten Grundsätze auch für die Fälle der Kostentragungspflicht nach § 82 AuslG heranzuziehen sind (so BayVGH, a.a.O.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand April 2006, § 66 AufenthG Rn. 2 und § 68 AufenthG Rn. 20; vgl. auch VGH BW, Urteil vom 19. Oktober 2005, a.a.O. und Beschluss vom 7. März 2006 - 13 S 155/06 -, juris; OVG RP, Beschluss vom 31. Mai 2006 - 7 E 10334/06.OVG -). Danach ist der Verpflichtete im Regelfall zur Kostenerstattung heranzuziehen, ohne dass es dahingehender Ermessenserwägungen bedarf. Hingegen hat die erstattungsberechtigte Stelle bei atypischen Gegebenheiten im Wege des Ermessens zu entscheiden, in welchem Umfang der Anspruch geltend gemacht wird und welche Zahlungserleichterungen dem Verpflichteten eingeräumt werden. Besonderheiten des Einzelfalles sind insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die individuelle Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nicht erst im Vollstreckungsverfahren, sondern bereits bei der Geltendmachung der Kostenforderung zu berücksichtigen (vgl. BVerwGE 108, 1 [17 f.]).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedenfalls nicht vor, so dass es keiner Ermessenserwägungen im Kostenheranziehungsverfahren bedurfte.

Die Höhe des geltend gemachten Tagessatzes von 87,00 € begegnet ebenfalls keinen Bedenken.

§ 83 AuslG (jetzt: § 67 AufenthG) stellt eine spezialgesetzliche Regelung des Umfangs der Kostenhaftung für ausländerrechtliche Abschiebungen dar. § 83 Abs. 4 Satz 1 AuslG (jetzt: § 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) bestimmt, dass die in Abs. 1 und 2 genannten Kosten, zu denen nach Abs. 1 Nr. 2 die Kosten für die Abschiebungshaft zählen, in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten erhoben werden. Eine Begrenzung auf den so genannten Haftkostenbeitrag nach § 50 StVollzG scheidet daher aus (vgl. BVerwGE 124, 1 [8 ff.]).