OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.08.2006 - 18 B 1666/06 - asyl.net: M8639
https://www.asyl.net/rsdb/M8639
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungshindernis, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, beabsichtigte Eheschließung, rechtliches Abschiebungshindernis, Angolaner, Kindesentführung
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2; FEVG § 3; FEVG § 12
Auszüge:

Das Verwaltungsgericht hat den - erstinstanzlich ausschließlich und nunmehr als Hauptantrag gestellten - Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den weiteren Aufenthalt der Antragstellerin im Bundesgebiet zu dulden, zu Recht abgelehnt. Die Antragstellerin hat insoweit das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch weiterhin nicht glaubhaft gemacht. Es ist nicht erkennbar, dass - wie es nach § 60a Abs. 2 AufenthG erforderlich wäre - ihre Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich wäre.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, ergibt sich zunächst auf Grund der nunmehr behaupteten Absicht der Antragstellerin, den angolanischen Staatsangehörigen O. M. N. heiraten zu wollen, für sie kein Anspruch auf Duldung. Nach der Rechtsprechung des Senats hindert selbst die Absicht eines Ausländers, eine(n) Deutsche(n) zu heiraten, seine Abschiebung nicht (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 7. Februar 1991 - 18 B 273/91 -, InfAuslR 1991, 193, vom 19. April 2002 - 18 B 693/02 -, vom 12. Juni 2002 - 18 B 585/02 - und vom 28. Juli 2003 - 18 B 1385/03 -).

Jedenfalls besteht aber insoweit unter dem Gesichtspunkt einer Unzumutbarkeit der Ausreise kein Duldungsanspruch der Antragstellerin, weil es an einem konkreten, unmittelbar bevorstehenden Termin für die Eheschließung fehlt. Dabei sind die Umstände, auf die dies zurückzuführen ist, nicht von Belang, denn die Unzumutbarkeit einer Ausreise liegt insoweit allein in ihrer zeitlichen Nähe zur Eheschließung (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 15. Mai 2002 - 18 B 750/02 -, vom 18. Juni 2002 - 18 B 946/02 -, vom 13. September 2002 - 18 B 1697/02 -, vom 26. Juni 2003 - 18 B 1140/03 - und vom 15. November 2004 - 18 B 1678/04 -).

Die Antragstellerin macht ferner vergeblich geltend, sie müsse in Deutschland bleiben, um weiter nach ihrem Kind E. suchen zu können, das ihrem Vorbringen zufolge im Sommer 2005 vom Kindsvater, dem angolanischen Staatsangehörigen ..., entführt worden ist. Hieraus folgt auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK und Art. 6 Abs. 1 GG keine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung. Es ist nicht glaubhaft gemacht, dass die - derzeit nicht bestehende - familiäre Lebensgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und ihrer Tochter nur oder auch nur deutlich leichter wieder herzustellen wäre, wenn erstere in Deutschland bleiben kann.

Zunächst hat die Antragstellerin nämlich in keiner Weise glaubhaft gemacht, dass sich ihre Tochter noch in Deutschland oder auch nur in Europa aufhält.

Unter diesen Umständen ist es - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - auch nicht einsichtig, dass die Antragstellerin in Deutschland bleiben muss, um nach E. suchen zu können.

Vor diesem Hintergrund ist ferner nicht ersichtlich, inwieweit sich die Unmöglichkeit der Abschiebung der Antragstellerin aus dem Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung oder dem Übereinkommen vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses ergeben soll. Soweit die Beschwerde geltend macht, erstgenanntes Abkommen verpflichte die Bundesrepublik Deutschland zur strikten Unterbindung von Kindesentführungen und zur Gewährleistung der Rückgabe des Kindes, ergibt sich vor dem oben geschilderten Hintergrund nicht, inwieweit eine Abschiebung der Antragstellerin nach Angola damit unvereinbar sein sollte. Dabei unterstellt der Senat, dass - soweit die Tochter der Antragstellerin wieder aufgefunden wird - dann etwa zu beteiligende deutsche Behörden das ihrige tun werden, um eine Zusammenführung der familiären Lebensgemeinschaft zwischen den beiden zu ermöglichen. Insoweit könnte es etwa geboten sein, der Antragstellerin unter den dann gegebenen besonderen Umständen entgegen der sonstigen Ermessenspraxis auch ohne Begleichung der Abschiebungskosten eine Betretenserlaubnis zu erteilen oder die Wirkungen nach § 11 AufenthG zu befristen.

Die Beschwerde bleibt auch im Hinblick auf den nunmehr gestellten Hilfsantrag, die Antragstellerin im Falle der Ablehnung des Hauptantrags aus der Abschiebungshaft zu entlassen und ihr Gelegenheit zur freiwilligen Ausreise zu gewähren, ohne Erfolg.

Im Übrigen ist der auf die Entlassung aus der Abschiebungshaft gerichtete Antrag der Antragstellerin nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und des weiter mit ausländerrechtlichen Streitigkeiten befassten 17. Senats des beschließenden Gerichts nicht mit einem gegen die Ausländerbehörde gerichteten Antrag auf dem Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten zu verfolgen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. Februar 1993 - 18 B 8/93 -, vom 28. Januar 2000 - 18 B 129/00 -, vom 15. Oktober 2001 - 17 B 1082/01 -, vom 4. April 2002 - 17 B 445/02 -, vom 9. April 2003 - 18 B 266/03 - sowie vom 28. Juni 2006 - 18 B 1088/06 -).

Es handelt sich zwar um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, doch ist diese im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch §§ 3, 12 FEVG der ordentlichen Gerichtsbarkeit, nämlich dem Amtsgericht, zugewiesen (vgl. auch § 106 Abs. 2 AufenthG) (vgl. näher Senatsbeschluss vom 28. Juni 2006 - 18 B 1088/06 - mit weiteren Nachweisen).