OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.08.2006 - 18 B 1704/06 - asyl.net: M8644
https://www.asyl.net/rsdb/M8644
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Streitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz, Beschwerdeausschluss, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, Abschiebungshindernis, Krankheit, psychische Erkrankung, Geschäftsverteilungsplan, Besetzungsrüge, Suizidgefahr
Normen: AsylVfG § 80; AufenthG § 60a Abs. 2
Auszüge:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Sie ist allerdings statthaft. Ihr steht nicht die Regelung des § 80 AsylVfG entgegen; denn eine Streitigkeit nach dem AsylVfG ist hier nicht gegeben. Zwar handelt es sich bei dem Antragsteller um einen abgelehnten Asylbewerber, der zwischenzeitlich ein Asylfolgeverfahren betreibt, in dem er sich (auch) auf eine psychische Erkrankung beruft. Vorliegend macht er jedoch, wenn auch wegen derselben Erkrankung, ausschließlich seine Reiseunfähigkeit und damit einen Duldungsgrund nach § 60a Abs. 2 AufenthG geltend, worüber zu entscheiden nicht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, sondern mangels einer Sonderzuweisung im AsylVfG die Ausländerbehörde berufen ist.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Die Verfahrensrüge, die Kammer des Verwaltungsgericht sei nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts nicht zuständig gewesen, weil es sich nicht um eine asylrechtliche Streitigkeit handele, kann nicht zum Erfolg der Beschwerde führen. Eine unrichtige Handhabung des Geschäftsverteilungsplans rechtfertigt die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts nur, wenn das Gericht seine Zuständigkeit willkürlich angenommen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 1994 - 1 B 176.93 -, Buchholz 310 § 138 Nr. 1 VwGO Nr. 32; Hess. VGH, Beschluss vom 27. Oktober 2000 - 8 TZ 2310/00 -, NVwZ-RR 2001, 530).

Davon kann schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil es vorliegend um die Vollstreckung einer asylrechtlichen Entscheidung geht und sowohl im Asylverfahren als auch in dem auf Abschiebungsschutz gerichteten ausländerrechtlichen Verfahren dieselbe psychische Erkrankung geltend gemacht wird, was immer wieder zu Abgrenzungsproblemen führt.

Nach der Rechtsprechung des Senats kommt ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis in Form einer Reiseunfähigkeit nur in Betracht, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers unmittelbar durch die Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge der Abschiebung voraussichtlich wesentlich verschlechtern wird (vgl. die Senatsbeschlüsse vom 3. März 2005 - 18 B 339/05 -, und vom 24. März 2005 - 18 B 1660/04 -, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Soweit sich unterhalb dieser Schwelle durch die Abschiebung eine Gesundheitsverschlechterung einstellen sollte, hat sie der Ausländer grundsätzlich hinzunehmen. Denn nicht jede mit der Erkenntnis der Aussichtslosigkeit eines Bleiberechts für Deutschland und einer bevorstehenden Rückkehr in das Heimatland einhergehende, mithin also letztlich abschiebungsbedingte Gefährdung bzw. Verschlechterung des Gesundheitszustandes führt auf eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) wegen Reiseunfähigkeit. Indem das Aufenthaltsgesetz ebenso wie zuvor das Ausländergesetz die Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht (vgl. § 58 AufenthG), nimmt es in diesem Zusammenhang vielfach zu erwartende Auswirkung auf den gesundheitlichen, insbesondere psychischen Zustand der Betroffenen in Kauf und lässt diese nur beim Vorliegen besonderer Umstände als Duldungsgründe gelten (vgl. die Senatsbeschlüsse vom 15. September 2004 - 18 B 2014/04 -, vom 21. Januar 2005 - 18 B 187/05, vom 17. August 2005 - 18 B 1223/05 - und vom 4. November 2005 - 18 B 94/05 -).

Davon kann bei psychischen Erkrankungen regelmäßig nur ausgegangen werden, wenn die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung unmittelbar durch die Abschiebung droht, der darüber hinaus auch nicht durch ärztliche Hilfen bis hin zu einer Flugbegleitung begegnet werden kann (vgl. zu Letzterem: BVerfG, Beschluss vom 16. April 2002 - 2 BvR 553/02 -, InfAuslR 2002, 415 sowie die ständige Senatsrechtsprechung, vgl. zuletzt Senatsbeschlüsse vom 15. September 2005 - 18 B 1157/05 - und vom 11. Oktober 2005 - 18 A 3204/05 -, jeweils m.w.N.).

Derartiges lässt sich den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen indes nicht entnehmen.