VG Gelsenkirchen

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Zitieren als:
VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 19.07.2006 - 16 L 926/06 - asyl.net: M8653
https://www.asyl.net/rsdb/M8653
Leitsatz:
Schlagwörter: Ausweisung, Ermessensausweisung, Straftäter, Falschangaben, geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften, Ehegattennachzug, eheliche Lebensgemeinschaft
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; AufenthG § 55 Abs. 1; AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 2; AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 1; AuslG § 92 Abs. 2 Nr. 2
Auszüge:

Die in einem Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gebotene Abwägung der widerstreitenden Vollzugsinteressen fällt zum Nachteil des Antragstellers aus, weil die angefochtene Ausweisung und die Abschiebungsandrohung offensichtlich rechtmäßig sind und weil der Zweck der angefochtenen Verfügung vereitelt würde, wenn mit ihrem Vollzug bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens gewartet würde.

Die Ermessensausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Nach dieser Vorschrift kann ein Ausländer u.a. ausgewiesen werden, wenn er einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen hat.

Der Antragsteller hat hier gegen den zur maßgeblichen Tatzeit gültigen § 92 Abs. 2 Nr. 2 des Ausländergesetzes (AuslG) verstoßen, weil er mit Erklärungen vom 31. März 2000 und 17. September 2001 (Beiakte Heft 1 Bl. 432 und 442) vorsätzlich unrichtige Angaben über seine eheliche Lebensgemeinschaft mit der deutschen Staatsangehörigen N. C. gemacht hat, um die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltserlaubnis und die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Dies geschah trotz schriftlichen Hinweises auf die Strafbarkeit nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG.

Die Anwendung der Ausweisungsermächtigung des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG ist nicht durch die Vorschrift des § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen, obwohl diese bei falschen oder unvollständigen Angaben die Ausländerbehörde nur dann zur Ausweisung ermächtigt, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf die Rechtsfolgen falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen worden ist. Denn es handelt sich bei der Nr. 1 nicht um ein spezielleres Gesetz mit derogativer Wirkung. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ermächtigt bei unrichtigen oder unvollständigen Angaben unabhängig von § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG zur Ausweisung unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass dieser Verstoß nicht nur vereinzelt oder geringfügig ist. Außerdem gilt § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nur bei falschen oder unvollständigen Angaben in Verfahren "nach diesem Gesetz", also nach dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetz (vgl. Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 13. April 2005 - 16 L 2314/04 - und 3. Januar 2006 - 16 L 1696/05 -).

Dass die eheliche Lebensgemeinschaft mit N. C. am 31. März 2000 und am 17. September 2001 nicht (mehr) bestand, drängt sich nach dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge einschließlich der Sitzungsniederschriften des Amtsgerichts - Familiengericht - Dortmund vom 30. April 2003 und 9. Juni 2004 im Scheidungsverfahren - 181 F 5913/01 - und der Sitzungsniederschrift des Amtsgerichts - Familiengericht - E. vom 9. Juni 2004 und dessen Urteil vom 9. Juni 2004 in dem Vaterschaftsanfechtungsverfahren - 181 F 4974/03 - zur Überzeugung des Gerichts auf.

Bei den Verstößen des Antragstellers handelt es sich nicht nur um vereinzelte oder geringfügige Verstöße (§ 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Es besteht ein erhebliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland an der Einhaltung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen über die Einreise und den weiteren Aufenthalt. Hat sich ein Ausländer durch Vorspiegelung falscher Tatsachen die Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis erschlichen, so kann darin regelmäßig kein geringfügiger Verstoß gesehen werden (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 22. Juni 2004 - 18 B 876/04 - m.w.N. zur § 46 Nr. 2 AuslG).