VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 03.07.2006 - 4 K 1713/06.A - asyl.net: M8663
https://www.asyl.net/rsdb/M8663
Leitsatz:
Schlagwörter: Verfahrensrecht, Klagerücknahme, Zuständigkeit, Rücknahmefiktion, Betreibensaufforderung, Rechtsschutzinteresse, Wegfall, ladungsfähige Anschrift, Mitteilung, Mitwirkungspflichten, Ausländerbehörde
Normen: VwGO § 52 Abs. 2 S. 3; AsylVfG § 81; AsylVfG § 10 Abs. 1
Auszüge:

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf ist mit Wirkung vom 1. April 2006 für das Verfahren zuständig geworden. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 52 Nr. 2 S. 3 VwGO. Der Kläger hat seinen Aufenthalt im Bezirk des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zu nehmen.

Entsteht - wie hier - nachträglich Streit über die Wirksamkeit der Klagerücknahme, hat das Gericht, bei dem das Verfahren bislang anhängig war, auf Antrag dieses fortzusetzen und über die Frage der Beendigung des Verfahrens aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden. Das gilt auch für die Fälle der Rücknahmefiktion nach § 81 AsylVfG (vgl. Marx, AsylVfG, 6. Aufl. 2005, § 81 Rdnrn. 76 ff.).

Diese Entscheidung fällt hier zu Lasten des Klägers aus. Seine Klage gilt gemäß § 81 AsylVfG als zurückgenommen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.

1. Der Kläger ist durch das Gericht aufgefordert worden, das Verfahren zu betreiben. Die Aufforderung vom 18. April 2006 genügte den formellen Anforderungen des § 81 S. 3 AsylVfG. Sie war auch materiell rechtmäßig. Allerdings darf die gerichtliche Betreibensaufforderung nach § 81 S. 1 AsylVfG nur ergehen, wenn bereits zu diesem Zeitpunkt sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses beim Kläger bestehen, die den späteren Eintritt der Rücknahmefiktion gerechtfertigt erscheinen lassen. Wegen des Ausnahmecharakters der in § 81 AsylVfG normierten Klagerücknahmefiktion dürfen die Anforderungen an das Verhalten des Rechtsschutzsuchenden, mit dem dieser sein fortbestehendes Interesse an einer gerichtlichen Sachentscheidung zum Ausdruck bringen muß, nicht überspannt werden (vgl. BVerwG, Beschluß vom 18. September 2002 - 1 B 103.02 -, NVwZ Beil. I 2003, 17).

Derartige Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses bestanden hier aber. Zum Zeitpunkt der Betreibensaufforderung war dem Gericht allein die bei Klageerhebung mitgeteilte Anschrift des Klägers "G2" bekannt. Die gegen Postzustellungsurkunde an diese Adresse abgesandte gerichtliche Mitteilung über das geänderte Aktenzeichen kam von der Post am 15. April 2006 als unzustellbar zurück. Unter diesen Umständen mußte das Gericht davon ausgehen, daß der Kläger seinen prozessualen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen war. Zu diesen gehört auch die Mitteilung der jeweiligen Anschrift, § 10 Abs. 1 AsylVfG. Die Verletzung dieser Mitwirkungspflicht begründete Zweifel daran, ob der Kläger noch gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen wollte.

2. Der Kläger hat das Verfahren länger als einen Monat nicht betrieben.

Die Mitteilung der Ausländerbehörde vom 4. Mai 2006 mit der Anschrift des Klägers ändert an dem Ergebnis nichts. Die Zweifel am Rechtsschutzinteresse des Klägers werden nicht dadurch beseitigt, daß das Gericht die Tatsache, zu deren Mitteilung es den Kläger in der Betreibensaufforderung angehalten hat, auf andere Weise in Erfahrung bringt. Erfährt das Gericht die ladungsfähige Anschrift, zu deren Mitteilung es aufgefordert hat, von dritter Seite, wird damit weder die Betreibensaufforderung hinfällig noch ist - bei Untätigkeit des Klägers - der Eintritt der Rücknahmefiktion ausgeschlossen. Denn das Betreiben dient nicht primär der richterlichen Sachaufklärung, sondern der Widerlegung der Vermutung, das Rechtsschutzinteresse sei entfallen (vgl. Molitor, in: GK-AsylVfG, Stand: Februar 2006, § 81 Rdnr. 116).