VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 29.06.2006 - 25 B 04.30070 - asyl.net: M8702
https://www.asyl.net/rsdb/M8702
Leitsatz:
Schlagwörter: Togo, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Folter, menschenrechtswidrige Behandlung, Situation bei Rückkehr, Grenzkontrollen, politische Entwicklung, Mitglieder, PDR, Party for Democracy and Renewal, COD II, Collectif de l`Opposition Democratique, Oppositionelle, Video, Videoaufnahmen, Kameramann, exilpolitische Betätigung, Antragstellung als Asylgrund, A.R.T.B., Demonstrationen, Expo
Normen: AufenthG § 60 Abs. 2; AufenthG § 60 Abs. 5; EMRK Art. 5
Auszüge:

1. Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter unterworfen zu werden. Er darf nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 682) - EMRK - auch dann nicht in sein Heimatland abgeschoben werden, wenn ihm dort unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.

Gemessen hieran besteht für den Kläger - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - keine konkrete Gefahr, bei einer Rückkehr nach Togo der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden. Weder die behaupteten politischen Aktivitäten des Klägers in Togo noch seine Asylantragstellung in Deutschland noch seine exilpolitischen Tätigkeiten legen eine entsprechende Gefährdung mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit nahe.

Eine wesentliche Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (die im Grundansatz mit der Judikatur der anderen Oberverwaltungsgerichte übereinstimmt, vgl. z.B. OVG SH vom 30.1.2003 Az. 4 L 19/01; OVG MV vom 4.7.2002 Az. 2 L 138/99) ist die Erkenntnis, dass die Behandlung von Rückkehrern durch das togoische Regime von Rücksichtnahme auf das westliche Ausland geprägt ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 30. März 1999 (Az. 25 BA 95.34283) unter Fortführung der früheren Rechtsprechung (vgl. insbesondere BayVGH vom 14.1.1997 Az. 25 BA 96.31993) ausführlich dargelegt, dass togoischen Asylbewerbern in Deutschland im Falle einer Abschiebung in ihr Heimatland deshalb in aller Regel weder politische Verfolgung im Sinne von § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) noch Folter noch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen (§ 53 Abs. 1 AuslG - jetzt § 60 Abs. 2 AufenthG -, § 53 Abs. 4 AuslG - jetzt § 60 Abs. 5 AufenthG - i.V.m. Art. 3 EMRK). Nur bei Vorliegen einer besonderen Konstellation im Ausnahmefall, nämlich dann, wenn der Herrschaftsanspruch des Regimes durch eine Person als konkret gefährdet angesehen werden müsste, können Verfolgungsmaßnahmen beachtlich wahrscheinlich sein.

Es gibt keinen Anlass, diese Einschätzung nach dem Tod von Staatspräsident Eyadema zu ändern.

2. Entsprechende besondere persönliche Umstände ergeben sich nicht aus den behaupteten politischen Aktivitäten des Klägers vor seiner Ausreise aus Togo.

Aus der bloßen Mitgliedschaft des Klägers bei der Oppositionspartei PDR und dem Parteienbündnis COD II (Collectif de l’Opposition Democratique) kann keine konkrete Gefahrenlage für ihn hergeleitet werden. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die einfache Mitgliedschaft in einer togoischen Oppositionspartei als Grund für eine beachtlich wahrscheinliche Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung ausscheidet (vgl. BayVGH vom 30.3.1999 a.a.O.); Tatsachen, die gegen die Richtigkeit dieser Annahme sprechen könnten, haben sich bis heute nicht ergeben (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 23.2.2006).

Was den Vortrag des Klägers betrifft, er habe im Auftrag der PDR während der Nationalkonferenz in Togo im Juli/August 1991 Videoaufnahmen gefertigt, von denen er eine mit nach Deutschland genommen habe, lässt sich hieraus ebenso wenig eine gegenwärtig drohende Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung ableiten. Unterstellt man die Aufnahme des Videos und dessen Inhalt, wie er vom Kläger in seinem Schreiben vom 5. Februar 1999 wiedergegeben wird, als wahr, so wurde die togoische Regierung während der Konferenz beschuldigt, für im einzelnen geschilderte Missstände und Menschenrechtsverletzungen verantwortlich zu sein. Der Kläger war nach seinen eigenen Angaben an diesen regimekritischen Anschuldigungen aber nicht selbst beteiligt, sondern auf seine rezeptive Rolle als Videofilmer beschränkt.

3. Aus der Asylantragstellung des Klägers oder den von ihm geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten ergeben sich ebenfalls keine besonderen persönlichen Umstände, die eine konkrete Gefahr von Folter oder einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung auslösen könnten.

Dass allein die Asylantragstellung in Deutschland keine der in § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG (damals noch: § 53 Abs. 1 AuslG, § 53 Abs. 4 AuslG) i.V.m. Art. 3 EMRK bezeichneten Gefahren auslöst, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 30. März 1999 (a.a.O.) ausführlich dargelegt; hierauf wird verwiesen. Aber auch die behaupteten exilpolitischen Aktivitäten des Klägers (Mitglied der A.R.T.B. und dortige Funktion als Reporter der Kommission für Organisation und Information, Mitglied der PDR Deutschland, Organisation und Teilnahme an politischen Veranstaltungen, Dokumentation einzelner Veranstaltungen durch Videoaufnahmen, Mitunterzeichnung von Petitionen an den ehemaligen togoischen Staatspräsidenten und deutsche Behörden, Mitunterzeichnung eines regimekritischen Beitrags in einer togoischen Zeitschrift, Verbreitung einer von ihm verfassten regimekritischen Broschüre in Togo und im Ausland, Teilnahme an einer Demonstration auf der EXPO 2000 mit Herstellung von Videoaufnahmen) begründen keine besondere Konstellation, in der nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Gefahr von Folter oder sonstiger menschenrechtswidriger Behandlung wahrscheinlich wird.

Der Kläger ist exilpolitisch nicht in einer Weise hervorgetreten, die ihn als ernstzunehmende Bedrohung für den Machtanspruch des togoischen Regimes erscheinen lässt.