Im Regelfall keine Gefahr der Todesstrafe für einen in Deutschland wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilten Iraner.
Im Regelfall keine Gefahr der Todesstrafe für einen in Deutschland wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilten Iraner.
(Leitsatz der Redaktion)
Die Klage ist zulässig. Sie ist auch begründet, soweit sich der Kläger gegen den Ausspruch im angegriffenen Bescheid wendet, wonach ihm für den Fall der erneuten Wiedereinreise ins Bundesgebiet nach erfolgter Abschiebung erneut die Abschiebung angedroht wird. Denn für den (vorsorglichen) Erlass einer Abschiebungsandrohung nach illegaler Wiedereinreise fehlt es an einer Rechtsgrundlage (BVerwG, Urt. v. 30.08.2005 - 1 C 29.04 -, NVwZ 2006, 96).
Im Übrigen ist die Klage jedoch unbegründet, denn der angefochtene Bescheid ist insoweit rechtmäßig und verletzt daher den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht zu.
Soweit der Kläger den Asylantrag mit der Gefahr der Todesstrafe bei einer Rückkehr in den Iran begründet hat, folgt daraus keine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmende Verfolgungsgefahr, die die Annahme eines Abschiebungsverbotes rechtfertigen könnte.
Ein Ausländer darf gemäß § 60 Abs. 3 AufenthG (früher: § 53 Abs. 2 AuslG) nicht in einen Staat abgeschoben werden, wenn dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Todesstrafe besteht.
Grundsätzlich ist eine erhöhte Gefährdung eines wegen Drogenhandels rechtskräftig verurteilten Iraners nach einer Rückkehr in den Iran nicht von der Hand zu weisen. Das folgt schon aus der Tatsache, dass das iranische Recht ein Verbot der Doppelbestrafung nicht kennt. Vielmehr ist es grundsätzlich zulässig, einen Iraner, der im Ausland eine auch im Iran strafbare Handlung begangen hat und dort verurteilt wurde, nach Rückkehr einem erneuten Strafverfahren zu unterziehen. Gemäß Artikel 7 des iranischen Strafgesetzbuches wird jeder Iraner, der sich im Ausland strafbar gemacht hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden Gesetzen der Islamischen Republik Iran bestraft. Eine eventuell im Ausland verbüßte Strafe soll nach Aussagen von Vertretern der Justiz bei der Strafzumessung im iranischen Verfahren aber Anrechnung finden (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 24.03.2006 [Dok. 08/06]).
Im Bereich der Drogenverbrechen kommt es in der Praxis nicht schon bei bloßem Besitz oder Schmuggel von Mengen, die laut Gesetz zur Verhängung der Todesstrafe ausreichen (mehr als 5 kg Opium oder 30 g Heroin), zur Vollstreckung von Todesurteilen, sondern nur bei Vorliegen zusätzlicher erschwerender Umstände wie bewaffnetem Schmuggel und Bandenbildung sowie bei Wiederholungstätern, die zum dritten Mal wegen Drogendelikten verurteilt werden. Gerade bei Fehlen erschwerender Umstände ist aber auch zu beobachten, dass das Strafmaß von Urteilen nicht selten an der Untergrenze des gesetzlichen Strafmaßes liegt. Anderenfalls müsste es zu einer sehr viel höheren Zahl von Todesurteilen im Drogenbereich kommen (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 24.03.2006 [Dok. 08/06]).
Diese Gesetzeslage scheint in der Praxis aus verschiedenen Gründen kaum dazu zu führen, dass es tatsächlich zu Fällen von Doppelbestrafung kommt. Dem Auswärtigen Amt sind keine konkreten Fälle bekannt. Auch den Vertretungen Australiens, Dänemarks, Frankreichs, Großbritanniens, Kanadas, der Niederlande, Norwegens, Schwedens und der Schweiz in Iran sind keine solchen Fälle bekannt geworden, obwohl die meisten dieser Staaten in der Vergangenheit bereits Straftäter nach Iran zurückgeführt haben.
Anders könnte sich die Lage darstellen, wenn der Inhaftierte von der iranischen Botschaft oder einem iranischen Generalkonsulat in Deutschland betreut wurde, und die iranischen Behörden in diesem Zusammenhang von der Straftat Kenntnis erlangt haben, oder wenn den iranischen Behörden im Zusammenhang mit der Rückführung entweder direkt mitgeteilt oder durch die Umstände der Durchführung der Rückführung nahe gelegt wird, dass es sich bei der Person um einen Straftäter handelt.
Selbst wenn die iranischen Behörden von dem Delikt Kenntnis erhalten, erscheint eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der erneuten Verfolgung nach bisheriger Erfahrung allenfalls bei Fällen gegeben, die aus iranischer Sicht von besonderer Bedeutung sind, so z. B.:
- in Fällen, in denen ein iranischer Staatsangehöriger Opfer einer Straftat ist und er selbst oder seine Familie diese im Iran zur Anzeige bringt,
- in Fällen, in denen die Tat selbst oder jedenfalls ein Teil derselben im Iran begangen wurde (z. B. Nutzung des Irans als Transitland bei Drogenschmuggel),
- bei schwerwiegenden Fällen, die in der deutschen Öffentlichkeit besonderes Aufsehen erregt haben und daher aus iranischer Sicht das Bild Irans im Ausland beschädigt haben.
(zu vorstehendem vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 24.03.2006 [Dok. 08/06]).
Diese Auskunftslage deckt sich im Wesentlichen mit der Einschätzung des Deutschen Orient-Instituts (DOI) in seiner Auskunft vom 30.09.2003 an das OVG Hamburg [Dok. 19/03]).
Zutreffend sei, dass Iran kein Verbot der Doppelbestrafung kenne und Auslandsstraftaten von Iranern auch im Iran verfolgt werden. Das DOI weist aber vor allem darauf hin, dass die Kehrseite der Doppelbestrafung die Verpflichtung der iranischen Strafverfolgungsbehörden ist, dem Täter die Tat nach Maßgabe der eigenen iranischen Strafvorschriften und Beweisregeln nachweisen zu müssen. Eine Verurteilung in Deutschland ziehe daher nicht automatisch eine Verurteilung im Iran nach sich. Iranische Stellen müssten aufgrund eigener Feststellungen zu einer Strafbarkeit von Handlungen gelangen. Das sei bei Taten, die ausschließlich außerhalb des Irans gegangen wurden und zum Iran auch sonst in keinem Bezug stünden, praktisch nicht machbar (Auskunft des Deutschen Orient-Instituts vom 30.09.2003 [Dok. 19/03, S. 7]).
Die Todesstrafe drohe dem Kläger dann auch nur, wenn es sich nicht um eine Ersttat gehandelt habe.
Die Gefahr einer weiteren Bestrafung eines in Deutschland verurteilten Drogendealers bestehe nur dann, wenn es wirklich um den gewerbsmäßig und groß angelegten dauerhaften Handel mit bedeutsamen Mengen Drogen geht, der nach iranischen Maßstäben und dortigem Rechtsempfinden trotz der bereits in Deutschland verbüßten Strafe ein örtliches Bedürfnis nach weiterer Strafe hervorruft (Auskunft des Deutschen Orient-Instituts vom 30.09.2003 [Dok. 19/03, S. 9])
Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung des Bundesamtes sind rechtmäßig und verletzen den Kläger ebenfalls nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Sie finden ihre Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 und § 38 Abs. 1 AsylVfG, da der Asylantrag des Klägers zu Recht abgelehnt worden ist.
Das Bundesamt hat zu Recht nicht geprüft, ob der Kläger Anspruch auf Verlängerung der ihm erteilten Aufenthaltsbefunis bzw. auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen hat oder ob er zumindest im Besitze eines vorläufigen Aufenthaltsrechts gemäß § 69 Abs. 2 oder 3 AuslG bzw. (nunmehr) nach § 81 Abs. 4 AufenthG ist. Es hat auch zu Recht nicht geprüft (und hätte dies auch nicht später gemusst), ob die zwischenzeitlich ergangene Ausweisungsverfügung des Oberbürgermeisters der Stadt Darmstadt rechtmäßig ist. Denn nach der insoweit klaren Entscheidung des Gesetzgebers ist für den Erlass der Abschiebungsandrohung durch das Bundesamt in ausländerrechtlicher Hinsicht allein relevant, ob der abgelehnte Asylbewerber eine Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG a. F.) oder nunmehr (seit 01.01.2005) einen Aufenthaltstitel besitzt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG n. F.). Die Prüfung ist somit auf die formale Prüfung der Existenz eines gültigen Aufenthaltstitels beschränkt; eine materiellrechtliche Überprüfung des Aufenthaltsstatus des Klägers findet nicht statt.