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BVerwG, Urteil vom 27.06.2006 - 1 C 14.05 - asyl.net: M8727
https://www.asyl.net/rsdb/M8727
Leitsatz:

1. Eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis kann nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG nicht schon dann erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Zusätzlich müssen vielmehr die Voraussetzungen des Satzes 1 der Vorschrift erfüllt sein.

2. Die Ausreise ist im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn sowohl der Abschiebung als auch der freiwilligen Ausreise rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige Hindernisse können sich aus inlandsbezogenen und aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben.

3. Auch bei der Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG sind die Ausländerbehörden und die Gerichte an die unanfechtbare Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG gebunden (wie Urteil vom 22. November 2005 - BVerwG 1 C 18.04 - zu § 25 Abs. 3 AufenthG).

4. Es bleibt offen, ob eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG auch dann erteilt werden kann, wenn über längere Zeit durch Erlass ein Abschiebestopp aus humanitären Gründen angeordnet ist (hier: verneint für die Erlasslage bezüglich Irak).

 

Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, subsidiärer Schutz, abgelehnte Asylbewerber, Bundesamt, Ablehnungsbescheid, Bindungswirkung, Ausländerbehörde, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Zuwanderungsgesetz, Übergangsregelung, Anwendungszeitpunkt, Beurteilungszeitpunkt, Abschiebungsstopp, Ausreisehindernis, freiwillige Ausreise, Zumutbarkeit, Irak, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, Erlasslage
Normen: AufenthG § 25 Abs. 3; AufenthG § 25 Abs. 5; AsylVfG § 42 S. 1; GG Art. 6 Abs. 1; EMRK Art. 8; AufenthG § 60 Abs. 2 - 7; AufenthG § 60a Abs. 1
Auszüge:

1. Eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis kann nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG nicht schon dann erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Zusätzlich müssen vielmehr die Voraussetzungen des Satzes 1 der Vorschrift erfüllt sein.

2. Die Ausreise ist im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn sowohl der Abschiebung als auch der freiwilligen Ausreise rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige Hindernisse können sich aus inlandsbezogenen und aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben.

3. Auch bei der Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG sind die Ausländerbehörden und die Gerichte an die unanfechtbare Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG gebunden (wie Urteil vom 22. November 2005 - BVerwG 1 C 18.04 - zu § 25 Abs. 3 AufenthG).

4. Es bleibt offen, ob eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG auch dann erteilt werden kann, wenn über längere Zeit durch Erlass ein Abschiebestopp aus humanitären Gründen angeordnet ist (hier: verneint für die Erlasslage bezüglich Irak).

(Amtliche Leitsätze)

 

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich jedenfalls im Ergebnis als richtig dar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 und § 144 Abs. 4 VwGO). Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen.

1. Zu Recht ist das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung nicht mehr von dem außer Kraft getretenen Ausländergesetz, sondern von dem ab 1. Januar 2005 als Teil des Zuwanderungsgesetzes (Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern vom 30. Juli 2004, BGBl I S. 1950) geltenden neuen Aufenthaltsgesetz - AufenthG - ausgegangen. An die Stelle der vom Kläger ursprünglich begehrten Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG ist nunmehr - mit veränderten tatbestandlichen Anforderungen - die Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 AufenthG getreten. Da das neue Aufenthaltsgesetz insoweit keine besonderen Übergangsregelungen enthält, war die Rechtsänderung vom Berufungsgericht zu beachten und ist auch für die Entscheidung des Revisionsgerichts maßgeblich (vgl. zuletzt etwa Urteil des Senats vom 22. November 2005 - BVerwG 1 C 18.04 - NVwZ 2006. 711 <zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE bestimmt>).

2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht seine Prüfung auf § 25 Abs. 5 AufenthG beschränkt. Da der Kläger (nunmehr) eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen beansprucht, ist dieser Anspruch nach jeder in Betracht kommenden Vorschrift des Aufenthaltsgesetzes zu beurteilen. Dies ist im Falle des Klägers neben § 25 Abs. 5 AufenthG auch § 25 Abs. 3 AufenthG. Einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht aus diesem Grunde bedarf es indes nicht. da der Senat aufgrund der bindenden Feststellungen im Berufungsurteil (§ 137 Abs. 2 VwGO) aus Rechtsgründen einen Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG ausschließen kann.

3. Nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Im Falle des Klägers fehlt es an den Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung nach § 60 Abs. 7 AufenthG, die hier allein in Betracht zu ziehen ist. Das ergibt sich bereits daraus, dass das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - jetzt Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - (Bundesamt) mit Bescheid vom 7. Juni 1999 bestandskräftig festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für ein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Das Bundesamt hat damit auch das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) verneint, dass nämlich für den Kläger in seinem Heimatstaat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Da § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG mit § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit wörtlich übereinstimmt, bestehen keine Bedenken dagegen, in Fällen wie hier die Feststellung des Bundesamts zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG auch im Rahmen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zugrunde zu legen. Solange diese negative Feststellung des Bundesamts Bestand hat, ist die Ausländerbehörde daran gebunden (§ 42 Satz 1 AsylVfG; vgl. dazu Urteil vom 22. November 2005 a.a.O. m.w.N.). Zu einer eigenen inhaltlichen Prüfung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG ist die Ausländerbehörde danach (ebenso wie die Gerichte im Aufenthaltserlaubnisverfahren) weder berechtigt noch verpflichtet. Eine eigene Prüfungskompetenz der Ausländerbehörde - gegebenenfalls unter Beteiligung des Bundesamts gemäß § 72 Abs. 2 AufenthG - kommt vielmehr grundsätzlich nur bei Ausländern in Betracht, die zuvor kein Asylverfahren betrieben haben.

Ob ausnahmsweise auch bei ehemaligen Asylbewerbern (einschließlich anerkannter Asylberechtigter und Flüchtlinge, deren Anerkennung widerrufen worden ist) eine eigene Prüfung durch die Ausländerbehörden zulässig und geboten ist, kann hier offen bleiben. Das könnte in Betracht kommen, wenn der Ausländer geltend macht, ihm drohe im Herkunftsland infolge einer allgemeinen Gefahrenlage eine extreme Gefahr für Leib und Leben, die in verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG zur Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach dieser Vorschrift (bei gleichzeitiger Ermessensreduzierung auf Null: vgl. Urteil vom 20. Oktober 2004 - BVerwG 1 C 15.03 - BVerwGE 122. 103 <108> m.w.N.) führen müsste, das Bundesamt aber eine solche Feststellung wegen Bestehens eines vergleichbaren Schutzes durch einen Abschiebestopp-Erlass, eine sonstige Erlasslage oder eine aus individuellen Gründen erteilte Duldung nicht treffen kann und darf (vgl. Urteil des Senats vom 12. Juli 2001 - BVerwG 1 C 2.01 - BVerwGE 114. 379 = Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 50). Ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor. Der Kläger hat im gesamten Verfahren nicht vorgebracht, dass ihm im Irak landesweit extreme Gefahren drohen. Auch die Feststellungen im Berufungsurteil geben hierfür nichts her.

4. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich - wie das Berufungsgericht zu Recht entschieden hat - auch nicht aus § 25 Abs. 5 AufenthG.

a) Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Unter "Ausreise" im Sinne dieser Vorschrift ist sowohl die zwangsweise Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise zu verstehen (vgl. BT-Drucks 15/420 S. 80 zu § 25 Abs. 6 AufenthG <dem jetzigen Abs. 5> unter Hinweis auf die Ausführungen zu § 25 Abs. 3 AufenthG auf S. 79: ebenso die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz und zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 22. September 2004 <Nr. 25.5.1.2 i.V.m. Nr. 25.3.2.1>: ferner Hailbronner. Ausländerrecht, Stand Februar 2006, § 25 AufenthG Rn. 92). Nur wenn sowohl die Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise unmöglich sind, kommt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift in Betracht.

Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Kläger weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen an einer freiwilligen Rückreise in den Irak gehindert ist. Tatsächliche Hindernisse stehen der Ausreise des Klägers nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entgegen. Auch aus rechtlichen Gründen ist dem Kläger eine freiwillige Rückkehr in den Irak nicht unmöglich. Die von ihm ausschließlich geltend gemachten allgemeinen Gefahren im Irak und der Umstand, dass nach wie vor keine Abschiebungen in den Irak durchgeführt werden, führen nicht auf eine Unmöglichkeit der freiwilligen Ausreise aus Rechtsgründen.

Eine freiwillige Ausreise ist im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen (wie etwa das Fehlen erforderlicher Einreisepapiere oder sonstige Einreiseverbote in den Herkunftsstaat) oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige Hindernisse können sich sowohl aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen u.a. auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind, als auch aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG. Bei Bestehen solcher Abschiebungsverbote hat nach dem Gesetzeskonzept die zwangsweise Rückführung des betroffenen Ausländers zu unterbleiben. Dann aber ist ihm in aller Regel auch eine freiwillige Rückkehr in sein Heimatland aus denselben rechtlichen Gründen nicht zuzumuten und damit unmöglich im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG (vgl. so auch schon Urteil vom 4. Juni 1997 - BVerwG 1 C 9.95 - NVwZ 1997, 1114 zu den Vorgängerbestimmungen in § 30 Abs. 3 und 4 AuslG: vgl. ferner ebenso die Gesetzesbegründungen, die darauf abstellten, dass bei § 25 Abs. 5 AufenthG "implizit auch die Zumutbarkeit" zu prüfen sei <vgl. BTDrucks 15/420 S. 80 und 14/8414 S. 75> und die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz und zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 22. September 2004, die davon sprechen, dass "eine freiwillige Ausreise jedoch möglich und zumutbar" sein muss <Nr. 25.5.1.2 Satz 2>). Der Senat folgt damit nicht der in Rechtsprechung und Literatur teilweise vertreten Auffassung, dass zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse speziell und ausschließlich im Rahmen von § 25 Abs. 3 AufenthG, nicht aber zusätzlich bei § 25 Abs. 5 AufenthG zu berücksichtigen sein sollen. Eine derartig einschränkende Auslegung von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG lässt sich weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Vorschrift entnehmen. Auch aus den Gesetzesmaterialien ist ein dahingehender Wille des Gesetzgebers nicht abzuleiten. Ebenso wenig legen systematische Gründe ein solches Verständnis der Vorschrift nahe. Zwar wird bei Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2. 3. 5 und 7 AufenthG in der Regel bereits eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu erteilen sein. Gleichwohl ist nicht ausgeschlossen, dass in solchen Fällen noch ein eigenständiger Anwendungsbereich für § 25 Abs. 5 AufenthG verbleibt, namentlich zugunsten von Ausländern, bei denen ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG besteht, von dem nur § 25 Abs. 5 AufenthG ausdrücklich dispensiert. Auch bei der Entscheidung über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ist die Ausländerbehörde aber bei ehemaligen Asylbewerbern nicht zu einer eigenen inhaltlichen Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG berechtigt, sondern bleibt gemäß § 42 Satz 1 AsylVfG an die (positive oder negative) Feststellung des Bundesamts hierzu gebunden.

b) Da das Bundesamt im Falle des Klägers bestandskräftig, d.h. mit nach wie vor bindender Wirkung entschieden hat, dass Abschiebungshindernisse im Sinne des § 53 AuslG (jetzt § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG) nicht vorliegen, ist auch im vorliegenden Zusammenhang davon auszugehen, dass derartige zielstaatsbezogene Gefahren nicht vorliegen und damit einer freiwilligen Ausreise des Klägers nicht entgegenstehen. Ob auch bei der Anwendung des § 25 Abs. 5 AufenthG ausnahmsweise eine eigene Prüfungszuständigkeit der Ausländerbehörde hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG im Falle einer extremen allgemeinen Gefahrenlage bei Bestehen eines Abschiebestopp-Erlasses oder eines vergleichbaren Schutzes in Betracht zu ziehen ist, bedarf mangels Vorliegens einer solchen Extremgefahr - wie oben zu § 25 Abs. 3 AufenthG bereits ausgeführt - auch hier keiner abschließenden Erörterung.

c) Entgegen der Auffassung des Klägers kann eine Unmöglichkeit der freiwilligen Ausreise im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG auch nicht deshalb bejaht werden, weil nach der Erlasslage in Bayern nach wie vor keine Abschiebungen in den Irak durchgeführt werden. Der Kläger meint, solange nicht zwangsweise abgeschoben werde, sei eine freiwillige Ausreise nicht "zumutbar". Dabei übersieht er, dass die Unmöglichkeit einer Abschiebung keineswegs stets auch die Unmöglichkeit einer freiwilligen Ausreise bedingt. Einer Abschiebung können - außer Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG, die, wie ausgeführt, in aller Regel auch eine Unzumutbarkeit der freiwilligen Ausreise bedingen - tatsächliche oder rechtliche Hinderungsgründe entgegenstehen, die für eine freiwillige Ausreise ohne oder von minderer Bedeutung sind. Selbst wenn die oberste Landesbehörde einen allgemeinen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG verfügt hat, lässt dies noch keinen Schluss auf die Unmöglichkeit auch einer freiwilligen Ausreise zu. Die oberste Landesbehörde kann sich aus unterschiedlichen Gründen veranlasst sehen, die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten allgemein auszusetzen. So spricht § 60a Abs. 1 AufenthG neben humanitären Gesichtspunkten völkerrechtliche Aspekte sowie die Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland als denkbare Gründe an (vgl. auch § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Auch das Fehlen von tatsächlichen Abschiebungsmöglichkeiten oder auch nur tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten können Grund für eine Aussetzung von Abschiebungen im Erlasswege sein. All dies lässt nicht darauf schließen, dass die betroffenen Ausländer nicht freiwillig in ihr Heimatland zurückreisen können. Allenfalls dann, wenn über längere Zeit ein Abschiebestopp aus humanitären Gründen angeordnet ist, mag zu erwägen sein, ob dann auch eine freiwillige Ausreise als aus Rechtsgründen unzumutbar erscheinen kann; dann könnte mit Rücksicht auf das gesetzgeberische Ziel der Vermeidung von Kettenduldungen in Betracht kommen, dem einzelnen Ausländer - unabhängig von einer allgemeinen Anordnung der obersten Landesbehörde nach § 23 Abs. 1 AufenthG - eine Aufenthaltserlaubnis aufgrund einer individuellen Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen. Dies bedarf vorliegend allerdings keiner weiteren Erörterung. Wie von der Vertreterin des Bundesinteresses und der Landesanwaltschaft Bayern in der Revisionsverhandlung unbestritten dargelegt worden ist, beruht der in Bayern bestehende Abschiebestopp-Erlass für irakische Staatsangehörige, der sich an der entsprechenden Beschlusslage der Innenministerkonferenz orientiert, nicht auf humanitären Gründen, sondern darauf, dass es bisher keine Flugverbindungen in den Irak gegeben hat und es nach wie vor an einem Rückübernahmeabkommen mit dem Irak fehlt. Der Erlass stellt daher keine Anordnung dar, die aus humanitären Gründen wegen der schwierigen Sicherheits- oder Versorgungslage im Irak und den sich daraus für die Zivilbevölkerung allgemein ergebenden Gefahren getroffen worden ist.

d) Sonstige Gefahren im Zielstaat, die kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG begründen, führen dagegen grundsätzlich nicht zu einer Unmöglichkeit der freiwilligen Ausreise im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG. Entgegen der Ansicht des Klägers kann er sich mithin auch nicht auf sonstige allgemeine Zumutbarkeitserwägungen berufen: sie entsprechen nicht der tatbestandlich vorausgesetzten rechtlichen Unmöglichkeit der Ausreise im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG. Wie bereits ausgeführt ist dem Ausländer die freiwillige Ausreise aus Rechtsgründen nur unzumutbar, wenn sie ihm wegen zielstaats- oder inlandsbezogener Abschiebungsverbote nicht zugemutet wird. Weitergehende allgemeine Zumutbarkeitserwägungen, wie sie etwa im Rahmen einer Härtefallklausel angestellt werden können, sind vom Begriff der Unmöglichkeit der Ausreise im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG nicht erfasst.

e) Da dem Kläger inzwischen ein irakischer Pass ausgestellt worden ist, kann schließlich auch das Fehlen eines gültigen Reisedokuments seiner freiwilligen Rückkehr nicht mehr entgegenstehen. Deshalb braucht nicht geklärt zu werden, ob die Passlosigkeit als solche zu der Annahme führt, dass eine freiwillige Rückreise unmöglich ist, und ob ein Verschulden des Ausländers im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG schon dann vorliegt, wenn er sich nicht um die Ausstellung eines Passes bemüht hat, obwohl die Behörde ihn hierzu nicht aufgefordert hat.

5. Der Kläger kann sich schließlich auch nicht auf § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG berufen. Nach dieser Regelung soll die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Abschiebung seit achtzehn Monaten ausgesetzt ist. Zwar ist die Abschiebung des Klägers inzwischen seit weit mehr als achtzehn Monaten ausgesetzt. Die Regelung stellt aber entgegen der Auffassung des Klägers keine in allen Fällen der sog. Kettenduldung anzuwendende selbstständige Anspruchsgrundlage dar. Die Systematik des § 25 Abs. 5 AufenthG spricht dafür, dass die Regelung in Satz 2 - wie dann auch die Regelungen in Satz 3 und 4 - an die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG anknüpft. Nur wenn diese vorliegen und zusätzlich die Voraussetzungen des Satzes 2 hinzutreten, "soll" die Ausländerbehörde - in Fortführung und Ergänzung der Kann-Regelung des Satzes 1, die eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis nur bei Fällen einer Duldung von weniger als achtzehn Monaten in das uneingeschränkte Ermessen der Ausländerbehörde stellt - eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Auch die Entstehungsgeschichte der Regelung lässt nicht erkennen, dass mit ihr eine eigenständige Anspruchsnorm geschaffen werden sollte. die zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis - trotz der Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise - regelmäßig den bloßen Zeitablauf von achtzehn Monaten ausreichen lässt (vgl. hierzu Hailbronner. Kommentar zum Ausländerrecht, Stand Februar 2006, § 25 AufenthG Rn. 102). Das würde im Übrigen, wie die Beklagte und die Beteiligten zu Recht geltend gemacht haben, praktisch auf eine weitgehende pauschale Altfallregelung hinauslaufen, wie sie der Gesetzgeber auf der Grundlage des Kompromisses um das Zuwanderungsgesetz im Vermittlungsverfahren gerade nicht beabsichtigt hat und wie sie bis heute ausländerpolitisch umstritten ist.