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VG Gießen

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Zitieren als:
VG Gießen, Urteil vom 27.09.2006 - 2 E 1753/06.A - asyl.net: M8912
https://www.asyl.net/rsdb/M8912
Leitsatz:
Schlagwörter: Verfahrensrecht, Klage, Fristen, Fristversäumnis, Klageerhebung, Unterschrift, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Normen: AsylVfG § 74 Abs. 1; VwGO § 81 Abs. 1 S. 1
Auszüge:

Die an sich statthafte Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 8. Juni 2004 ist wegen unentschuldigter Versäumung der Klagefrist unzulässig, der Widerruf der durch Entscheidung des Bundesamtes vom 15. Juli 1999 erfolgten Feststellung des Verbots einer Abschiebung politisch Verfolgter hinsichtlich des Iraks nebst Verneinung von Abschiebungshindernissen ist damit bereits in Bestandskraft erwachsen.

Nach § 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylVfG ist die Klägerin gehalten gewesen, gegen den Bescheid vom 8. Juni 2004 innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Klage zu erheben. Die Klage hätte damit - in der gehörigen Form - bis zum Ablauf des Mittwochs, dem 23. Juni 2004, erhoben werden müssen. Zwar ist an diesem Tag bei dem örtlich unzuständigen Verwaltungsgericht Leipzig ein Schriftstück eingegangen, doch genügt dieses mangels eigenhändiger Unterschrift nicht den nach § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu stellenden Anforderungen (vgl. Marx, AsylVfG, 6. Aufl. - 2005 § 74 Rdnr. 162). Vorliegend kann auch nicht ausnahmsweise aufgrund anderer Anhaltspunkte eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, festgestellt werden (vgl. Marx, a.a.O., Rdnr. 163 m.w.N.). So enthält der Briefumschlag, mit dem das Schreiben dem Verwaltungsgericht Leipzig übersandt worden ist, keinerlei Hinweise auf den Absender (vgl. Bl. 4 d.A.), etwa in Gestalt einer handschriftlichen Absenderangabe. Dass es aus Sicht der angegebenen Adressantin objektiv sinnvoll wäre, ihre Rechtsposition zu verteidigen, belegt ebenso wenig eine willentliche Entäußerung des Schreibens in den Rechtsverkehr durch die Klägerin wie eine zur Absenderangabe passende Stempelung (hier: "Briefzentrum 35"). Gerade bei sich selbst vertretenden Ausländern kann bei einem im Wesentlichen fehlerfreien Gebrauch der deutschen Gerichtssprache auch nicht ohne Weiteres angenommen werden, das Schreiben sei von ihnen selber gefertigt und so mit ihrem Willen in den Rechtsverkehr gebracht worden; näherliegen mag es in diesen Fällen vielmehr, von einer Fertigung durch Dritte auszugehen, sodass ein ausnahmsweiser Nachweis, trotz fehlender Unterschrift habe Klage erhoben werden sollen, allein dadurch nicht geführt wird.

Es spricht einiges dafür, dass dann, wenn die Klägerin aus bloßer Nachlässigkeit ihre Unterschrift versäumt habe, ihr deshalb eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren gewesen wäre. Wird eine - wie sich aus dem Gebrauch der Wendung "Hochachtungsvoll" ersehen lässt - erkennbar für notwendig gehaltene Unterschrift nicht geleistet, so liegt eine Obliegenheitsverletzung vor, die als ein Verschulden gegen sich selbst die Wiedereinsetzung ausschließt (vgl. Bier, in: Schoch/AE.-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblatt, Stand: April 2006, § 60 Rdnr. 18 f.).