Der Anspruch auf eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (§ 60 a Abs. 4 AufenthG) kann durch eine einstweilige Anordnung durchgesetzt werden; die Entscheidung über die Weiterleitung eines unerlaubt eingereisten Ausländers nach § 15 a Abs. 2 AufenthG steht im Ermessen; in den Fällen des § 15 a Abs. 1 S. 6 AufenthG ist die Weiterleitung ausgeschlossen.
Der Anspruch auf eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (§ 60 a Abs. 4 AufenthG) kann durch eine einstweilige Anordnung durchgesetzt werden; die Entscheidung über die Weiterleitung eines unerlaubt eingereisten Ausländers nach § 15 a Abs. 2 AufenthG steht im Ermessen; in den Fällen des § 15 a Abs. 1 S. 6 AufenthG ist die Weiterleitung ausgeschlossen.
(Leitsatz der Redaktion)
Die Beschwerde hat Erfolg, soweit das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihr eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung gemäß § 60 a Abs. 4 AufenthG zu erteilen, abgelehnt hat. Der Antragstellerin geht es vorliegend, worauf die Beschwerdebegründung zutreffend hinweist, nicht um die vorläufige Aussetzung einer Abschiebung, bei der im Regelfall das auf Erteilung einer Duldung gerichtete einstweilige Rechtsschutzbegehren als unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache angesehen wird, sondern um die Aushändigung der schriftlichen Bescheinigung des Absehens von Vollstreckungsmaßnahmen (§§ 60 a Abs. 4, 77 Abs. 1 AufenthG).
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin mehrfach sowohl schriftlich als auch mündlich bestätigt, dass von ihr aufgrund der fortgeschrittenen Schwangerschaft der Antragstellerin gegenwärtig keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen beabsichtigt sind (Schreiben vom 6. Februar 2006 sowie Antragserwiderung vom 17.02.2006, Telefonvermerk vom 16.02.2006). Hierdurch hat die Antragsgegnerin zum Ausdruck gebracht, dass sie die Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses gem. § 60 a Abs. 2 AufenthG als erfüllt ansieht, ohne der Antragstellerin jedoch eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung ausgehändigt zu haben. Weder die Systematik des Ausländergesetzes noch die Systematik des Aufenthaltsgesetzes lassen Raum für einen ungeregelten Aufenthalt eines im Bundesgebiet sich aufhaltenden Ausländers. Das Gesetz geht davon aus, dass ein ausreisepflichtiger Ausländer entweder abgeschoben wird oder zumindest eine Duldung erhält. Die tatsächliche Hinnahme des Aufenthalts außerhalb einer förmlicher Duldung, ohne dass die Vollstreckung der Ausreisepflicht betrieben wird, sieht das Gesetz nicht vor (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.03.2000 - 1 C 23/99 - in EZAR 2000, 225).
Dies gilt unabhängig davon, ob der Gesetzgeber in § 15 a Abs. 1 AufenthG grundsätzlich davon ausgegangen ist, dass die Verteilung unerlaubt eingereister Ausländer vor einer Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung zu erfolgen hat oder nicht. Zum einen hat die Antragsgegnerin vorliegend tatsächlich über die Aussetzung der Abschiebung entschieden, wie sich aus dem Schreiben vom 6. Februar 2006 ergibt, zum anderen ist § 15 a Abs. 2 AufenthG zu entnehmen, dass die erstmals mit dem illegal eingereisten Ausländer befasste Ausländerbehörde im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens die Besonderheiten des Einzelfalles zu würdigen hat, wobei in den Fällen des § 15 a Abs. 1 Satz 6 AufenthG eine Weiterleitung an die zuständige Erstaufnahmeeinrichtung tatbestandsmäßig ausgeschlossen ist und in den übrigen Fällen eine Ermessensentscheidung zu treffen ist. In diesem Zusammenhang weist der Senat, ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankommt, darauf hin, dass der von der Antragsgegnerin verwandte Vordruck (Bescheinigung über die Weiterleitung einer Person nach § 15 a Abs. 2 AufenthG, Bl. 40 der GA) diesen Anforderungen des § 15 a Abs. 2 AufenthG insbesondere hinsichtlich der anzustellenden Ermessenserwägungen, aber auch hinsichtlich der im Übrigen zu prüfenden Tatbestandsvoraussetzungen kaum gerecht werden dürfte. Die Verwendung eines amtlich eingeführten Vordrucks ohne Anfügung einer eigenständigen Begründung steht im Widerspruch zu der vom Gesetzgeber in § 15 a Abs. 2 AufenthG geforderten Ermessensentscheidung, die der Behörde aufgibt, die für und gegen eine Weiterleitung sprechenden Gesichtspunkte unter Berücksichtigung auch der Interessen des betroffenen Ausländers, aber auch eines effektiven Verwaltungsablaufs unter- und gegeneinander abzuwägen. Hierbei ist in die Ermessenserwägung auch mit einzustellen, ob der betroffene Ausländer ohnehin wieder dem Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde, die die Weiterleitung betreiben möchte, zugewiesen werden müsste. Im Übrigen bestehen auch Bedenken an der Rechtmäßigkeit der verfügten Androhung des Zwangsmittels hinsichtlich der allein auf der Grundverfügung fußenden Fristsetzung "unverzüglich" (vgl. Engelhardt/App, VwVG, VwZG, Kommentar, 5. Aufl., § 13 Rdn 3 mit weiteren Nachweisen).
Hat die Antragstellerin einen Anspruch auf Aushändigung der gemäß § 60 a Abs. 4 AufenthG vorgeschriebenen Bescheinigung, kann sie dies auch im Wege der einstweiligen Anordnung durchsetzen, da es sich insoweit nicht um eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache handelt.
In Anbetracht der Tatsache, dass die hochschwangere Antragstellerin im Falle einer polizeilichen Überprüfung damit rechnen müsste, wenn auch kurzfristig, inhaftiert zu werden und sie im Falle eines Ermittlungsverfahrens wegen illegalen Aufenthalts im Bundesgebiet gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG keinen Nachweis darüber führen könnte, dass die Abschiebung tatsächlich ausgesetzt ist, ist es für sie unzumutbar, das Hauptsacheverfahren auf Aushändigung einer Duldungsbescheinigung gemäß § 60 a Abs. 4 AufenthG abzuwarten.
Die Beschwerde ist jedoch zurückzuweisen, soweit die Antragstellerin ihren Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, vorläufig von der Anwendung unmittelbaren Zwangs betreffs die Weiterleitungsverfügung vom 17. Februar 2006 Abstand zu nehmen, weiterverfolgt.
Der Ausspruch der Verpflichtung, sich zu der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen zu begeben, ist ein auf § 15 a Abs. 2 AufenthG gestützter Verwaltungsakt, gegen den ein Widerspruch nicht stattfindet und die Klage keine aufschiebende Wirkung entfaltet (§ 15 a Abs. 2 Sätze 3 und 4 AufenthG). Der in der Bescheinigung enthaltenen Zwangsmittelandrohung kommt ebenfalls Verwaltungsaktscharakter zu, deren Rechtmäßigkeit sich nach den Vorschriften der §§ 47 ff. HSOG richtet.
Soweit ein Betroffener sich gegen die Weiterleitung oder das angedrohte Zwangsmittel zur Wehr setzen will, muss er daher den Weg der Anfechtungsklage und im Fall vorläufigen Rechtsschutz den Weg über § 80 Abs. 5 VwGO gehen. Raum für eine Regelungs- oder Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO besteht dabei nicht (§ 123 Abs. 5 VwGO).