VG Weimar

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Zitieren als:
VG Weimar, Beschluss vom 20.09.2006 - 2 E 20191/06 We - asyl.net: M8955
https://www.asyl.net/rsdb/M8955
Leitsatz:
Schlagwörter: Türkei, Folgeantrag, Haft, Strafhaft, Haftbedingungen, Situation bei Rückkehr, Übergriffe, Folter, Grenzkontrollen, politische Entwicklung, Reformen, Strafverfahren, Strafurteil, Staatssicherheitsgericht
Normen: VwGO § 123; AsylVfG § 71 Abs. 1; VwVfG § 51; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Der zulässige Antrag nach § 123 VwGO hat keinen Erfolg.

Stellt ein Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages erneut eine Asylantrag (Folgeantrag) so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 - 2 VwVfG vorliegen.

Auch das nunmehrige Vorbringen des Antragstellers ist nicht geeignet, eine Änderung der Sachlage bzgl. der Haftbedingungen in der Türkei nahezulegen. Zum Einen ist zu berücksichtigen, dass die jeweils in Zitat wiedergegebenen "Berichte" von Häftlingen, an die Menschenrechtsstiftung TIHV, über ihre Haftbedingungen in der Türkei (Schriftsatz vom 12.09.2006, Bl. 73-80 der Gerichtsakte) offensichtlich sämtlich nicht verifiziert sind. Dies wäre jedoch erforderlich, um den Wahrheitsgehalt der jeweiligen Angaben überprüfen zu können. Anders verhält es sich bei der genannten Auskunft von Kaya und zudem bei einer weiteren Auskunft von Taylan (von 21.07.2005 an das Verwaltungsgericht Sigmaringen), die letztlich auch durch Menschenrechtsorganisationen bestätigt wurden. In der Auskunft von Taylan wird ausdrücklich dargelegt, dass in den letzten 3 Jahren kein Fall mehr bekannt geworden sei, bei den Misshandlungen oder gar Folter bei Festnahme eines Rückreisenden nachgewiesen worden seien. Zwar habe es Foltervorwürfe aus einigen Gefängnissen gegeben, die jedoch einer Überprüfung nicht standgehalten hätten.

Dabei ist zu beachten, dass das Gericht zwar nicht der Auffassung ist, dass der in der Türkei in Gang gekommene Reformprozess dazu geführt hat, dass nunmehr die Einhaltung von Menschenrechten umfänglich und hinreichend sicher gewährleistet ist (vgl. hierzu auch Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 14.12.2004 - 3 KO 1047/04 - m.w.N.), jedoch muss vorliegend eine klare Trennung zwischen einer Misshandlungsgefahr bei Vernehmungen der Polizei und Staatsanwaltschaft einerseits und der Misshandlungsgefahr bei der Verbüßung einer Strafhaft gemacht werden. Verifizierte Misshandlungen bei Verbüßung der Strafhaft bzw. ein Untätigbleiben der türkischen Behörden bei Bekanntwerden sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht überwiegend wahrscheinlich. Dies gilt insbesondere - wie die oben genannte Auskunft von Kaya überzeugend darlegt - deshalb, weil bei Verbüßen der Strafhaft kein Geständnis seitens der Behörden mehr erzielt werden muss.

Selbst jedoch bei Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers im Zusammenhang mit dem Ergehen des türkischen Strafurteils ergibt sich hieraus nichts für eine Asylberechtigung des Antragstellers oder eines Abschiebungshindernisses. Insbesondere führt der Umstand, dass nach Vorbringen des Antragstellers die Beweismittelverwertung, das Strafmaß und die Bewertung der Beteiligungen an Terrorakten der PKK möglicherweise durch die türkischen Gerichte anders bewertet werden als in Deutschland, nicht automatisch zu einer politischen Verfolgung.

Soweit der Antragsteller weitere Umstände des Gerichtsverfahrens in der Türkei geltend macht, die seiner Meinung nach dem deutschen Strafverfahren nicht entsprechen, ist darauf hinzuweisen, dass ein Asylverfahren in Deutschland kein - wie immer geartetes - Rechtsmittelverfahren strafrechtlicher Urteile in der Türkei bedeuten kann. Vielmehr ist lediglich zu prüfen, ob eine durch Folter erzwungene Aussage ggf. zu einem rechtsstaatswidrigen Urteil geführt hat. Dies hat der Antragsteller selbst nicht vorgetragen, so dass für ein erfoltertes Geständnis weder aus den Akten noch aus den Angaben des Antragstellers Anhaltspunkte bestehen. Die Verurteilung des Antragstellers in der Türkei beruht vorliegend nicht auf der behaupteten Folter, sondern im Wesentlichen auf den Angaben des Antragstellers im Rahmen seines Stellens bei den Polizeibehörden.

Die Bezugnahme auf andere Fälle von erfolterten Geständnissen ist daher vorliegend ohne Belang. Allein der Umstand, dass die Verurteilung durch ein Staatssicherheitsgericht erfolgt impliziert nicht die Rechtsstaatswidrigkeit der Verurteilung (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 06.05.2004 - 4 K 4743/03 -).