Bekleidungsvorschriften und sonstige Diskriminierungen von Frauen stellen keine asylerhebliche Beeinträchtigung dar; auch einer Rückkehrerin aus Europa ist die Anpassung an die Vorschriften zuzumuten.
Bekleidungsvorschriften und sonstige Diskriminierungen von Frauen stellen keine asylerhebliche Beeinträchtigung dar; auch einer Rückkehrerin aus Europa ist die Anpassung an die Vorschriften zuzumuten.
(Leitsatz der Redaktion)
Hiernach steht einer Anerkennung der Klägerinnen als asylberechtigt gemäß Art. 16a Abs. 1 GG entgegen, dass sie den Iran nicht aufgrund politischer Verfolgung verlassen und sich auch nach ihrer Ausreise nicht in asylerheblicher Weise betätigt haben.
Unabhängig davon, dass der Klägerin zu 1. ihr Vorbringen zur Verfolgung wegen ihres Ehemannes nicht geglaubt werden kann, erreichen die geschilderten Maßnahmen der Bassidj auch keine asylrelevante Intensität. Behauptet wurden Wohnungsdurchsuchungen, Befragungen nach dem Ehemann, eine einmalige Mitnahme und Befragung durch die Bassidj sowie telefonische Erkundigungen und Bedrohungen durch die Sicherheitskräfte. All dies erreicht keine Asylrelevanz.
Soweit die Klägerin zu 1. erstmalig in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, ihre im Iran lebenden Familienangehörigen würden sie im Fall einer Rückkehr in den Iran töten, weil sie erfahren hätten, dass sie, die Klägerin zu 1., in Deutschland kein Kopftuch trage, führt dies ebenfalls nicht zur Anerkennung als asylberechtigt. Zum einen ist es nach Einschätzung des Gerichts nicht hinreichend wahrscheinlich, das die Klägerin zu 1. im Falle einer Rückkehr tatsächlich einer derartigen Gefährdung ausgesetzt sein wird. Darüber hinaus stünden ihr bei einer Gefährdung durch Familienangehörige innerstaatliche Fluchtalternativen offen (vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/85 u.a. - , in: DVBl. 1991, 531).
Sie hätte angesichts der Größe des Iran und auch Teherans ohne weiteres die Möglichkeit, ihrer Familie eine Rückkehr in den Iran zu verschweigen und den Kontakt zu ihr zu vermeiden.
Wenn die Klägerin zu 1. in der mündlichen Verhandlung des weiteren geltend macht, die religiös-konservative Regierung habe verstärkt auf die Einhaltung der religiösen Bekleidungsvorschriften hingewirkt, was aber insbesondere in frauenspezifischer Hinsicht nicht hinnehmbar sei, begründet auch dies für den Fall ihrer Rückkehr in den Iran nicht die Gefahr politischer Verfolgung. Allerdings gilt im Iran eine detaillierte Kleiderordnung, die für Frauen insbesondere eine nahezu vollständige Verhüllung des Körpers und der Haare mit dunklen und festen Kleidungsstücken - durch den Tschador oder einen langen Mantel und Kopftuch - vorschreibt, bei deren Verletzung Sanktionen erfolgen können, die bis zur Auspeitschung mit 74 Hieben reichen (vgl. AA, Auskunft vom 15. November 1989 (10449), und amnesty international, Stellungnahme vom 16. Januar 1990 (69.075), jeweils an das VG Bremen, unter Hinweis auf die damals geltende Bestimmung des § 102 iran. StGB; AA, Lagebericht vom 24. März 2006, S. 31, und Auskunft vom 2. August 2005 (43948) an das VG Trier, jeweils unter Hinweis auf Art. 638 iran. StGB n.F.).
Auch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die in den letzten Jahren - insbesondere in der Regierungszeit des Präsidenten Chatami - bisweilen festzustellende großzügigere Auslegung und Anwendung der Bestimmungen zwischenzeitlich einer strengeren Handhabung gewichen ist. So ist auf eine entsprechende Forderung von Parlamentariern Anfang April 2006 angekündigt worden, 50 Spezialeinheiten abzustellen, welche die islamische Kleiderordnung durchsetzen sollen (vgl. den Artikel "Das Land hinter dem Schleier" im Magazin "Stern" vom 27. April 2006; vgl. auch die Äußerungen der Frau Zahra Khomeini, Tochter des früheren Revolutionsführers, wiedergegeben in dem Artikel "Erbin des Ayatollah" in "Die Welt" vom 11. April 2006; "... das Kopftuch muss sein. Das ist der Islam. ... Der Hijab spielt eine grundlegende Rolle für die Stabilität der Familie"; einschränkend allerdings der Artikel "Die Rückkehr der Revolution" in "Die Zeit" vom 16. März 2006: "Und doch sind manche kleinen Freiheiten des Alltags - das aus der Stirn geschobene Kopftuch, das dick aufgetragenen Makeup, selbst das Händchenhalten mit dem Freund auf der Straße - beim Wechsel von Chatami zu Ahmadineschad nicht gänzlich zurückgedreht worden.").
Bei den an die Nichtbeachtung der Bekleidungsvorschriften anknüpfenden Maßnahmen handelt es sich aber zunächst lediglich um eine - unpolitische - Ahndung eines Verstoßes gegen die öffentliche Moral. Die Bekleidungsvorschriften haben ihre Ursache in den im Iran besonders strengen, vor allem die Frauen betreffenden Moralvorstellungen. Sie dienen der Aufrechterhaltung äußerlicher Formen der Frömmigkeit bzw. der öffentlichen Moral und haben deshalb ordnungs- oder strafrechtlichen Charakter. Daher sind diese staatlichen Maßnahmen unter asylrechtlichen Aspekten hinzunehmen, auch wenn sie im Gegensatz zur Werteordnung der Bundesrepublik Deutschland und nicht im Einklang mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG stehen. Sie stellen sich weder als Eingriff in die asylrechtlich geschützte Religionsausübung noch als geschlechtsspezifische Verfolgung im Sinne des Asylrechts dar. Sie betreffen zudem grundsätzlich alle Bewohner(innen) des Landes gleichermaßen, sodass die Ahndung eines Verstoßes gegen derartige Verhaltensvorschriften regelmäßig keine den Betroffenen "aus der staatlichen Rechts- und Friedensordnung ausgrenzende politische Verfolgung" ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 1989 - 9 B 258.88 -, InfAuslR 1989, 216, zur Verurteilung eines Iraners zu 100 Peitschenhieben, weil er sich mit seiner Freundin verbotenerweise in der Öffentlichkeit gezeigt hat; OVG NRW, Urteil vom 17. Dezember 1992 - 16 A 10941/90 -, juris Rechtsprechung Nr. MWRE181639300, zur Diskriminierung von Frauen durch Bekleidungsvorschriften u.a. im Iran; vgl. auch Hess. VGH, Urteil vom 27. Januar 1992 - 13 UE 567/89 -, juris Rechtsprechung Nr. MWRE104719200).
Das Asylrecht wegen politischer Verfolgung soll zudem nicht jedem, der in seiner Heimat benachteiligt wird, die Möglichkeit eröffnen, seine Heimat zu verlassen oder dorthin nicht zurückkehren zu müssen, weil er in Deutschland eine bessere Lebenssituation vorfindet. Vielmehr ist, da Art. 16a Abs. 1 GG bzw. § 60 Abs. 1 AufenthG Zuflucht aus einer "ausweglosen Lage" bieten soll, eine Rechtsgutbeeinträchtigung von asylerheblicher Intensität erforderlich. Bei Eingriffen, die nicht unmittelbar das Leben, die Gesundheit und die physische Bewegungsfreiheit betreffen, ist das erst der Fall, wenn sie nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaates aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341 (357)).
Im Lichte dieser Rechtsprechung stellen sich auch die strengen Bekleidungsvorschriften und die sonstigen Diskriminierungen, welche die Frauen generell in islamischen Ländern und speziell im Iran betreffen - dort aber nicht wirklich in Frage gestellt werden -, nicht als asylerheblich dar. So ist mit den hieraus folgenden Einschränkungen des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit noch nicht ein menschenunwürdiges Dasein verbunden, das eine Frau in eine den Schutz des Asylrechts nach sich ziehende ausweglose Lage bringt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Dezember 1992, a.a.O.; OVG Koblenz, Beschluss vom 17. Mai 2002 - 6 A 10217/02 -, NVwZ-Beilage 2002, 100, zur vergleichbaren Situation in Afghanistan).
Ob die Klägerin zu 1. aufgrund ihres inzwischen mehrjährigen Aufenthalts in Deutschland im Falle der Rückkehr in den Iran mit der dortigen Rolle der Frau und insbesondere mit den Bekleidungsvorschriften zusätzlich Probleme hätte, ist unerheblich. Es ist ihr zuzumuten, sich hiermit abzufinden.
Schließlich ergibt sich für die Klägerinnen die beachtliche Gefahr einer politischen Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran auch nicht aufgrund der Stellung der Asylanträge in der Bundesrepublik Deutschland. Es ist bereits nicht ersichtlich, woher die iranischen Stellen hierüber Kenntnis erlangt haben sollen. Zudem führt die Asylantragstellung als solche - auch in Verbindung mit einem langjährigen Auslandsaufenthalt - nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer politischen Verfolgung im Iran. Dies zeigt bereits die hohe Anzahl von in den vergangenen Jahren abgelehnten und rückgeführten Asylbewerbern, die im Iran ein normales Leben führen (vgl. die insoweit seit Jahren gleich lautenden Lageberichte des Auswärtigen Amtes, zuletzt Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 24. März 2006; Deutsches Orient-Institut, Stellungnahme vom 8. April 2002, Seite 6; ai, Stellungnahme vom 16. Juni 1998; st. Rspr., vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. April 1992 - 16 A 1193/91.A - und Beschluss vom 16. April 1999 - 9 A 5338/98.A -).
Die Klägerinnen haben auch keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (früher: § 51 Abs. 1 AuslG). Die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG sind, soweit sie die Verfolgungshandlung, die geschützten Rechtsgüter und den politischen Charakter der Verfolgung betrifft, deckungsgleich mit den Voraussetzungen des Anspruchs nach Art. 16 a Abs. 1 GG auf Anerkennung als Asylberechtigter. Auf die vorstehenden Ausführungen zur fehlenden Glaubhaftmachung der Vorfluchtgründe kann deshalb verwiesen werden.
Die Klägerinnen können sich des Weiteren nicht erfolgreich auf Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG berufen.
Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger Abschiebungsverbote im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bestehen nicht. Hinsichtlich der Bedrohung durch eigene Familienangehörige bzw. zu den Freiheitseinschränkungen durch die iranische Kleiderordnung (vgl. insbesondere § 60 Abs. 7: "... erhebliche konkrete Gefahr für ... Freiheit ...") kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.