VG Gießen

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Zitieren als:
VG Gießen, Urteil vom 22.02.2006 - 6 E 625/05 - asyl.net: M8987
https://www.asyl.net/rsdb/M8987
Leitsatz:

Eine gröbliche Verletzung von Mitwirkungspflichten i. S. v. § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG liegt nur vor, wenn es sich um Mitwirkungspflichten in Bezug auf die von der Ausländerbehörde betriebene Ausreise des Ausländers in einen anderen Staat handelt.

 

Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, subsidiärer Schutz, Ausreisemöglichkeit, Mitwirkungspflichten, Passbeschaffung, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen
Normen: AufenthG § 25 Abs. 3; AsylVfG § 42 S. 1; AufenthG § 5 Abs. 3 S. 1
Auszüge:

Eine gröbliche Verletzung von Mitwirkungspflichten i. S. v. § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG liegt nur vor, wenn es sich um Mitwirkungspflichten in Bezug auf die von der Ausländerbehörde betriebene Ausreise des Ausländers in einen anderen Staat handelt.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Der Bescheid der Beklagten vom 01.07.2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG.

Nach § 25 Abs. 3 S. 1 AufenthG soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung nach § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegen. Dies ist beim Kläger der Fall. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat mit Bescheid vom 12.03.2004 festgestellt, dass hinsichtlich Uganda ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG (jetzt: § 60 Abs. 7 AufenthG) vorliegt. Die Ausländerbehörde ist an diese Entscheidung gebunden (§ 42 AsylVfG).

Ein Ausschlussgrund nach § 25 Abs. 3 S. 2 AufenthG liegt nicht vor. Dass die Ausreise des Klägers in einen anderen Staat möglich wäre (§ 25 Abs. 3 S. 2 erste Variante AufenthG), hat die Ausländerbehörde, die insoweit die Darlegungslast trifft (vgl. Ziff. 25.3.2.3 der vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz und zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 22.12.2004), nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Der Kläger hat aber entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstoßen (§ 25 Abs. 3 S. 2 zweite Variante AufenthG). Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger alles ihm Zumutbare zur Beschaffung eines ugandischen Passes unternommen hat.

Zwar schließt nach einem Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 28.07.2005 (Az.: MI3-125 18.1-5/0) eine Verletzung der Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung - generell - eine Erteilung eines Aufenthaltstitels aus. Auch nach den o. g. vorläufigen Anwendungshinweisen zum Aufenthaltsgesetz (vgl. Ziff. 25.3.3.1 S. 4) zählen die ausweisrechtlichen Mitwirkungspflichten - ohne Einschränkung - zu den gesetzlichen Mitwirkungspflichten, deren Verletzung die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausschließt. Diese Auslegung lässt aber den Wortlaut des Gesetzes außer Betracht, wonach der Ausländer gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstoßen haben muss, d. h. es muss sich um Mitwirkungspflichten in Bezug auf die Ausreise in einen anderen Staat handeln (vgl. insoweit auch die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern, Ziff. 25.3.3.1 S. 3).

Diese Auslegung des § 25 Abs. 3 S. 2 AufenthG wird bestätigt durch § 5 Abs. 3 S. 1 AufenthG, wonach unter anderem in den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 3 AufenthG von der Anwendung des Absatzes 1 und damit auch von der Erteilungsvoraussetzung des Erfüllens der Passpflicht nach § 3 AufenthG abzusehen ist. Denn, soweit bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis von der Passpflicht abzusehen ist, kann in deren Verletzung auch keine gröbliche Verletzung der Mitwirkungspflichten im Sinne des § 25 Abs. 3 S. 2 AufenthG gesehen werden.

Nach alledem hat der Kläger - selbst wenn er nicht alles Notwendige zur Passbeschaffung unternommen haben sollte - nicht im Sinne des § 25 Abs. 3 S. 2 AufenthG eine Mitwirkungspflicht wiederholt oder gröblich verletzt, da die Ausländerbehörde seine Ausreise in einen anderen Staat überhaupt nicht betrieben hat.

Anhaltspunkte für das Vorliegen eines von der Sollregelung des § 25 Abs. 3 AufenthG nicht erfassten atypischen Falles, der hier zu einem anderen Ergebnis führen könnte, sind nicht ersichtlich.