Dem Kläger ist Prozesskostenhilfe zu gewähren, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO).
Er fühlt sich von den Angehörigen einer Familiensippe mit dem Leben bedroht, nachdem er eine Beziehung zu einer ledigen Frau aus dieser Familiensippe aufgenommen, diese geschwängert habe und nachdem die Frau Ende März, Anfang April 2005 von ihrer Sippe getötet worden sei. Sodann sei der Vater der Getöteten bei der Polizei gewesen und habe dort unterschrieben, dass er ihn - den Kläger - nicht töten werde. Daraufhin seien die zu seinem Schutz eingeteilten Polizisten zurückbeordert worden, weil die Sache nunmehr erledigt sei. Gleichwohl sei in der Folge auf ihn geschossen worden, er sei mit Messern angegriffen und sein Haus sei mit Steinen beworfen worden. Im Mai 2005 sei er nach Aleppo gegangen und dort nach etwa 6 Wochen von vermummten Personen überrascht worden. Die Polizei in Aleppo habe sich sodann bei der Polizei in seinem Heimatdorf erkundigt. Er selbst sei nach Damaskus gegangen und habe dort etwa eineinhalb Monate im Stadtviertel ... gelebt. Dann habe er festgestellt, dass er auch dort von Personen beobachtet und verfolgt worden sei. Er habe dann dem Bürgermeister seine Probleme geschildert und die Polizei gefragt, was er tun solle, wenn er keinen Schutz bekomme und ihm der Staat nicht behilflich sei, obwohl er seine Arbeit aufgegeben und seinen Aufenthaltsort gewechselt habe. Er habe die Polizei gefragt, ob er sich eine Pistole kaufen oder wie er sich sonst verteidigen solle. Nachdem ihm der Bürgermeister geraten habe, das Land zu verlassen, sei er ausgereist.
Zu dem geltend gemachten Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hat das Bundesamt zutreffend dargelegt, dass insoweit (allein) Satz 4 Buchstabe c in Betracht kommt.
Das Bundesamt hat in seinem Bescheid darauf abgestellt, dass der syrische Staat derartige Übergriffe nichtstaatlicher Akteure nicht tatenlos hinnimmt, dort Körperverletzungs- und Tötungsdelikte unter Strafe stehen und der syrische Staat seit Jahren gegen jede Form der Selbstjustiz, zu der die geltend gemachte Blutrache gehört, vorgeht.
Die im Jahre 2002 für Asylverfahren die Arabische Republik Syrien betreffend zuständige 2. Kammer hat mit Urteil vom 15.03.2002 - 2 K 93/01.A - die Gewährung von Abschiebungsschutz im Falle vorgetragener Tötungsgefahr wegen Blutrache abgelehnt und dazu ausgeführt, dass der tatsächliche Vollzug einer (nach den Moralvorstellungen gebotenen) vorsätzlichen Tötung im Wege der Blutrache in Syrien - anders als in anderen arabischen Staaten - seltener vorkomme, weil diese alten arabischen Vorstellungen über Blutrache in Syrien auf einen entschiedenen Widerstand des säkulären Staates stießen. Durch die Ausübung der Blutrache gerieten die Täter in das Fadenkreuz der syrischen Polizei und der Sicherheitsdienste, woran sie kein Interesse hätten.
Im Urteil vom 08.07.2004 - 5 K 51/04.A - hat sich die nunmehr zuständige 5. Kammer dieser Einschätzung unter Hinweis auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 01.04.2004 (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 07.10.2002, Seite 17 zum Stichwort "Ausweichmöglichkeiten") angeschlossen und weiter ausgeführt, dass die von Blutrache in Syrien betroffene Person in Deutschland tatsächlich allenfalls graduell sicherer wäre als in Syrien.
Im aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17.03.2006 wurde die Einschätzung - insbesondere unter Berücksichtigung der diplomatischen Ausdrucksweise - deutlich zurückgenommen. Dort heißt es nunmehr:
Staatlicher Schutz, beispielsweise bei Familienstreitigkeiten (Gefahr von Blutrache bzw. sog. "Ehrverbrechen"), kann z.T. erlangt werden. Es ergehen richterliche Verwarnungen an die Bedrohenden. Falls diese eine solche richterliche Anordnung ignorieren, führt dies als Versuch, den staatlichen Machtanspruch in Frage zu stellen, zu staatlichen Sanktionen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass in einer Vielzahl von Fällen kein effektiver staatlicher Schutz zur Verfügung steht. ...
Das Deutsche Orient-Institut hat zudem - was die Sicherheit in Deutschland betrifft - in einer Stellungnahme vom 04.07.2006 an das VG Karlsruhe ausgeführt:
Würde Blutrache hier ernstlich in Betracht zu ziehen sein, dann würde der Kläger sich auch in Deutschland nicht davor retten können, obwohl naturgemäß in Deutschland es für Bluträcher schwieriger wäre, eine solche Bluttat zu verüben.
Vor diesem Hintergrund ist nicht auszuschließen, dass § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe c) vorliegend greift, weil der syrische Staat "erwiesenermaßen nicht in der Lage ist, Schutz vor der Verfolgung zu bieten".