LG Braunschweig

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Zitieren als:
LG Braunschweig, Beschluss vom 31.10.2006 - 3 T 625/06 (026) - asyl.net: M9108
https://www.asyl.net/rsdb/M9108
Leitsatz:

Die Annahme der Entziehungsabsicht gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG kann nicht mit Umständen begründet werden, die nach dem Zeitpunkt des Haftbeschlusses des Amtsgerichts eingetreten sind.

 

Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Sicherungshaft, Haftgründe, Abschiebungstermin, Entziehungsabsicht, Beurteilungszeitpunkt, sofortige Beschwerde, Polizei, Ausländerbehörde, Ingewahrsamnahme
Normen: AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 3; AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5; FEVG § 11
Auszüge:

Die Annahme der Entziehungsabsicht gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG kann nicht mit Umständen begründet werden, die nach dem Zeitpunkt des Haftbeschlusses des Amtsgerichts eingetreten sind.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag ist auch begründet, da zum Zeitpunkt des Beschlusses des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 11.07.2006 ein Grund, den Betroffenen in Abschiebehaft zu nehmen, gem. § 62 Abs. 2 AufenthG nicht vorgelegen hat. Der Sicherungshaftgrund nach § 62 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG war nicht gegeben, da der Betroffene von dem Abschiebungstermin am 09.03.2006 nichts wusste. Nach Angaben des Landkreises Wolfenbüttel ist der Termin dem Betroffenen nicht mitgeteilt worden, da er als suizidgefährdet eingestuft worden ist. Voraussetzung für den Abschiebungshaftgrund gem. § 62 Abs. 2 Ziff. 3 AufenthG ist jedoch, dass der Abschiebungstermin dem Betroffenen ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist (vgl. Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 62 Rz. 17 AufenthG).

Auch der Abschiebungshaftgrund gem. § 62 Abs. 2 Ziff. 5 AufenthG lag zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 11.07.2006 nicht vor. Nach § 62 Abs. 2 Ziff. 5 AufenthG ist ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Allein die Verweigerung der freiwilligen Ausreise ist keine Tatsache, die ausreicht, um diesen Verdacht zu begründen (vgl. Renner aaO Rz. 20). Soweit die Ausländerbehörde in ihrer Stellungnahme vom 12.09.2006 vorbringt, dass der Betroffene den nächsten Abschiebungstermin am 05.09.2006 nicht wahrgenommen habe, können diese Tatsachen nicht zur Begründung dafür herangezogen werden, dass zum Zeitpunkt 11.07.2006 ein begründeter Verdacht vorlag, dass der Betroffene untertauchen werde.

Gleichzeitig war festzustellen, dass die Ingewahrsamnahme des Betroffenen durch die Polizeibehörde zur Vorführung beim Amtsgericht, das über die Anordnung der Abschiebehaft zu entscheiden hatte, rechtswidrig war. Das geltende Recht der Abschiebehaft ermächtigt die Ausländerbehörde nicht, den Ausländer über die Polizeibehörden aus eigener Machtvollkommenheit zur vorläufigen Sicherung der Abschiebung selbst in Gewahrsam zu nehmen oder dem Haftrichter vorzuführen. In Eilfällen ist vielmehr immer eine vorherige richterliche Entscheidung ggf. im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 11 FEVG auf Antrag der zuständigen Behörde erforderlich. Es gibt keinen der Abschiebehaft vorgelagerten Freiheitsentzug durch die Verwaltungsbehörde (vgl. OLG Braunschweig, Beschl. v. 04.02.2004 - 6 W 32/03 - m.w.N.).