VG Münster

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Zitieren als:
VG Münster, Urteil vom 25.10.2006 - 9 K 2255/05.A - asyl.net: M9136
https://www.asyl.net/rsdb/M9136
Leitsatz:
Schlagwörter: Sri Lanka, Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, Tamilen, Gruppenverfolgung, Änderung der Sachlage, Änderung der Erkenntnislage, Umdeutung, Rücknahme, Ermessen
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 73 Abs. 1; VwVfG § 48
Auszüge:

Der Widerruf ist rechtswidrig, da die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz - AsylVfG - nicht vorliegen.

Eine solche nachträgliche Änderung der maßgeblichen Verhältnisse in Sri Lanka liegt nicht vor.

Zum Zeitpunkt des Erlasses des Urteils am 16. Januar 1996 war bereits nicht mehr von einer Gruppenverfolgung von Tamilen im Norden Sri Lankas auszugehen. So hat auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht im Rahmen des Berufungszulassungsverfahrens in seinem Beschluss vom 6. März 1996 im Anschluss an seine Urteile vom 22. Februar 1996 - 12 L 7721/95 u. a. - ausgeführt, dass die im Norden lebenden tamilischen Volkszugehörigen nur in der Zeit zwischen Mitte 1990 und Ende 1993 durch das Vorgehen der Sicherheitskräfte einer gruppengerichteten Verfolgung ausgesetzt gewesen seien. Dagegen sei seit 1994 nicht mehr von einer gruppengerichteten Verfolgung auszugehen. Dies entspricht auch der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte, vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 29. März 1996 - 21 A 504/94.A.

Der Umstand, dass die Rechtsprechung zum Zeitpunkt des Erlasses des Urteils des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 16. Januar 1996 noch nicht einheitlich war und auch andere Gerichte weiterhin von einer Gruppenverfolgung von Tamilen im Norden Sri Lankas ausgingen, reicht nicht aus, um die sich nach Erlass des Urteils verfestigende Erkenntnislage als eine erhebliche Veränderung der Verhältnisse anzusehen. Vielmehr reicht eine bloße Änderung der Erkenntnislage oder deren abweichende Würdigung für die Annahme einer erheblichen Änderung der Verhältnisse nicht aus. Grundlage für den Widerruf ist lediglich die nachträgliche Veränderung der politischen Verhältnisse im Verfolgerland (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19. September 2000 - BVerwG 9 C 12.00 -. a.a.O.; Hessischer VGH, Urteil vom 10. Dezember 2002 - UE 2497/02.A -, DVBL 2003, 1284).

Eine Umdeutung des Widerrufs in eine Rücknahme gem. § 48 VwVfG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Rücknahme eine behördliche Ermessensausübung voraussetzt, die vom Bundesamt in dem als gebundene Entscheidung ergangenen Widerrufsbescheid nicht vorgenommen wurde.