VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 18.07.2006 - AN 9 K 05.31572 - asyl.net: M9175
https://www.asyl.net/rsdb/M9175
Leitsatz:
Schlagwörter: Uganda, LRA, Kämpfer (ehemalige), Amnestie, Krankheit, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, extreme Gefahrenlage, HIV/Aids, Resistenzen, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit, Mitgabe von Medikamenten, Situation bei Rückkehr
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

1. Soweit die Klage auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG gerichtet ist, ist sie unbegründet, da der Kläger nicht glaubhaft machen konnte, dass ihm ein Anspruch auf Zuerkennung eines Abschiebeschutzes zusteht.

Selbst wenn man die behauptete Betätigung des Klägers für die Rebellen der LRA als zutreffend ansehen wollte, spricht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine daraus resultierende politische Verfolgung. Wie sich unter anderem aus der Auskunft des Instituts für Afrika-Kunde vom 31. August 2001 ergibt, wurde in Uganda im Dezember 1999 eine Amnestie-Gesetz erlassen, dass am 17. Januar 2000 zunächst für sechs Monate in Kraft getreten und dann vom Parlament verlängert worden ist. Nach diesem Amnestie-Gesetz wird bisherigen Rebellen eine Amnestie zugesichert, sofern sie sich klar von dem Rebellen-Aktivitäten distanzieren. Diese Amnestie werde zumindest in einem begrenzten Umfang auch tatsächlich umgesetzt. Ein gewisses Maß an Willkür auf lokaler Ebene durch einzelne Angehörige von Sicherheitsorganen dürfte nie ganz auszuschließen sein, sei aber bei einer offiziellen Einbeziehung in das Amnestie-Programm mehr als begrenzt einzuschätzen.

2. Die Beklagte ist allerdings zu verpflichten festzustellen, dass bei dem Kläger ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegt. Durch die vorgelegten ärztlichen Atteste ist zur Überzeugung des Gerichtes nachgewiesen, dass der Kläger an einer HIV-Infektion leidet. Der Kläger ist seit September 2005 auf eine antiretrovirale Therapie, bestehend aus Invirase 500, Truvada und Norvir eingestellt. Es handelt sich bei der medikamentösen Behandlung um eine Dauertherapie auf nicht absehbare Zeit. Im Falle eines Nichtfortführens der Behandlung ergibt sich, überzeugend und auch von der Beklagten nicht bestritten, aus dem vorgelegten Attest, dass der Krankheitsverlauf für den Kläger sehr bedenklich sei, da eine schnelle einsetzende Resistenzentwicklung bezüglich der verordneten Medikamente diese unwirksam machen würde. Da nach den zum Verfahren beigezogenenen Stellungnahmen gegenwärtig, d.h. im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung davon ausgegangen werden muss, dass im Fall des Klägers eine lückenlose Fortführung der Behandlung mit den erforderlichen Medikamenten bei einer Abschiebung nach Uganda nicht möglich ist, droht dem Kläger eine nach Art, Intensität und Unmittelbarkeit und hoher Wahrscheinlichkeit extreme Gefährdung (vgl. BVerwGE 99, 324/328; BVerwGE 105, 183), wegen der das Vorliegen eines Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift festzustellen ist.

Die gravierenden Folgen für die Gesundheit und das Leben des Klägers bei Abbruch der antiretroviralen Therapie bestehen darin, wie auch den Beteiligten des Verfahrens bekannt (vgl. u.a. Urteil vom 8.5.2003, AN 9 K 03.30045), und sich im Übrigen auch aus der Stellungnahme der Difäm vom 29. Juli 2004 ergibt, dass bereits einige Wochen nach Absetzen einer Kombinationstherapie ein Gesundheits- bzw. Krankheitszustand eintreten würde, der für den Betreffenden lebensbedrohlich wäre. Ziel einer antiretroviralen Kombinationstherapie ist es demnach, einen weiteren Anstieg der Viruslast des Organismus zu vermeiden, bzw. die Viruslast zu vermindern. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Wahrscheinlichkeit von Resistenzbildungen gegenüber antiretroviralen Medikamenten umso größer ist, je größer die Virenmenge insgesamt im Organismus ist. Das angestrebte Ziel jeder Therapie muss es daher sein, eine möglichst drastische Senkung der Viruslast unter Einsatz antiretroviraler Therapien zu erreichen. Bei Unterbrechung der Therapie besteht daher die Gefahr zunehmender Resistenzbildungen, die den späteren Einsatz der bisher verwendeten Medikamente unmöglich machen könnte.

Nach den, dem Gericht vorliegenden und zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskünften musste bisher davon ausgegangen werden, dass in Uganda - wobei umstritten ist, ob das in jeder Region möglich ist - zwar eine Dreifach-Kombinationstherapie durchgeführt werden kann, die aber mangels ausreichender Ressourcen und angesichts der großen Zahl von Infizierten grundsätzlich von den Betroffenen selbst zu tragen war. Ungeachtet der Frage der Erlangbarkeit von Kontrolluntersuchungen, sowie der Frage der Notwendigkeit einer Viruslastbestimmung, betragen insofern nach den eingeführten Auskünften allein die Kosten für eine medikamentöse Therapie, insoweit übereinstimmend in den Stellungnahmen dargelegt, zwischen 25 US-Dollar und 45 US-Dollar, wobei die günstigere Kostenvariante Generika betrifft. Die kostengünstigste Kombinationstherapie mit Laborkosten und Arzthonoraren liegt nach der Stellungnahme der Deutschen Botschaft vom 14. November 2003 im Monat bei ca. 60 EUR. Im Hinblick auf das Durchschnittseinkommen in Uganda von monatlich 20 US-Dollar oder eines jährlichen Durchschnittseinkommen von 240 US-Dollar kann die im Gegensatz zur Stellungnahme der Difäm vom 29. Juli 2004 gemachte, insoweit unsubstantiierte Darlegung der Botschaft in der Stellungnahme vom 17. Dezember 2004, dass die Kosten für die Behandlung des Betroffenen mit einem durchschnittlichen ugandischen Einkommens zu tragen sei, in keiner Weise zu überzeugen. Zwar kann nach der durch die Beklagte vorgelegten Stellungnahme der Deutschen Botschaft vom 20. April 2006 nunmehr davon ausgegangen werden, dass in Uganda inzwischen eine unentgeltliche HIV-Behandlung angeboten wird. Bezüglich dieser Behandlung, für die auch nach der seitens des Gerichtes eingeholten Stellungnahme der Difäm vom 5. Juli 2005 grundsätzlich freier Zugang besteht, sind jedoch die in dieser Stellungnahme genannten Einschränkungen zu beachten. Hervorgehoben wird in dieser Stellungnahme, dass es noch Wartelisten gibt, zudem die Supply-Frage problematisch ist und auch der GFATM-STOP im letzten Jahr Auswirkungen haben kann.

Für den hier vorliegenden Fall des Klägers besteht nach der Stellungnahme der Difäm, lediglich die Chance, aber nicht die rechtliche erforderliche hinreichende Sicherheit, in ein derartiges Behandlungsprogramm zu kommen. So wird in der Stellungnahme der Difäm ausgeführt, dass "neue" Fälle einige Monate möglicherweise zurückgestellt werden müssten, um das zur Verfügung stehende Kontingent für die zu verwenden, die bereits mit der Therapie begonnen haben. Damit kann im konkreten Fall des Klägers nicht mit der erforderlichen hinreichenden Sicherheit davon ausgegangen werden, dass eine - wie ausgeführt - erforderliche nahtlose Weiterbehandlung gewährleistet ist.

Es kann auch im Falle des Klägers nicht davon ausgegangen werden, dass seine Familienangehörigen die Kosten für die erforderliche Fortsetzung der in Deutschland begonnenen Therapie aufbringen könnten.

Eine von der Beklagten in den Raum gestellte Mitgabe von Medikamenten vermag nichts an dieser Einschätzung ändern, da hiermit bereits nicht die erforderlichen kostenpflichtigen Kontrolluntersuchungen umfasst würden.