VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 24.11.2006 - 25 ZB 06.30892 - asyl.net: M9176
https://www.asyl.net/rsdb/M9176
Leitsatz:
Schlagwörter: Berufungszulassungsantrag, Verfahrensrecht, Krankheit, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, HIV/Aids, grundsätzliche Bedeutung, rechtliches Gehör, Hinweispflicht, Überraschungsentscheidung, Bundesamt, mündliche Verhandlung
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1; AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3; VwGO § 138; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

Die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG sind nicht gegeben. Für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig erachtet die Beklagte die Frage, ob bei HIV-Infizierten die in Deutschland als üblich anzusehenden regelmäßigen Kontrolluntersuchungen bzw. zumindest eine erste Kontrolluntersuchung im Heimatstaat von der Bundesrepublik Deutschland in irgendeiner Weise finanziell zu tragen sind, um gewährleisten zu können, dass der Betroffene nicht "alsbald" in eine gesundheitlich ausweglose Lage gerät. Grundsätzliche Bedeutung kommt dieser Frage nicht zu. In der Rechtsprechung zu der mit § 60 Abs. 7 AufenthG inhaltsgleichen Vorschrift des § 53 Abs. 6 AuslG 1990 ist bereits geklärt, dass die Entscheidung über das Vorliegen einer extremen Gefahr bei HIV-Infizierten auf Grundlage einer einzelfallbezogenen Bewertung zu treffen ist, bei der es entscheidend auf das aktuell erreichte Krankheitsstadium und die sich daraus ergebenden konkreten Behandlungsbedürfnisse des Ausländers ankommt (vgl. BVerwG vom 27.4.1998 NVwZ 1998, 973; BayVGH vom 2.6.1999 Az. 25 ZB 99.31595 und vom 19.4.2004 Az. 25 ZB 04.30298). Im Rahmen dieser einzelfallbezogenen Prüfung stellt sich aber nicht nur die Frage nach der notwendigen Medikation, sondern auch nach der Erforderlichkeit von Kontrolluntersuchungen.

Der Antrag ist auch unbegründet, soweit sich die Beklagte hilfsweise auf § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 VwGO und damit auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs beruft, weil sie nicht habe damit rechnen müssen, dass das Gericht seine Argumentation entscheidungserheblich auf die in den Raum gestellte Mitgabe von Medikamenten beschränken würde und sie diesen Gesichtspunkt bei entsprechendem richterlichen Hinweis auch zum Gegenstand einer konkretisierenden Äußerung der Rückführungsstelle hätte machen können. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist in Fällen, in denen - wie hier - eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, vor allem auf Äußerung der Partei in dieser Verhandlung gerichtet (vgl. BVerwG vom 17.9.2006 Az. 1 B 102/06 m.w.N. - juris). Ausweislich der Niederschrift hat die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung, in der darauf hingewiesen wurde, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten ohne ihn entschieden und verhandelt werden kann, ohne Angabe von Gründen an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen und dem Gericht damit die Gelegenheit genommen, den entscheidungserheblichen Sachverhalt mit ihr zu erörtern.