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Zitieren als:
BAMF, Bescheid vom 08.12.2006 - 5221248-439 - asyl.net: M9283
https://www.asyl.net/rsdb/M9283
Leitsatz:
Schlagwörter: Iran, Folgeantrag, Änderung der Sachlage, Nachfluchtgründe, subjektive Nachfluchtgründe, Demonstrationen, exilpolitische Betätigung, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, menschenrechtswidrige Behandlung, Karikatur, Beleidigung, Staatspräsident, Medienberichterstattung
Normen: AsylVfG § 71 Abs. 1; VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 28 Abs. 2; AsylVfG § 28 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 5
Auszüge:

Bei dem vorliegenden Antrag handelt es sich um einen Folgeantrag nach § 71 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG). Ein weiteres Asylverfahren ist daher nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) erfüllt sind, mithin Wiederaufgreifensgründe vorliegen.

Es liegt ein Wiederaufgreifensgrund der Sachlagenänderung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG vor.

1. Der Antrag auf Zuerkennung eines Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG wird jedoch abgelehnt.

Eine Anerkennung als Asylberechtigter erfolgt jedoch in der Regel nicht, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die der Ausländer nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat (sog. subjektive Nachfluchtgründe), es sei denn, dieser Entschluss entspricht einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Ausländer sich auf Grund seines Alters und Entwicklungsstandes im Herkunftsland noch keine feste Überzeugung bilden konnte (§ 28 Abs. 1 AsylVfG).

Entsprechend kann gemäß § 28 Abs. 2 AsylVfG die Feststellung, dass die in § 60 Abs. 1 AufenthG bezeichneten Gefahren drohen, in der Regel nicht mehr getroffen werden, wenn sich die Antragstellerin im Folgeverfahren auf subjektive Nachfluchtgründe im Sinne des § 28 Abs. 1 AsylVfG beruft, die sie nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung ihres früheren Antrages selbst geschaffen hat.

Diese Ausschlussgründe sind im vorliegenden Fall gegeben.

Letztlich wären allein seine Beteiligungen an verschiedenen Protest- und Demonstrationsveranstaltungen auch nicht geeignet, nunmehr von einer Gefährdung bei Rückkehr in den Iran dahingehend ausgehen zu können, dass er nun als ernstzunehmender politischer Gegner anzusehen wäre.

Erheblich wäre eine exilpolitische Betätigung nur dann, wenn der Betreffende nach außen erkennbar, persönlich exponiert und regimefeindlich aktiv wird (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 23.05.2001, Az.: 6 A 2009/01.A, VG Aachen, Urteil vom 11.02.2004, Az.: 5 K 1705/01.A; Deutsches Orient-Institut, Gutachten vom 27.06.2001 an das VG Gelsenkirchen, Az.: 372 i/br), wobei die Ernsthaftigkeit der politischen Überzeugung, Art, Dauer und Intensität der exilpolitischen Betätigung von Bedeutung sind (vgl. VGH München, Urteile vom 19.09.2001, Az.: 19 B 96.35736 und vom 24.10.2001, Az.: 19 B 35510), oder wenn eine führende Persönlichkeit der Oppositionsgruppe öffentlich in Erscheinung tritt und zum Sturz des Regimes aufruft (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Iran vom 21.09.2006, Az.: 508-516.80/3 IRN) oder wenn sich politische Aktionen als Fortführung einer bereits im Heimatland betätigten festen Überzeugung darstellen und sie eine gewisse Intensität erreichen (vgl. z.B. OVG Münster, Beschluss vom 04.08.1999, Az.: 9 A 3028/99.A: VGH München, Beschluss vom 12.01.1999, Az.: 19 ZB 99.30009: VG Aachen, Urteil vom 11.02.2004, Az.: 5 K 1705101.A).

2. Es liegt jedoch ein Verbot der Abschiebung gem. § 60 Abs. 5 AufenthG vor.

Ein Verbot der Abschiebung gem. § 60 Abs.5 AufenthG liegt deswegen vor, weil der Antragsteller an einer Aufsehen erregenden Demonstration am 18.06.2006 teilgenommen hat, bei der es laut Bild-Zeitung zu einem Großaufgebot von u.a. Geheimdienstleuten gekommen sein soll. Angesichts der plakativen Abbildung des Antragstellers in der Bild-Zeitung, in der er mit einer beleidigenden Karikaturdarstellung des iranischen Präsidenten in der Hand zu sehen ist, ist sicherlich der Tatbestand des Art. 514 (Beleidigung des Führers der Islamischen Republik) des iranischen Strafgesetzbuches erfüllt, worauf Gefängnisstrafen zwischen sechs Monaten und zwei Jahren stehen. Die Identifizierung des Antragstellers auf diesem Foto ist deswegen zweifelsfrei möglich, weil auf der abgebildeten Karikatur auch der Name des Antragstellers noch zu lesen ist.

Es kann somit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass es bei Rückkehr im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungshandlungen zu menschenrechtswidrigen Übergriffen auf den Antragsteller kommen könnte.