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SG Berlin

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Zitieren als:
SG Berlin, Beschluss vom 10.01.2006 - S 37 AS 11503/06 ER - asyl.net: M9343
https://www.asyl.net/rsdb/M9343
Leitsatz:
Schlagwörter: Grundsicherung für Arbeitssuchende, Mietübernahme, Mietübernahmeerklärung, Wohnung, angemessene Wohnung, Unionsbürger, Freizügigkeitsbescheinigung, gewöhnlicher Aufenthalt, Erwerbstätigkeit, Aufenthaltserlaubnis
Normen: FreizügG/EU § 5; RL 2004/38/EG Art. 6; FreizügG/EU § 3; SGB II § 8 Abs. 2; SGB II § 28; SGB II § 7 Abs. 1 S. 2; SGB II § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4; AufenthG § 28 Abs. 5
Auszüge:

Der nach § 86 b Abs. 2 SGG zulässige Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Denn die Ast. sind ohne Mietübernahmeerklärung und Kautionsübernahme nicht imstande, in angemessener Zeit eine Wohnung selbst anmieten zu können.

Die ausgesuchte Wohnung ist sowohl nach der Grundmiete als auch den kalkulierten Nebenkosten angemessen. Denn die Ast. haben als Ehepaar nach den Richtlinien des kommunalen Trägers Anspruch auf eine Wohnung mit einer Warmmiete bis zu 444,- Euro. Es gibt im SGB II keine Befugnis, diesen als angemessen angesetzten Wert durch Verweis auf billigere Wohnungen in prekären Stadtbezirken oder gar den Notbehelf einer Aufnahme bei Verwandten zu unterlaufen. Wer innerhalb der Richtwerte umzieht, zieht angemessen um.

Entgegen der Ansicht des Ag. ist die Ast. zu 2) leistungsberechtigt. Innerhalb der ersten drei Monate nach der Einreise ins Bundesgebiet kann sie nicht auf die Beibringung einer Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU verwiesen werden. Dies ergibt sich aus Art. 6 der Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG, die bislang nicht hinreichend umgesetzt wurde, aus der die Ast. zu 2) jedoch ein unmittelbares Aufenthaltsrecht ableiten kann.

Dass ihr nur eine Arbeitserlaubnis nach § 284 SGB III erteilt werden kann, ist unerheblich. Denn entweder lässt man die Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt für die rechtliche Erwerbsfähigkeit nach § 8 Abs. 2 SGB II ausreichen oder man billigt der Ast. zu 2) jedenfalls einen Sozialgeldanspruch nach § 28 SGB II zu. Das SGB II kennt insoweit keinen Unterschied zwischen der sozialmedizinischen oder rechtlichen Erwerbsunfähigkeit.

Die Leistungsvoraussetzung des gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II ist erfüllt, da die Ast. zu 2) höchstwahrscheinlich ab dem 9.2.2007 über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG verfügt, die nach § 28 Abs. 5 AufenthG zur Arbeitsaufnahme berechtigt. Diese Erlaubnis geht als günstigere Regelung den Bestimmungen des Freizügigkeitsgesetzes vor (§ 11 Abs. 1 Satz 3 FreizügG/EU).

Die Leistungsberechtigung nach dem SGB II hängt in der Zeit nach Ablauf des Drei-Monats-Zeitraums unbeschränkter Freizügigkeit nach Art. 6 Unionsbürgerrichtlinie und Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG nicht von der Vorlage einer Freizügigkeitsbescheinigung ab. Denn nach dem glaubhaften Vorbringen und der Aktenlage bestehen keine Zweifel daran, dass die Ast. zu 2) als Ehefrau eines Deutschen bleibeberechtigt ist. Die Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU hat insofern nur eine deklaratorische Bedeutung. Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung (Fälschung der Heiratsurkunde) sind nicht ersichtlich.