VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.10.2006 - 11 S 387/06 - asyl.net: M9440
https://www.asyl.net/rsdb/M9440
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsbefugnis, Verlängerung, Zuwanderungsgesetz, Übergangsregelung, Familienzusammenführung, Kinder, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Ermessen, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AufenthG § 34 Abs. 1; AufenthG § 27 Abs. 3 S. 2; AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2; AufenthG § 8 Abs. 1; AufenthG § 101 Abs. 2; AuslG § 31; AufenthG § 29 Abs. 3; AufenthG § 26 Abs. 4 S. 4; VwGO § 80 Abs. 5
Auszüge:

Der Antrag ist auch begründet. Bei derzeitigem Erkenntnisstand überwiegt im Rahmen der nach § 80 bs. 5 Satz 1 VwGO zu treffenden Interessenabwägung das private Interesse des Antragstellers, vorläufig von der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse am Sofortvollzug dieser Verfügung.

a) Ob dem Antragsteller ein Anspruch auf Verlängerung des als Aufenthaltsbefugnis erteilten Aufenthaltstitels bzw. auf Neubescheidung seines darauf gerichteten Antrags zusteht, ist nach dem seit dem 01.01.2005 geltenden Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG) zu beurteilen.

Gem. § 8 Abs. 1 AufenthG finden auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis dieselben Vorschriften Anwendung wie auf deren Erteilung. Die Verlängerung des ursprünglich als Aufenthaltsbefugnis erteilten Aufenthaltstitels richtet sich demnach - entgegen der Annahme des Regierungspräsidiums Tübingen, welches auf die eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen regelnden Vorschriften (§ 26 i.V.m. § 22 AufenthG) abhebt - nach den Vorschriften über den Familiennachzug (§§ 27 ff AufenthG). An die Stelle der ursprünglich erteilten Aufenthaltsbefugnis tritt nämlich der dieser nach Aufenthaltszweck und Sachverhalt (§ 101 Abs. 2 AufenthG) entsprechende Aufenthaltstitel. Der Antragsteller war seit dem 21.02.2003 im Besitz einer bis zum 03.08.2004 befristeten Aufenthaltsbefugnis. Diese Aufenthaltsbefugnis hatte er nach §§ 31, 30 Abs. 1 AuslG zum Familiennachzug erhalten.

Dem entspricht nach dem seit dem 01.01.2005 geltenden Aufenthaltsgesetz die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug an das minderjährige Kind eines Ausländers nach den Vorschriften der §§ 27 ff AufenthG. Dabei ist zunächst den §§ 32 und 33 AufenthG zu entnehmen, unter welchen Voraussetzungen die Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug erteilt wird. Nach § 29 Abs. 3 Satz 1 AufenthG darf die Aufenthaltserlaubnis allerdings nur aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland erteilt werden, wenn der den Nachzug vermittelnde Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 22, 23 Abs. 1 oder § 25 Abs. 3 AufenthG besitzt. Dabei handelt es sich um eigene, einschränkende Voraussetzungen zur Regelung des Familiennachzugs, die zum Ausdruck bringen, dass der Aufenthalt nicht von vornherein auf Dauer angelegt ist. Der Familiennachzug wird dadurch aber nicht ausgeschlossen und das nachziehende Kind nicht auf einen eigenen Anspruch aus den §§ 22 ff AufenthG verwiesen. Vielmehr findet ein Familiennachzug nach dem 6. Abschnitt statt (vgl. auch Marx in GK- AufenthG, Band 1, Stand Mai 2006, § 29 Rz 78; Welte in Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, Band 1, Stand Juli 2006, § 29 Rz 5 und 33).

b) Gem. § 34 Abs. 1 AufenthG ist die einem Kind erteilte Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und § 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu verlängern, solange ein personensorgeberechtigter Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis besitzt. Absatz 1 macht die Verlängerung der einem Kind erteilten Aufenthaltserlaubnis im Hinblick auf den hohen Stellenwert der familiären Lebensgemeinschaft generell nur von der Fortführung der familiären Lebensgemeinschaft mit mindestens einem sorgeberechtigten Elternteil abhängig, der selbst über eine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis verfügt (BT-Drs. 15/420, S. 83).

Nach § 34 Abs. 1 AufenthG ist allerdings im Hinblick auf die weiteren Erteilungsvoraussetzungen, die über § 8 Abs. 1 AufenthG grundsätzlich auch bei der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vorliegen müssen, nur von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und § 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zwingend abzuweichen. Dem ist zu entnehmen, dass die übrigen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG weiterhin vorliegen müssen (so auch Welte, a.a.O., § 34 Rz 5).

Da die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der Regel voraussetzt, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt, steht hier seiner Verlängerung grundsätzlich der vom Antragsteller verwirklichte Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG entgegen.

c) Gem. § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG kann von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abgesehen werden. Diese Vorschrift wurde vom Regierungspräsidium Tübingen im Widerspruchsbescheid vom 19.09.2005 hilfsweise auch in Erwägung gezogen. Das der Behörde nach dieser Vorschrift eingeräumte und vom Gericht nach § 114 VwGO nur eingeschränkt überprüfbare Ermessen dürfte dabei aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht fehlerfrei ausgeübt worden sein.