VG Karlsruhe

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Zitieren als:
VG Karlsruhe, Urteil vom 25.04.2006 - 11 K 1392/05 - asyl.net: M9533
https://www.asyl.net/rsdb/M9533
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Niederlassungserlaubnis, Familienzusammenführung, deutsche Kinder, Eltern, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Lebensunterhalt, Grundsicherung für Arbeitssuchende, Ausweisungsgrund, atypischer Ausnahmefall, Alleinerziehende, Schutz von Ehe und Familie
Normen: AufenthG § 28 Abs. 2; AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 2 Abs. 3; AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 4; GG Art. 6; EMRK Art. 8
Auszüge:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis beurteilt sich aufgrund ihres Antrags vom 13.01.2005 nach § 28 AufenthG, da sie den Antrag nach dem 01. Januar 2005 gestellt hat (§ 104 Abs. 1 AufenthG). Die Ehe der Klägerin mit einem deutschen Staatsangehörigen wurde mittlerweile geschieden, weshalb nicht mehr § 28 Abs. 1 AufenthG, sondern im Hinblick auf die deutsche Staatsangehörigkeit ihrer Kinder, mit denen sie in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, dessen Abs. 2 als Rechtsgrundlage in Frage kommt.

Dem Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 AufenthG steht § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (gesicherter Lebensunterhalt) entgegen, wonach die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraussetzt, dass die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird und 1. der Lebensunterhalt gesichert ist.

Für die Beurteilung, ob ein Regelfall gemäß § 5 Abs. 1 AufenthG vorliegt, kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung an (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 10.09.2001 - 11 S 2212/00 - AuAS 2001, 242 ff. m.w.N.).

Die Klägerin bezog bis Ende 2005 Arbeitslosengeld II (§ 19 SGB II), was aber keinen Ausweisungsgrund begründete, weil es sich dabei nicht um Sozialhilfe im Sinne des SGB XII, sondern um die Grundsicherung für Arbeitssuchende im Sinne des SGB II handelt; diese fällt nicht unter den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 31.01.2006 - 11 S 1884/05 -). Dieser Sachverhalt hat sich mittlerweile geändert, was nach dem oben Gesagten für die Beurteilung ihres Anspruchs auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis zu beachten ist. Seit Januar 2006 geht die Klägerin einer mit 400,-- EUR entlohnten Beschäftigung nach; der überwiegende Teil ihres Lebensunterhalts ist damit gesichert.

Der nicht gesicherte eigene Lebensbedarf steht der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis in der Regel entgegen. Sie kann aber gleichwohl erteilt werden, wenn eine Ausnahme von der Regel gegeben ist.

Der 19-jährige Aufenthalt der Klägerin, die Heirat mit einem deutschen Staatsangehörigen, die Scheidung von ihm, und ihr alleiniges Sorgerecht über vier Kinder sowie der Umstand, dass sie für den überwiegenden Teil (400,-- EUR von 513,31 EUR) ihres Lebensunterhalts selbst aufkommt, rechtfertigen dies nicht. Im Regelfall wird eine allein erziehende Person mit mehreren minderjährigen Kindern wegen der ihnen gegenüber bestehenden Fürsorgepflichten nicht in der Lage sein, für seinen eigenen gesamten Lebensunterhalt aufzukommen, was dem Gesetzgeber angesichts einer Vielzahl ausländischer Alleinerziehender bekannt gewesen sein musste. Wenn der Gesetzgeber diese Situation generell als atypisch bewertet hätte, hätte er eine Sonderregelung schaffen können.

Auch Art. 6 GG gebietet weder generell noch im Fall der Klägerin einen Ausnahmefall von der Regel des § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG anzunehmen. Dieser Schutzbereich des Art. 6 GG wird durch die Ablehnung der Niederlassungserlaubnis für eine Alleinerziehende wegen nicht ausreichender Sicherung des eigenen Lebensunterhalts nicht verletzt.

Der Klägerin ist auch unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG und ihrer familiären Verhältnisse zumutbar, ihren Lebensunterhalt in Höhe von 513,-- EUR selbst zu verdienen, mit dem Ziel, von öffentlichen Leistungen unabhängig zu sein (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 31.01.2006 - 11 S 1884/05 - m.w.N.).

Der Schutzbereich des Art. 6 GG wird in der Regel auch dann nicht unverhältnismäßig berührt und nicht verletzt, wenn, wie hier, eine allein erziehende Ausländerin trotz zumutbarer Anstrengungen und von ihr nicht zu vertretenden Gründen, etwa wegen der Arbeitsmarktlage, keine geeignete Arbeitsstelle findet, bei der sie unter Wahrung ihrer familiären Belange ihren gesamten Lebensunterhalt verdienen kann. Die Klägerin erhält wie in der Vergangenheit wegen ihrer minderjährigen Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit eine befristete Aufenthaltserlaubnis (§ 28 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG), wodurch der Schutz aus Art. 6 GG für die familiäre Lebensgemeinschaft mit ihren minderjährigen Kindern gewährleistet ist.

Die Ablehnung der Niederlassungserlaubnis verstößt auch nicht gegen Art. 8 EMRK. Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung unter anderem seines Privat- und Familienlebens. Soweit sich der Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem des Art. 6 GG deckt, vermittelt er keinen weitergehenden Schutz als dieser (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.09.1998 - 1 C 8.98 -, NVwZ 1999, 303 m.w.N.).