VG Gelsenkirchen

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Zitieren als:
VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 27.12.2006 - 1a L 1274/06.A - asyl.net: M9554
https://www.asyl.net/rsdb/M9554
Leitsatz:
Schlagwörter: Verfahrensrecht, Antragsfiktion, Verzicht, Asylverfahren, Ausreisefrist
Normen: AsylVfG § 36 Abs. 4; AsylVfG § 36 Abs. 1; AsylVfG § 14a Abs. 3; AsylVfG § 32; AsylVfG § 38 Abs. 2; AsylVfG § 38 Abs. 1; VwGO § 80 Abs. 5
Auszüge:

Der sinngemäße Antrag der Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage 1a K 2511/06.A gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. August 2006 unter Ziffer 3. enthaltene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung anzuordnen, ist zulässig.

Die Festsetzung der Ausreisefrist von einer Woche in Ziffer 3. des Bescheides vom 2. August 2006 ist offensichtlich rechtswidrig, so dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt und bereits deshalb seinem Antrag zu entsprechen ist.

§ 36 Abs. 1 AsylVfG scheidet als Rechtsgrundlage für die Wochenfrist aus. Eine Abweisung des Asylantrags des Antragstellers als offensichtlich unbegründet liegt nicht vor.

Auch § 38 Abs. 2 AsylVfG kommt als Rechtsgrundlage für die Wochenfrist nicht in Betracht. Auf die Einstellung nach § 32 Satz 1 AsylVfG ist § 38 Abs. 2 AsylVfG nicht direkt anwendbar. Bei dem Verzicht nach § 14a Abs. 3 AsylVfG handelt es sich vom Wortlaut her nicht um die Rücknahme des Asylantrages, bei der, wenn sie vor der Entscheidung des Bundesamtes erfolgt, die Ausreisefrist gemäß § 38 Abs. 2 AsylVfG ebenfalls eine Woche beträgt. Die in § 38 Abs. 2 AsylVfG geregelte Rücknahme kann nicht mit dem Verzicht nach § 14a Abs. 3 AsylVfG gleichgesetzt werden. Zwar hat der Gesetzgeber eine ausdrückliche Gleichstellung der Antragsrücknahme und eines solchen Verzichts in § 32 Satz 1 AsylVfG vorgenommen. In beiden Fällen ist das Asylverfahren einzustellen und eine Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zu treffen. Ebenso ist im Rahmen des Folgeverfahrens in § 71 Abs. 1 AsylVfG der Verzicht nach § 14a AsylVfG neben die Rücknahme des Asylantrags gestellt worden. Davon unterscheidet sich jedoch § 38 Abs. 2 AsylVfG, der sich ausschließlich auf die Rücknahme des Asylantrags in einer bestimmten Fallgestaltung bezieht. Der Verzicht gemäß § 14a Abs. 3 AsylVfG ist hingegen nicht in diese Regelung aufgenommen worden.

Eine entsprechende Anwendung des § 38 Abs. 2 AsylVfG scheidet ebenfalls aus. Es sprechen bereits die vorstehenden Ausführungen im Hinblick auf die im Asylverfahrensgesetz getroffenen speziellen Regelungen gegen eine bestehende unbeabsichtigte Regelungslücke. Darüber hinaus handelt es sich bei § 38 Abs. 2 AsylVfG selbst um eine Ausnahmevorschrift zu § 38 Abs. 1 AsylVfG, die als solche einer analogen und damit erweiternden Auslegung grundsätzlich nicht zugänglich ist (VG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Dezember 2005 - 1 L 2219/05.A -, InfAuslR 2006, 163 (164)).

Im Falle des Verzichts nach § 14a AsylVfG bestimmt sich die Ausreisefrist daher nach § 38 Abs. 1 AsylVfG. Sie beträgt einen Monat ab Bekanntgabe der Entscheidung bzw. im Fall der Klageerhebung ab unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens in allen Fällen, in denen der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird und keine der eine kürzere Ausreisefrist auslösenden Sonderregelungen eingreift.

Diese Auffassung widerspricht auch nicht dem Zweck des § 14a AsylVfG.

Der Gesetzeszweck wird bereits durch die Antragsfiktion in § 14a Abs.1 und 2 AsylVfG und die Gleichsetzung eines Verfahrensverzichts nach § 14a Abs. 3 AsylVfG mit einem negativ abgeschlossenen Asylerstverfahren in § 71 Abs. 1 AsylVfG erreicht (OVG NRW, Urteil vom 11. August 2006 - 1 A 1437/06.A -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Dezember 2005 - 1 L 2219/05.A - InfAuslR 2006, 163 (164); VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 20. März 2006 - 1a L 14/06.A -).