VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 15.09.2006 - 13 K 5524/05.A - asyl.net: M9645
https://www.asyl.net/rsdb/M9645
Leitsatz:
Schlagwörter: Guinea, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, psychische Erkrankung, posttraumatische Belastungsstörung, Kindersoldaten, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch die Feststellung eines Abschiebungsverbots im Sinne der § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Guineas.

Denn es bestünde bei einer Abschiebung in den Herkunftsstaat zur Überzeugung des Gerichts landesweit eine beachtlich wahrscheinliche, individuell bestimmte und erhebliche Gefahr für Leib und Leben wegen der zu befürchtenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes (vgl. zum Gefahrbegriff des § 53 Abs. 6 AuslG: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. Juli 2001 - 1 B 71 /01 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 46; BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994, 9 C 1.94, InfAuslR 1995, S 24 ff. (26); zu § 53 Abs. 4 AuslG: BVerwG, Urteil vom 18. April 1996, 9 C 77/95, NVwZ-Beilage 8/1996, S 58 f. (59), zu § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG: BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995, 9 C 9.95, DVBl. 1996, S. 203 ff. (205)).

Beim Kläger besteht eine behandlungsbedürftige schwere chronische posttraumatische Belastungsstörung, deren Behandelbarkeit in Guinea nicht im rechtlich erforderlichen Maße gewährleistet ist.

a) Dass die Erkrankung beim Kläger besteht, sieht das Gericht durch die vorgelegte gutachterliche Stellungnahme des PSZ vom 28. Juli 2006 und die weiteren Bescheinigungen als erwiesen an.

Zudem wird der Inhalt der gutachterlichen Stellungnahme durch den persönlichen Eindruck bestätigt, den das Gericht während der mündlichen Verhandlung vom Kläger gewonnen hat. Dieser hat in der mündlichen Verhandlung Ereignisse geschildert, deren mögliche Eignung als Ursache einer Traumatisierung für das Gericht außer Frage stehen. Die Angaben stehen zudem weder im Widerspruch zu seinen Angaben beim Bundesamt noch zu den Erkenntnissen, die dem Gericht bzgl. des Einsatzes von Kindersoldaten in der Gegend um H vorliegen.

Nach einer Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 19. April 2004 an das VG Berlin hat die guineische Armee im Jahr 2000 Freiwillige zur Rebellenbekämpfung in den Grenzgebieten (nach Liberia und Sierra Leone) als Soldaten rekrutiert. Das Mindestalter hierbei sei zwar 18 Jahre gewesen, unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheit sei aber nicht völlig auszuschließen, dass auch ein 14-jähriger Freiwilliger rekrutiert worden sein könne. Diese Einschätzung wird gestützt von weiteren Auskünften, die den Einsatz von Kindersoldaten und der "Jeune Volontaire" bestätigen (Auszug des Berichts der "Coalition to Stop the Use of Childsoldiers" bezüglich Guinea, Jahresbericht 2004; Auskunft des Bundesamtes für Flüchtlinge der Schweiz "Gueckedou, Guinee forestiere" vom 2. September 2002).

b) Die Erkrankung stellt für den Kläger eine erhebliche, konkrete und landesweit bestehende Gefahr dar.

c) Diese Erkrankung ist zur Überzeugung des Gerichts in Guinea nicht ausreichend behandelbar.

Es ist insoweit bereits fraglich, ob bzgl. der hier vorliegenden besonders schweren chronischen posttraumatischen Belastungsstörung überhaupt Behandlungsmöglichkeiten existieren, die eine gesetzlich relevante Verschlechterung im allgemeinen (vgl. die schweizerischen Flüchtlingshilfe über Guinea überschrieben Behandlung Diabetes Typ I psychiatrische Versorgung in Conakry 9. September 2005, die Auskunft vom Deutschen Institut für ärztliche Mission vom 28. Oktober 2004 an das Verwaltungsgericht Hamburg; Auskunft AA an VG Berlin vom 25. Februar 2004: keine ausreichende Behandlungsmöglichkeit von Traumatisierten) und im besonderen bei dem Kläger, bei dem die Folgen der Erkrankung als besonders gefährlich, weil schwer kontrollierbar anzusehen sind, verhindern könnte.

Jedoch besteht jedenfalls deswegen keine Behandelbarkeit im Rechtssinne, weil eine solche Behandlungsmöglichkeit für den Kläger tatsächlich nicht erlangbar wäre. Denn da die Behandlung selbst zu zahlen ist, keine staatliche Krankenversicherung besteht und es angesichts der bestehenden Erkrankung sehr schwierig sein dürfte, eine privaten Krankenversicherungsschutz zu erlangen (vgl. schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 9. September 2005; Auskunft vom Deutschen Institut für ärztliche Mission vom 28. Oktober 2004 an das Verwaltungsgericht Hamburg) ist eine solche Behandlung für den Kläger jedenfalls nicht bezahlbar, da keine Anhaltspunkte für zahlungskräftige Verwandte im Heimatland bestehen.