OLG Hamm

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Zitieren als:
OLG Hamm, Beschluss vom 13.09.2006 - (2) 4 Ausl. A 19/06 - asyl.net: M9648
https://www.asyl.net/rsdb/M9648
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Auslieferung, Auslieferungshaft, Auslieferungsersuchen, Ablehnung, Bundesregierung, Vertrauensschutz
Normen: IRG § 33
Auszüge:

Nach Auffassung des Senats liegen derzeit die Voraussetzungen für die von der Generalstaatsanwaltschaft beantragten Maßnahmen: Erklärung der Zulässigkeit der Auslieferung und Anordnung der Auslieferungshaft, nicht vor. Diese scheitern schon daran, dass ein förmliches Auslieferungsersuchen, das den Anforderungen des IRG entspricht, nicht vorliegt. Sowohl das Bundesministerium der Justiz als auch das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen als auch die Generalstaatsanwaltschaft übersehen nach Auffassung des Senats die rechtlichen Wirkungen der Entscheidung des Senats vom 5. September 2005, in der die Auslieferung des Verfolgten für unzulässig erklärt worden ist, und der darauf beruhenden negativen Bewilligungsentscheidung der Bundesregierung.

Die vorgenannten Entscheidungen haben das Auslieferungsverfahren 4 Ausl 23/04 beendet. Das BVerfG hat schon in seiner Entscheidung vom 14. Februar 1979 (1 BvR 924/78, BVerfGE 50, 244 = NJW 1979, 1285) ausgeführt (vgl. BVerfGE 50, 244, 250):

"Jedenfalls ist die Ablehnung der Auslieferung dem Betroffenen gegenüber nicht ohne rechtliche Wirkung. Denn dem verfolgten Ausländer wird durch die Ablehnungsentscheidung der Bundesregierung deutlich gemacht, dass das gegen ihn durchgeführte Auslieferungsverfahren in einer für ihn günstigen Weise sein Ende gefunden hat. Der Ausländer kann von nun an davon ausgehen, dass er aufgrund dieses Verfahrens nicht mehr mit der Auslieferung rechnen muss. Die Beendigung des Auslieferungsverfahrens durch die ablehnende Entscheidung der Bundesregierung schafft für den betroffenen Ausländer einen verfassungsrechtlich geschützten Vertrauenstatbestand. Das Gebot des Vertrauensschutzes ist im Rechtsstaatsprinzip verankert (BVerfGE 30, 392 (403)). Der Bürger soll die ihm gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl BVerfGE 13, 261 (271)). Daher schützt die Verfassung grundsätzlich das Vertrauen darauf, dass die mit abgeschlossenen Tatbeständen verknüpften gesetzlichen Rechtsfolgen anerkannt bleiben (BVerfGE 30, 367 (386); 49, 168 [185])."

Dem schließt sich der Senat an (so auch Lagodny in Schomburg/Lagodny, IRG, 4. Aufl., 2005, § 33 IRG Rn. 8). Das hat zur Folge, dass nach einer negativen Bewilligungsentscheidung, wenn die Auslieferung des Verfolgten vom ersuchenden Staat weiter betrieben wird, ein erneutes förmliches, den Anforderungen des IRG entsprechendes Ersuchen des ersuchenden Staates erforderlich ist, das auf neuen Tatsachen beruht (so auch Lagodny, a.a.O.). Das gebietet nicht nur das vom BVerfG betonte "Gebot des Vertrauensschutzes", auf Grund dessen der Verfolgte davon ausgehen kann, dass "verbrauchte" Tatsachen und Unterlagen nicht erneut zur Grundlage eines gegen ihn gerichteten Auslieferungsverfahrens gemacht werden, sondern auch das Gebot der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit.