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VG Bremen

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Zitieren als:
VG Bremen, Urteil vom 08.01.2007 - 4 K 2885/04 - asyl.net: M9669
https://www.asyl.net/rsdb/M9669
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Duldung, räumliche Beschränkung, Umverteilung, örtliche Zuständigkeit, Ausländerbehörde, Schutz von Ehe und Familie, gewöhnlicher Aufenthalt, Untätigkeitsklage, Verlassensaufforderung, abgelehnte Asylbewerber, Verfahrensrecht
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2; GG Art. 6; AufenthG § 61 Abs. 1 S. 1; AufenthG § 71 Abs. 1; AufenthG § 71 Abs. 3; VwVfG § 3 Abs. 1 Nr. 3 Bst. a; BremPolG § 78; SGB I § 30 Abs. 3
Auszüge:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung gegen die Beklagte.

1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung (für die Bundesrepublik Deutschland).

a. Die Abschiebung des Klägers ist aus rechtlichen Gründen unmöglich, weil er belegt hat, dass er Vater des am ...2004 in Bremen geborenen Kindes … ist und mit seiner Tochter und der Kindesmutter, seiner Verlobten, in einer häuslichen familiären Lebensgemeinschaft lebt.

b. Der Kläger erfüllt auch die Voraussetzung des § 60 a Abs. 2 AufenthG, dass ihm keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Hierfür ist ausreichend, dass die Bereitschaft der Beklagten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, fehlt. Auch die Ausländerbehörde Senftenberg ist derzeit nicht bereit, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Dass der Kläger sowohl beim dortigen Verwaltungsgericht Cottbus als auch vor dem erkennenden Gericht parallel zum streitgegenständlichen Verfahren jeweils eine Untätigkeitsklage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erhoben hat, ist unerheblich, da die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in diesem Verfahren nicht streitgegenständlich ist (vgl. OVG Münster, Besch. v. 29.11.2005 - 19 B 2364/03 -= InfAuslR 2006, 64, 66).

2. Die Ausländerbehörde Bremen ist örtlich zuständig geworden für die Erteilung einer Duldung.

Dem steht nicht bereits entgegen, dass der Kläger mit dem Bescheid der Ausländerbehörde der Beklagten vom 25.02.2005 aufgefordert wurde, sich unverzüglich in den Bereich der Ausländerbehörde des Landkreises ... zu begeben. Diese Verfügung ist nicht bestandskräftig geworden, da der Kläger hiergegen Widerspruch erhoben hat, über den noch nicht entschieden wurde.

Der Kläger, der sich inzwischen seit dem 01.11.2004 tatsächlich im Bereich der Beklagten aufhält, hat zukünftig eine Duldung von der Ausländerbehörde der Beklagten zu erhalten. Diese ist letztlich aufgrund der familiären Lebensgemeinschaft in Bremen für das Anliegen des Klägers örtlich zuständig geworden.

Die Frage des Vorliegens der örtlichen Zuständigkeit der Ausländerbehörde der Beklagten stellt sich, weil der Kläger vollziehbar ausreisepflichtig ist und deshalb gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG einer gesetzlichen räumlichen Beschränkung unterliegt.

Probleme hinsichtlich der Zuständigkeit ergeben sich daraus, dass das seit dem 01.01.2005 geltende Aufenthaltsgesetz - wie auch das Ausländergesetz 1990 - weder Bestimmungen zur örtlichen Zuständigkeit der Ausländerbehörden enthält noch Regelungen für einen Umzug vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer bereitstellt; letzteres jedenfalls für den Personenkreis der nach dem 31.12.2004 eingereisten Ausländer (für die nach dem 31.12.2004 eingereisten Ausländer, die kein Asylverfahren durchführen wollen, sieht § 15 a AufenthG ein Verteilungsverfahren vor). Die asylverfahrensrechtliche Zuweisung entfaltet keine räumliche Beschränkung mehr, wenn der Ausländer nach Beendigung des Asylverfahrens aus asylunabhängigen Gründen geduldet wurde und wird. Das ist beim Kläger der Fall, der nach Beendigung des Asylverfahrens im Jahre 2002 zunächst wegen Passlosigkeit und später - nach Vorlage seines nigerianischen Passes - im Hinblick auf seine familiäre Situation geduldet wurde.

§ 71 Abs. 1 AufenthG enthält lediglich Bestimmungen zur sachlichen Zuständigkeit der Ausländerbehörden (entspricht § 63 Abs. 1 AuslG 1990). § 72 Abs. 3 AufenthG (früher § 64 Abs. 2 AuslG) stellt ebenfalls keine Regelung der örtlichen Zuständigkeit dar.

Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich deshalb nach dem jeweiligen Landesrecht (Storr, in: Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Zimmermann-Kreher, Kommentar zum Zuwanderungsgesetz, 2005, § 71 Rn. 9).

Für die landesrechtliche Ausgestaltung der örtlichen Zuständigkeit kommt die Anwendung des Bremischen Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (BremVwVfG) - und dort § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a - nur dann in Betracht, wenn keine spezielleren Landesgesetze die örtliche Zuständigkeit regeln. Als spezielle Regelung der örtlichen Zuständigkeit wird zum Teil auf die Regelungen der örtlichen Zuständigkeit der Polizeigesetze zurückgegriffen. Die obergerichtliche Rechtsprechung hierzu ist uneinheitlich. Für einen Rückgriff auf das Gefahrenabwehrrecht haben sich das OVG Münster (OVG Münster, Beschl. v. 29.11.2005 - 19 B 2364/03 -) sowie das OVG Koblenz (Beschl. v. 16.01.2004 - 10 B 11661/03 -) ausgesprochen. Sie gelangen allerdings zu entgegengesetzten Ergebnissen hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit.

Die wohl überwiegende Anzahl der Obergerichte nimmt eine Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit anhand von § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a des jeweiligen Landesverwaltungsverfahrensgesetzes vor und legt den für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit erforderlichen "gewöhnlichen Aufenthalt" eines Ausländers unter Heranziehung der Legaldefinition in § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I sowie einer einschränkenden Auslegung auf den Ort, wo sich der Ausländer mit behördlicher Billigung ausländerrechtlich aufhalten darf, auf den Ort der Zuweisung (Ausgangsort) fest. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I sieht vor, dass jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Da sich der Ausländer nur an dem ihm zugewiesenen Ort eines bestimmten Bundeslandes aufhalten darf, kann nach dieser Auffassung ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht an dem vom Ausländer gewünschten anderen Zuzugsort begründet werden. Mit anderen Worten: nur am Ausgangsort ist der Aufenthalt ein nicht nur vorübergehender. Demzufolge kann eine örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde des Zuzugsortes grundsätzlich nicht entstehen. Von diesem Grundsatz soll nur dann eine Ausnahme möglich sein, wenn "zwingende Gründe" ausnahmsweise eine Anwesenheit des Ausländers am Ort des gewünschten Zuzugs erfordern oder im Einvernehmen der beteiligten Länder gemäß § 72 Abs. 3 AufenthG (früher § 64 Abs. 2 AuslG) eine "Umverteilung" vorgenommen werden kann (so die bisherige ständige Rechtsprechung des erkennenden Gerichts und des OVG Bremen, zuletzt Beschluss v. 09.10.2006 - 1 B 282/06 -; im Ergebnis auch VGH Kassel, Beschl. v. 24.06.1996 - 10 TG 2557/95 -; OVG Weimar, Beschl. v. 22.01.2004 - 3 EO 1060/03 - und v. 02.07.2003 - 3 EO 166/03 -; VG Gera, Urteil v. 05.05.2003 - 4 K 2525/02 -; VG Berlin, Beschl. v. 04.05.2005 - 27 A 118.05 - und v. 23.10.2000 - 8 S 21.00 -; VGH Mannheim, Beschl. v. 01.04.2004 - 13 S 248/04 -; OVG Greifswald, Beschl. v. 10.04.2000 - 3 M 132/99 - und v. 08.09.1998 - 2 M 80/98 -; OVG Potsdam, Urt. v. 12.08.1999 - 4 A 231/98.A).

Die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit über § 3 Abs. 1 Nr. 3 a VwVfG wird in der Rechtsprechung aber auch abweichend begründet. So gelangt der 4. Senat des OVG Hamburg zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Zuzugsortes, indem er zur Prüfung des gewöhnlichen Aufenthaltes von der Legaldefinition des § 30 Abs. 3 SGB I ausgeht und unter Berücksichtigung des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 GG darauf abstellt, ob der Aufenthalt prognostisch dauerhaft sein wird.

Eine weitere Variante wird vom 1. Senat des OVG Hamburg vertreten. Mit Beschluss vom 26.11.2003 - 1 Bs 566/03 - hat das OVG Hamburg die örtliche Zuständigkeit auf § 3 Abs. 1 Nr. 4 HambVwVfG gestützt, der nach überwiegender Auffassung allerdings jedenfalls dem § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a VwVfG nachgehen dürfte.

Dieser Überblick zeigt eine höchst unbefriedigende Situation auf. Sie führt zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit von Ausländerbehörden je nachdem, welche obergerichtliche Rechtsprechung in dem Bundesland des gewünschten Zuzugs oder in dem Bundesland, auf dessen Bereich der Aufenthalt beschränkt ist, vorherrscht. Je nachdem, welchem Bundesland der Ausländer zugewiesen ist und je nach dem in welches Bundesland er umziehen möchte, werden unterschiedliche Ergebnisse hinsichtlich der Behördenzuständigkeit vertreten. So kann es vorkommen, dass sowohl die Ausgangs- als auch die Zuzugsbehörde wechselseitig auf ihre eigene örtliche Unzuständigkeit verweisen und der Ausländer zwar nicht abgeschoben wird, aber gar keine Duldung erhält.

In Anbetracht der umstrittenen Zuständigkeitsbegründung und einer gesetzlich nicht vorgesehenen Umverteilung für geduldete Ausländer kann aber vorliegend offen gelassen werden, ob sich die Zuständigkeit der Ausländerbehörde des Zuzugsortes aus dem Gefahrenabwehrrecht oder aus dem Landesverwaltungsverfahrensrecht (gewöhnlicher Aufenthalt) ergibt. Beide Ansätze gelangen letztlich zu einer örtlichen Zuständigkeitsbegründung der Zuzugsbehörde, im Falle der Herleitung der örtlichen Zuständigkeit aus § 3 Abs. 1 Buchstabe a VwVfG jedenfalls durch die Einbeziehung des verfassungsrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie. Der Umstand, dass die örtliche Zuständigkeit dabei (auch) von der materiellen Rechtslage abhängt, mag ungewöhnlich sein, ist aber angesichts fehlender Regelungen im Aufenthaltsgesetz unvermeidlich (OVG Hamburg, Beschl. v. 26.04.2006 - 4 Bs 66/06-).

Für eine Begründung der örtlichen Zuständigkeit der Zuzugsbehörde - also hier der Ausländerbehörde der Beklagten - aus dem Gefahrenabwehrrecht spricht, dass es als spezielleres Recht den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes vorgeht. Außerdem spricht hierfür der historische Ursprung des Ausländerrechts als Gefahrenabwehrrecht. Auch das neue Aufenthaltsgesetz hat an dieser Einordnung nichts Wesentliches geändert.

§ 78 BremPolG, der die örtliche Zuständigkeit der Polizeibehörden regelt, spricht für eine örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde der Beklagten, weil sie bei der Entscheidung über eine Duldung Aufgaben der Gefahrenabwehr vornimmt (§ 65 Abs. 1, § 66 Abs. 1 BremPolG). Nach § 78 Abs. 1 Satz 2 BremPolG ist örtlich zuständig die Polizeibehörde, in deren Bezirk eine polizeiliche Aufgabe wahrzunehmen ist. Die Überwachung der Ausreisepflicht und hiermit verbunden die Entscheidung über die Durchsetzung oder Nichtdurchsetzung der Ausreisepflicht eines Ausländers stellen dabei Aufgaben der Gefahrenabwehr dar. Gründe, die gegen diesen polizeirechtlichen Ansatz sprechen, ergeben sich allerdings daraus, dass das Festhalten am historischen Ursprung des Ausländerrechts als besonderes Gefahrenabwehrrecht den weiteren Zielsetzungen des neuen Aufenthaltsgesetzes (Integration von Ausländern) nicht gerecht wird.

Auch die Anwendung des § 3 Abs. 1 Buchstabe a BremVwVfG führt zur örtlichen Zuständigkeit der Ausländerbehörde der Beklagten, allerdings unter ausdrücklicher Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts.

Die bisherige Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchstabe a BremVwVfG kann nicht aufrechterhalten werden. Sie berücksichtigte nicht hinreichend das in Art. 6 Abs. 1 GG gewährte Recht auf Familieneinheit.

Ein gewöhnlicher Aufenthalt liegt nach der Legaldefinition des § 30 Abs. 3 SGB I vor, wenn er nicht nur vorübergehend ist. Während die bisherige Rechtsprechung des erkennenden Gerichts den Aufenthalt am gewünschten Zuzugsort nicht für "nicht nur vorübergehend" erachtete, weil sich der Ausländer behördlich gebilligt nur am Ort der räumlichen Beschränkung langfristig aufhalten und deshalb am Zuzugsort grundsätzlich keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Rechtssinne begründen konnte. Hiervon abweichend war die Bestimmung des Begriffs des gewöhnlichen/nicht nur vorübergehenden Aufenthaltes neu zu bestimmen.

Danach setzt ein nicht nur vorübergehender Aufenthalt abgesehen vom persönlichen Wunsch des jeweils umzugswilligen Ausländers neben dem tatsächlichen Aufenthalt am Zuzugsort voraus, dass am Zuzugsort bestimmte verfassungsrechtliche verankerte Rechte entstanden sind, die es gebieten, dass die Verlassenspflicht (§ 12 Abs. 3 AufenthG) gegen den Ausländer nicht durchgesetzt werden kann. Mehr ist nicht zu verlangen, aber eben auch nicht weniger. Kann ein Ausländer nachweisen, dass er in familiärer Lebensgemeinschaft an einem anderen Ort als an dem der nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eingetretenen gesetzlichen räumlichen Beschränkung lebt, so sperrt Art. 6 Abs. 1 GG zumindest langfristig die Durchsetzung der Verlassenspflicht gemäß § 12 Abs. 3 AufenthG. Sein Aufenthalt am Ort der gelebten Familiengemeinschaft ist dann ein gewöhnlicher Aufenthalt im Rechtssinne, weil er gerade nicht als nur vorübergehend zu betrachten ist (im Ergebnis auch OVG Hamburg, 4. Senat, Beschl. v. 26.04.2006 - 4 Bs 66/06 - = InfAuslR 2006, 369).

3. Art. 6 Abs. 1 GG gewährt ein Recht auf Umzug, welches nicht durch § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eingeschränkt werden kann.

Der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG umfasst die Familieneinheit, die naturgemäß den räumlichen Kontakt einer Familie umfasst (Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 6 Rn. 91) - wenn nicht gar voraussetzt. Eine dem entgegenstehende gesetzliche räumliche Beschränkung für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, die einen Familienangehörigen dauerhaft auf einen anderen Aufenthaltsort verweist, stellt einen unzulässigen Eingriff in das Recht auf Familieneinheit dar, wenn der Aufenthalt im Bundesgebiet auf längere Zeit nicht beendet werden kann. Ein solcher Eingriff ist nicht gerechtfertigt, weil keine überragenden Rechtswerte von Verfassungsrang dies gebieten und zugleich so die Familieneinheit auf Dauer verhindert würde.

In Anbetracht der schrankenlosen Gewährleistung des Grundrechts in Art. 6 Abs. 1 GG wären nach dem Grundsatz der Einheit der Verfassung nur kollidierende Grundrechte Dritter oder andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte imstande, einen Eingriff zu rechtfertigen (BVerfG, Beschl. v. 26.05.1970 - 1 BvR 83/69, 1 BvR 244/69, 1 BvR 345/69 - = BVerfGE 28, 243, 261).

Einen solchen Rechtswert mit Verfassungsrang stellt jedoch nicht die vom OVG Bremen als Regelungsmotiv des § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG herangezogene finanzielle Lastenverteilung von Ausländern dar (OVG Bremen Beschl. v. 09.10.2006 - 1 B 282/06 -, das den der asylverfahrensrechtlichen Verteilung von Asylbewerbern zu Grunde liegenden Grundsatz der gleichmäßigen finanziellen Lastenverteilung ohne nähere Begründung auf das Ausländerrecht überträgt). Zwar dürfte ein gerechter Lastenausgleich unter den Bundesländern für sich genommen Verfassungsrang haben. Er unterläge aber dem Gesetzesvorbehalt. Es bedürfte für eine Übertragung auf das Ausländerrecht einer Ausgestaltung in einem formellen Gesetz, weil es sich um eine wesentliche Entscheidung handelte, weil die mit einer Lastenverteilung verbundene räumliche Beschränkung des Aufenthaltes geeignet wäre, Grundrechte einzuschränken (Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl., 1995, Rn. 509). Ohne gesetzliche Vorgaben - wie etwa ausdrücklich im Asylverfahrensgesetz (§ 52 AsylVfG) geschehen - kann nicht auf dem Verwaltungswege der Grundsatz der Lastenverteilung verwirklicht werden. Dass die richtige Verteilung der Lasten nicht evident ist, sondern der Austarierung auch durch Entscheidungen der politischen Leitungsebene bedarf, zeigt sich daran, dass im Falle des vorübergehenden Schutzes nach § 24 AufenthG die Vereinbarung eigener Kontingente vorgesehen ist. Der für die Verteilung von Asylbewerbern festgelegte Schlüssel gilt nur, solange es an einer anderweitigen Vereinbarung fehlt (§ 24 Abs. 3 AufenthG). Für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer fehlt es aber an jeglicher gesetzlichen Vorgabe für die Gestaltung eines Lastenausgleichs. Die bloße Anordnung einer räumlichen Beschränkung genügt nicht. Soweit sie in das Recht aus Art. 6 Abs. 1 GG eingreift, ist sie nicht geeignet, mit dem Verfassungswert des bundesstaatlichen Lastenausgleichs gerechtfertigt zu werden.

Einen weiteren mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtswert stellt die Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern dar. Offen bleiben kann, ob dies bereits aus der Erwähnung des Aufenthalts- und Niederlassungsrechts der Ausländer im Kompetenzkatalog des Art. 74 Abs. 1 Nr. 4 GG abgeleitet werden kann (dagegen: BVerwG, DVBl. 1982, 200; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Vorb. Vor Art. 1 Rn. 46; Maurer, Staatsrecht I, 4. Aufl. 2005, § 9 Rn. 62; dafür: BVerfG, Beschlüsse v. 14.01.1976 - 1 BvL 4/72, 1 BvL 5/72 - = BVerfGE 41, 205, 227 f.; v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - = BVerfGE 53, 30, 56). Die differenziert ausgestalteten Schranken des Asylrechts in Art. 16a Abs. 2 bis 4 GG zeigen aber, dass die Kontrolle der Einwanderung und deren effektive Verhinderung im Falle eines als unberechtigt angesehenen Asylbegehrens von der Verfassung als erforderlich angesehen werden. Soweit also die räumliche Beschränkung vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer dazu dient, den Zuzug von Ausländern in das Bundesgebiet zu steuern und zu begrenzen, kann sie einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG rechtfertigen. Das ist der Fall, wenn sie der besseren Überwachung vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer dient. Eine Rechtfertigung ist sie hingegen nicht, wenn die Überwachungspflicht auch andernorts gleich gut gewährleistet ist. Davon ist auszugehen, wenn der Ausländer aus Familienschutzgründen ohnehin langfristig im Bundesgebiet verbleiben wird, so dass aufenthaltsrechtliche Aufgaben auch effektiv von der Zuzugsbehörde wahrgenommen werden können.

Der erforderliche schonende Ausgleich zwischen dem Verfassungsrecht Überwachung der Ausreisepflicht und dem hiermit in einem Spannungsverhältnis stehenden Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG erfordert deshalb eine verfassungskonforme Auslegung des § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG.

§ 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, der zunächst keine Ausnahmen von der einmal entstandenen räumlichen Beschränkung vorsieht, ist einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich.

Der schonende Ausgleich zwischen den wechselseitig sich begrenzenden Verfassungswerten des Familienschutzes und der Zuzugsbegrenzung führt zu einem Vorrang des Familienschutzes, wenn andernorts die Überwachung der Ausreisepflicht ebenso gut gewährleistet ist.