Die zulässige Klage ist bereits hinsichtlich des Hauptantrages begründet.
Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hatte mit seinen Bescheiden vom 9. September 1998 und 23. November 2000 die dortigen Feststellungen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorlägen, getroffen, weil es aufgrund der von den Klägern geschilderten Sachverhalte davon ausging, dass ihnen im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine politische Verfolgung von Seiten des Regimes Saddam Husseins drohen werde. Das alte Regime besteht nicht mehr.
Dem Widerruf steht indessen entgegen, dass den Klägern im Falle einer jetzigen Rückkehr in ihr Heimatland ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG begründende andere, in den früheren Verfahren noch nicht berücksichtigte bzw. nachträglich eingetretene, Gefahren drohen. Insoweit sind die für die Beurteilung von Asylanträgen im allgemeinen geltenden Grundsätze anzuwenden.
Das Gericht bezweifelt nicht, dass die Kläger Angehörige der Religionsgruppe der Mandäer sind.
Nach den Feststellungen des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien (EZKS, Stellungnahme vom 6. März 2006, gerichtet an das Verwaltungsgericht Ansbach) ist es seit 2003 zu iner Vielzahl von Übergriffen und Drohungen gegenüber bzw. Morden an Mandäern gekommen. Dies gelte insbesondere im Vergleich zur relativ geringen Anzahl der Mandäer im Irak (vermutet würden zwischen 30.000 und 100.000 Personen). Schon aufgrund der schieren Zahl der Anschläge sei es unmöglich, eine vollständige Auflistung der Fälle vorzunehmen. Das EZKS beschränkt sich demgemäß in der genannten Stellungnahme auf die Illustration verschiedener Kategorien von Übergriffen und Anschlägen anhand einzelner Beispiele.
Zusammenfassend sei somit festzuhalten, dass für Mandäer im Süd- oder Zentralirak eine im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen (ausgenommen Yeziden und Christen) erhöhte Gefahr bestehe, an Leib und Leben verletzt bzw. Opfer eines der weiter oben genannten Übergriffe zu werden. Diese Gefahr bestehe in besonderer Weise, wenn sie den folgenden Personengruppen zuzuordnen seien: religiöse mandäische Würdenträger und ihre Familien/Verwandte; Mandäer, die in der Öffentlichkeit der mandäischen Religion nachgingen bzw. der Aufforderung, zum Islam zu konvertieren, nicht nachkämen; Mandäer, die im Alkoholgeschäft oder ähnlichen Bereichen tätig seien; Mandäer, die in Berufen arbeiteten, die sie in häufigen Kontakt mit der muslimischen Bevölkerung brächten und für die sich daher ein erhöhtes Risiko ergebe, als Mandäer erkannt zu werden bzw. mit radikalen Muslimen zusammenzutreffen; Mandäerinnen, die unverschleiert in die Öffentlichkeit gingen, insbesondere in muslimischen Vierteln; wohlhabende Mandäer, insbesondere Goldschmiede und Juweliere sowie ihre Familien/Verwandte; Mandäer, die sich weigerten, mit radikalen Muslimen zusammenzuarbeiten.
Das Gericht lässt es dahingestellt bleiben, ob diese Auskunftslage Anlass gibt, bereits von einer Verfolgung der Mandäer als Gruppe, ggf. in Gestalt einer mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 c AufenthG (s. zu den grundsätzlichen Voraussetzungen einer solchen Annahme im einzelnen VG Ansbach, Urteil vom 5. Mai 2006 - AN 9 K 04.30438 -, V.n.b.) auszugehen ist. Hierauf kommt es für den vorliegenden Fall im Ergebnis deshalb aber nicht an, weil im Falle der Kläger besondere persönliche Umstände gegeben sind, die die Annahme rechtfertigen, dass ihnen im Falle einer jetzigen Rückkehr in den Irak wegen ihrer Zugehörigkeit zur Glaubensgruppe der Mandäer edenfalls individuell mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung drohen würde (Individualverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit). Der Kläger zu 1) hatte schon gegenüber dem Bundesamt darauf hingewiesen, dass er Funktionsträger innerhalb der mandäischen Glaubensgemeinschaft gewesen sei (Präsident des Komitees für Soziale Angelegenheiten).
In Anbetracht dieser insgesamt glaubhaft erscheinenden Angaben ist das Gericht davon überzeugt, dass die Kläger jedenfalls aus persönlichen, zu ihrer bloßen Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Mandäer hinzutretenden Gründen in der vom EZKS in der oben auszugsweise wiedergegebenen Stellungnahme vom 6. März 2006 beschriebenen Weise einer erhöhten Gefahr, an Leib und Leben verletzt bzw. Opfer einer der dort beschriebenen Übergriffe zu werden, ausgesetzt wären. Zwar mag es sein, dass der Kläger zu 1) nicht unmittelbar zu der in der Stellungnahme an erster Stelle genannten besonders gefährdeten Gruppe der "religiösen mandäischen Würdenträger" zu rechnen ist. Das Gericht bezweifelt jedoch nicht, dass er sich aufgrund seiner herausgehobenen Funktion als Mitglied des Rates der Mandäer des Irak in einer mindestens ebenso exponierten, öffentlich wahrgenommenen und auch weiterhin wahrnehmbaren oder öffentlich erinnerlichen, Stellung befunden hat, wie dies auf einen religiösen Würdenträger in der Regel zutreffen kann. Daraus folgt nach Maßgabe der überzeugenden Feststellungen des EZKS (a.a.O.) zugleich, dass auch die Klägerin zu 2) sowie der Kläger zu 3) als Familienangehörige des Klägers zu 1) im Rückkehrfall einer erhöhten Gefahr ausgesetzt, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von politisch motivierter Verfolgung betroffen wären.
Die Kläger müssen sich demgegenüber auch nicht etwa auf eine inländische Fluchtalternative verweisen lassen. Als solche käme allenfalls der kurdisch verwaltete Nordirak in Betracht. Zwar entspricht es der Einschätzung namentlich des EZKS (a.a.O.), dass Mandäer im Nordirak, ähnlich wie die yezidische respektive christliche Minderheit, vergleichsweise unbehelligt leben könnten. Dies allein lässt diesen Landesteil indessen noch nicht als eine den Klägern zumutbare Fluchtalternative erscheinen. Als eine solche Alternative käme er vielmehr nur dann in Betracht, wenn mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit sichergestellt wäre, dass die Kläger sich überhaupt dorthin begeben und auch voraussichtlich dort dauerhaft aufhalten könnten (vgl. zu dem Erfordernis der Erreichbarkeit des Ortes der inländischen Fluchtalternative BVerwG, Urteil vom 30. April 1991 - 9 C 105.90 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 145). Davon kann indessen nicht ausgegangen werden. Wie der UNHCR in seiner an das Verwaltungsgericht Stuttgart gerichteten Stellungnahme vom 6. September 2005 hervorhebt, sind die unter kurdischer Verwaltung stehenden Gebiete im Nordirak derzeit für Iraker aus den anderen Teilen des Landes nur eingeschränkt zugänglich; die Einreise erfolge unter strenger Kontrolle der dortigen Behörden. Die Personen, denen eine Einreise in die kurdisch kontrollierten Gebiete gestattet werde, müssten sich förmlich um eine Aufenthaltserlaubnis bewerben, die rechtliche Mindestvoraussetzung für die Inanspruchnahme sozialer Rechte sei. Nichtkurdische Aufenthaltsbewerber müssten in allen drei kurdischen Provinzen einen kurdischen Sponsor benennen, der Unterhalt und Unterbringung der Betroffenen garantiere.
Namentlich an letzterem würde die Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis für den Nordirak im Falle der Kläger voraussichtlich scheitern.