OVG Hamburg

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Zitieren als:
OVG Hamburg, Urteil vom 13.07.2006 - 4 Bf 318/99.A - asyl.net: M9753
https://www.asyl.net/rsdb/M9753
Leitsatz:
Schlagwörter: Türkei, Kurden, Gruppenverfolgung, interne Fluchtalternative, Existenzminimum, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse
Normen: GG Art. 16a Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Die zugelassene und auch sonst zulässige Berufung des Beteiligten hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.

1. Die Klägerin kann nicht als asylberechtigt anerkannt werden.

Denn sie ist, wie ausgeführt, in der Westtürkei hinreichend sicher vor politischer Verfolgung wegen ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit. Auf die Frage, ob ihr dort ein Leben unterhalb des Existenzminimums droht, kommt es - asylrechtlich - nicht an. Denn ihr droht als Kurdin im Südosten der Türkei nicht regionale, sondern - allenfalls - örtlich begrenzte Gruppenverfolgung, weil der türkische Staat nur die dort lebenden Kurden wegen des Verdachts, Terroristen zu sein oder Terroristen zu unterstützen, verfolgt und vertreibt (vgl. hierzu Urt. des Berufungsgerichts v. 1.9.1999 5 Bf 2/92.A S. 38 f., 43).

2. Die Klägerin kann auch nicht die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG oder von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG verlangen.

Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, die in dem hier maßgeblichen Umfang mit Art. 16 a Abs. 1 GG übereinstimmen, sind - wie oben ausgeführt - nicht erfüllt.

Die Klägerin hat aber auch keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine solche Gefahr besteht u.a. dann, wenn einem Ausländer dort auf Dauer ein Leben unterhalb des Existenzminimums droht (BVerwG, Beschl. v. 1.10.2001, Buchholz 402.240 § 53 Nr. 51 und Urt. v. 28.3.2001, Buchholz 402.240 § 53 Nr. 44; dort jeweils zu § 53 AuslG). Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin ebenfalls nicht gegeben.

Denn für sie besteht die Möglichkeit, in ihre Heimatregion im Südosten der Türkei zurückzukehren, wo ihr nach der Überzeugung des Berufungsgerichts kein Leben unterhalb des Existenzminimums droht.

Der Klägerin droht in ihrer Heimatregion im Südosten der Türkei auch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (zur Anwendbarkeit dieses Prognosemaßstabes im Rahmen von Abschiebungsschutz gem. § 53 AuslG bzw. jetzt § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG auch bei Vorverfolgten vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.1995, NVwZ 1996 S. 199) Gruppenverfolgung wegen ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit. Nach der Rechtsprechung des Berufungsgerichts waren Kurden zwar (möglicherweise) seit Anfang der 90er Jahre im Südosten der Türkei einer - örtlich begrenzten - Gruppenverfolgung ausgesetzt (Urteil des Berufungsgerichts vom 1.9.1999, 5 Bf 2/92.A). Davon kann indes angesichts der Entspannung der Menschenrechtslage in den früheren Notstandsgebieten gegenwärtig nicht mehr ausgegangen werden (Urteil des Berufungsgerichts vom 25.8.2004, 4 Bf 6/95.A).