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VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Beschluss vom 26.10.2006 - AN 11 E 06.30967 - asyl.net: M9875
https://www.asyl.net/rsdb/M9875
Leitsatz:
Schlagwörter: Afghanistan, Verfolgung durch Dritte, nichtstaatliche Verfolgung, interne Fluchtalternative, Taliban, Kabul, Sicherheitslage, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Versorgungslage, allgemeine Gefahr, extreme Gefahrenlage, Erlasslage, Abschiebungsstopp, Folgeantrag, Änderung der Rechtslage, Anerkennungsrichtlinie, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7; AsylVfG § 71 Abs. 1; VwVfG § 51 Abs. 1; VwGO § 123 Abs. 1
Auszüge:

Der Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens wurde nach der hier gebotenen Prüfung, wonach auch im Asylfolgeantragsverfahren die Anforderungen einer Offensichtlichkeitsentscheidung zu beachten sind (vgl. BVerfG, NVwZ-Beilage 1/1995, S. 2 und S. 3), nämlich hinsichtlich der begehrten Asylberechtigung und der Feststellung zu §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG zu Recht abgelehnt und gleichzeitig besteht auch kein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG.

1. Der im Asylfolgeantrag allein geltend gemachte Wiederaufgreifensgrund, dass nämlich als objektiver Nachfluchttatbestand auf Grund der aktuellen Situation in Afghanistan eine nichtstaatliche Verfolgung nach der neuen Rechtslage durch die Taleban anzunehmen sei, und der nunmehr im gerichtlichen Verfahren erstmals vorgetragene selbständige Wiederaufgreifensgrund, wonach er die islamische Gesellschaft, insbesondere die Mullahs in seiner Heimat ablehne, führen - abgesehen, dass letzterer Wiederaufgreifensgrund schon nicht beim Bundesamt als Ausgangsbehörde geltend gemacht wurde - sämtlich entweder nicht zum Wiederaufgreifen des Verfahrens oder jedenfalls nicht zu einer sachlichen Entscheidung im Sinne des Antragstellers.

Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass die Gesetzesänderung in § 60 Abs. 1 AufenthG, insbesondere in Satz 4 c), nicht per se einen Wiederaufgreifensgrund darstellt, wenn auch diese Gesetzesfassung jedenfalls bei nach ihrem Inkrafttreten gestellten Asylfolgeanträgen zu beachten ist, sondern nur dann eine Änderung der Sach- und Rechtslage vorliegt, wenn eine Änderung auch in den konkreten Auswirkungen im Einzelfall für den Ausländer gegeben ist (so zutreffend Leitfaden BAMF Seite 13).

Es liegen aber die Voraussetzungen insbesondere des § 60 Abs. 1 Satz 4 c) AufenthG jedenfalls deshalb nicht vor, weil das Vorbringen schon völlig unsubstantiiert und vage ist und abgesehen davon, ob "die Taleban" und "die Mullahs" als solche überhaupt Akteure in diesem Sinn sind (bejahend wohl BVerwG vom 18.7.2006, zitiert nach juris) und ob abhängig vom inneren Zusammenhang mit der früheren Verfolgungsfurcht der Wahrscheinlichkeitsmaßstab (BVerwG a.a.O.) erfüllt wäre, nach eindeutiger Auskunftslage jedenfalls keine landesweite Verfolgung durch die Taleban anzunehmen ist und Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung durch religiöse Führer nicht glaubhaft gemacht wurden; letztlich erschöpft sich der Vortrag des Antragstellers in der Darlegung einer schwierigen Sicherheitslage als allgemeine Gefahr im Fall einer Rückkehr.

Nach diesen Grundsätzen üben die Taleban ausgehend von der eindeutigen Auskunftslage und allgemeinkundig jedenfalls keine landesweite Verfolgung aus. Nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 13. Juli 2006 kommt es insbesondere im Süden und Osten des Landes zwar weiterhin zu gewaltsamen Übergriffen von re-gruppierten Taleban und anderen regierungsfeindlichen Kräften. Jedenfalls können Rückkehrer, die über den Flughafen Kabul einreisen, vor allem im Raum Kabul einer Gefährdung durch die woanders operierenden Taleban entgehen. Eventuelle allgemeine Gefahren können wie ausgeführt aus Rechtsgründen hier keine Beachtung finden.

2. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen hinsichtlich von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, weder strikter Art noch im Ermessenswege, glaubhaft gemacht.

Nach § 60 Abs. 7 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allgemeine Gefahren können daher auch dann nicht Abschiebungshindernisse begründen, wenn sie den Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen. Schutz vor Abschiebung darf in verfassungskonformer Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG nur ausnahmsweise gewährt werden. Das ist dann der Fall, wenn der Ausländer in seinem Heimatstaat einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Fall seiner Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwerster Verletzungen ausgeliefert wäre (BVerwG NVwZ 1999, 666 = InfAuslR 1999, 266 und DVBl 2001, 1772).

Nach diesen Grundsätzen wird durch das sinngemäße Klagevorbringen, bei einer Rückkehr nach Afghanistan bestehe auf Grund der allgemeinen Lage und Verhältnisse dort keine Existenz, schon das Vorliegen dieses Abschiebungshindernisses im maßgeblichen jetzigen Zeitpunkt nicht substantiiert.

Nach der Lageberichterstattung des AA, zuletzt vom 3. November 2004, vom 21. Juni 2005 vom 29. November 2005 und 13. Juli 2006 sowie der Auskunft vom 17. Februar 2004 an SächsOVG, hat sich die Sicherheitslage weiterhin landesweit nicht verbessert, in mancher Beziehung sogar verschlechtert. Im Raum Kabul ist sie aber auf Grund der Präsenz der ISAF vergleichsweise zufriedenstellend, bleibt jedoch fragil.

Nach alledem kann trotz der dargestellten schlechten Sicherheits- und Versorgungslage ausgehend vom vorgenannten rechtlichen Maßstab aber nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass jeder Rückkehrer aus Europa den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden erleiden müsste.