Die zulässige Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ist nicht begründet.
Die Beigeladenen haben im auch für die vorliegende Anfechtungsklage nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind die Beigeladenen vorverfolgt aus ihrer Heimat ausgereist.
Das Gericht ist zunächst davon überzeugt, dass es sich bei den Beigeladenen um tschetschenische Volkszugehörige handelt.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Beigeladenen jedenfalls im Juni 2001 Opfer eines asylerheblichen Übergriffs durch russische Soldaten in Grosny geworden sind. Nachdem die Beigeladenen nach den heftiger werdenden Bombenangriffen durch die russische Armee auf Grosny im Oktober 1999 zunächst in das benachbarte Inguschetien geflohen waren, kehrten sie Anfang des Jahres wegen der jedenfalls von ihnen als unzumutbar empfundenen Lebensbedingungen in dem inguschetischen Flüchtlingslager nach Grosny zurück.
Dabei wurde das Haus der Eltern des Beigeladenen zu 1. im Mai 2001 und später etwa im Juni 2001 von russischen Soldaten durchsucht. Dem Beigeladenen zu 1., nach dem aufgrund des insoweit stimmigen Vortrages der Beigeladenen zu 1. und 2. konkret gesucht wurde, gelang die Flucht; er konnte sich während der Dauer der mehrstündigen Durchsuchung in einem Versteck verborgen halten, ohne dass die russischen Kräfte seiner habhaft geworden wären. Die russischen Kräfte haben bei dieser Durchsuchung bewusst Granaten gegen den in einem Versteck vermuteten Beigeladenen zu 1. eingesetzt und beabsichtigt, diesen zu töten. Anlässlich der Durchsuchung des Hauses haben die russischen Kräfte die russischen Personaldokumente der Beigeladenen (sog. Inlandspässe) an sich genommen und nicht wieder herausgegeben.
Motivation der russischen Sicherheitskräfte für den Übergriff der russischen Soldaten dürfte zunächst die tschetschenische Volkszugehörigkeit des Beigeladenen zu 1. gewesen sein.
Dabei sind die zahlreichen Durchsuchungen vor allem von jungen tschetschenischen Männern vor dem Hintergrund des von der russischen Führung behaupteten ausländischen, insbesondere arabischen Einflusses in Tschetschenien zu sehen. Die diesem zu Grunde liegende geistige Bewegung wird von der russischen Führung und Öffentlichkeit zusammenfassend als "Wahhabismus" bezeichnet und steht für alle radikal-islamistischen Strömungen in der betroffenen Region. Nach Auffassung der russischen Führung ist es eine der Hauptaufgaben der Bekämpfung des Konfliktes, einen weiteren Zulauf der tschetschenischen Bevölkerung zu diesen Strömungen zu unterbinden. Die Aktivitäten der russischen Sicherheitskräfte und des russischen Militärs sind dabei in erster Linie gegen Männer im kampffähigen Alter gerichtet. Dabei hat der Beigeladene zu 1. keinen Hehl daraus gemacht, dass er im Grunde nicht Teil des tschetschenischen Widerstandes war, geschweige denn dort eine herausgehobene Rolle gespielt hätte. Eine solche Rolle war indessen in der fraglichen Zeit nicht Voraussetzung dafür, von den russischen Kräften als Gegner eingeschätzt zu werden, die es mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen galt.
Ein besonderes Gefährdungsmoment besteht für die Familie der Beigeladenen nach der Mitnahme der Inlandspässe durch die russischen Soldaten im Juni 2001. Dabei kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Einsatzkräfte sich endgültig mit dem vermeintlichen Tod des Beigeladenen zu 1. abgefunden hatten, nachdem sie Granaten in den Keller des durchsuchten Hauses geworfen hatten und die Inlandspässe nur aus weiterer Schikane gegenüber den vermeintlich überlebenden Familienmitgliedern mitgenommen haben, um etwa ihre Bewegungsfreiheit (weiter) einzuschränken.
Vielmehr scheint angesichts der dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse überaus naheliegend, dass die Informationen der handelnden Kräfte an die zuständigen russischen Stellen weitergegeben worden sind und die Familie der Beigeladenen damit für die russischen Sicherheitskräfte in zusätzlicher Weise verdächtig war.
Nach Auskunftslage war es in dem hier in Frage stehenden Zeitraum selbst ohne vorgetragene Unterstützungshandlungen tschetschenischer Kämpfer ohne weiteres möglich, in das Visier der russischen Dienste zu geraten, etwa als (vermeintlicher) Informationsträger.
Insbesondere die tschetschenische Hauptstadt Grosny war dabei immer wieder Schauplatz zahlreicher Spezialoperationen des russischen Militärs gegen Rebellen oder ihre - wenn auch nur vermeintlichen - Unterstützer.
Bei der Maßnahme, die die Beigeladenen im Juni 2001 erlitten haben, handelt es sich um einen asylerheblichen Übergriff von erheblichem Gewicht. Bei diesen Übergriffen, die vor allem gegen die männliche tschetschenische Bevölkerung, aber auch gegen Frauen und Kinder in großer Zahl geschildert werden, handelt es sich nicht um Amtswalterexzesse, die dem russischen Staat nicht zurechenbar wären. Vielmehr sind sie Ausdruck eines staatlichen Verfolgungsprogramms, mit dem seit Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges unnachgiebig auch gegen die tschetschenische Zivilbevölkerung vorgegangen wird.
Die den Beigeladenen widerfahrene Misshandlung muss in diesem Zusammenhang gesehen werden. Sie ist Teil der russischen Politik gegenüber ihren vermeintlichen innenpolitischen Gegnern und knüpft unmittelbar an die Zugehörigkeit zu den vermeintlichen Gegnern an.
Die Beigeladenen sind vor einer unmittelbar drohenden weiteren politischen Verfolgung geflohen.
Im Zeitpunkt der Ausreise der Beigeladenen, Mitte des Jahres 2001, wurde der Konflikt in Tschetschenien seitens der russischen Kräfte und seitens der tschetschenischen Rebellen weiter mit großer Härte, auch gegen die verbliebene tschetschenische Zivilbevölkerung geführt. Nach Übernahme der Leitung der von den Russen als "Anti-Terror-Operation" bezeichneten Kampfmaßnahmen durch den russischen Inlandsgeheimdienst FSB Anfang des Jahres 2001 kam es vermehrt zu Sonderoperationen, "Säuberungen" und Durchsuchungen der Art, wie sie die Beigeladenen nach ihrem Vortrag auch bereits etwa 1 bis 2 Monate vor dem letztlich fluchtauslösenden Ereignis erlebt haben. Daran hat sich bis zum heutigen Tage grundlegend nichts geändert, wenn auch im Rahmen der sogenannten "Tschetschenisierung" des Konflikts Einzelmaßnahmen verstärkt in die Hände moskautreuer Tschetschenen gelegt worden sind (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, so bereits im Update Tschetschenien vom 7. November 2005).
Die genannte Einschätzung betrifft neben den Beigeladenen zu 1. und 2., die einem unmittelbaren Zugriff russischer Sicherheitskräfte ausgesetzt waren, auch deren Kinder, die Beigeladenen zu 3 bis 5. (sowie die Tochter... als Klägerin eines weiteren Asylverfahrens 6a K 5138/02.A). Denn die russischen Sicherheitskräfte haben bereits kurz nach Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges damit begonnen, auch Verwandte von (vermeintlichen) Unterstützern des tschetschenischen Widerstandes als Geiseln zu nehmen, um der Unterstützer selbst habhaft zu werden. Dazu hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 11. März 2005 - 25 K 2381/04.A - ausgeführt: ...
Diesen Ausführungen folgt das erkennende Gericht im vollen Umfang.
Bei einer Rückkehr in die Russische Föderation müssen die Beigeladenen auch heute mit weiterer politischer Verfolgung rechnen (zu den Prüfungsmaßstäben bei einer Rückkehr in die Russische Föderation vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Juli 2005 - 11 A 2307103.A -).
Es ist davon auszugehen, dass aus dem Ausland rückgeführten Tschetschenen seitens der russischen Behörden besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird (Auswärtiges Amt, Lagebericht zu Tschetschenien vom 30. August 2005, S. 15; Lageberichte zur Russischen Föderation (einschließlich Tschetschenien) vom 15. Februar 2006, S. 26 und vom 18. August 2006, S.25/26).
Bei einer Rückkehr nach Tschetschenien haben die Beigeladenen weiterhin damit zu rechnen, jedenfalls verhaftet, auch gefoltert oder sogar getötet zu werden.
Vor dem Hintergrund erlittener und weiter drohender politischer Verfolgung stand und steht den Beigeladenen auch eine sogenannte inländische Fluchtalternative außerhalb der Republik Tschetschenien auf dem sonstigen Gebiet der Russischen Föderation nicht zur Verfügung.
Es kann dahinstehen, ob nach Aufhebung des Befehls des russischen Innenministeriums Nr. 347 vom 24. Mai 2003 zum 30. Juni 2004, mit dem Tschetschenen ihre Inlandspässe auch außerhalb des Territoriums der Republik Tschetschenien verlängern lassen konnten (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 22. November 2005, Gz. 508-516.80/44143), noch regelmäßig von einer inländischen Fluchtalternative für tschetschenische Volkszugehörige in der Russischen Föderation ausgegangen werden kann.
Denn selbst wenn man davon ausgeht, dass tschetschenischen Volkszugehörigen in der Russischen Föderation heute grundsätzlich eine inländische Fluchtalternative außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien zur Verfügung steht (so OVG NRW, Urteil vom 12. Juli 2005 - 11 A 2307/03.A -, allerdings unter Annahme der Weitergeltung des erwähnten Befehls Nr. 347; ebenso andere Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe (Schleswig Holstein, Niedersachsen, Thüringen, Saarland, Bayern), ablehnend dagegen Oberverwaltungsgerichte Bremen, Hessen und Sachsen-Anhalt, Urteil vom 31. März 2006, Az.: 2 L 40/06, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die abgesprochene Problematik), gilt dies nur für den Regelfall eines nicht in das Visier russischer Sicherheitskräfte geratenen Tschetschenen.