LSG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.03.2007 - L 19 B 21/07 AS ER - asyl.net: M9997
https://www.asyl.net/rsdb/M9997
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Grundsicherung für Arbeitssuchende, Unionsbürger, Beitrittsstaaten, Arbeitssuche, Erwerbstätigkeit, Arbeitsmarktprüfung, selbstständige Erwerbstätigkeit
Normen: SGB II § 7 Abs. 1 S. 2; SGB II § 7 Abs. 2; SGB II § 7 Abs. 3; FreizügG/EU § 2 Abs. 2 Nr. 1; SGB III § 284 Abs. 1; FreizügG/EU § 2 Abs. 2 Nr. 5; SGG § 86b Abs. 2
Auszüge:

Zur Überzeugung des Senats sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht erfüllt.

Nach Auffassung des Senats fehlt es vorliegend an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs, also einer Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren möglich ist. Vielmehr sind die Antragsteller zu 1) - 4) von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Der durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.03.2006 (BGBl. I, 558) mit Wirkung zum 01.04.2006 neu gefasste § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II normiert einen SGB II-Leistungsausschluss für Ausländer auf Arbeitssuche, auch wenn diese die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen (Abs. 1 Satz 1) erfüllen (Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 2. Auflage, § 7 Rdz. 18; Winkel, SozSich 2006, 103; Beschluss vom 03.11.2006 - L 20 B 248/06 AS ER LSG NRW, vorausgehend Sozialgericht Duisburg S 2 AS 167/06 ER). Dass er, nachdem er in § 7 Abs. 2 SGB II einen Leistungsanspruch auch für Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben normiert, in § 7 Abs. 3 festgelegt hat, wer zur Bedarfsgemeinschaft gehört, kann schon unter Berücksichtigung von Wortlaut und Systematik des Gesetzes nicht zu einer Aufhebung des vorstehend beschriebenen Leistungsausschlusses führen.

Die Antragsteller sind als polnische Staatsangehörige "Ausländer" im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Die Antragstellerin zu 1) hält sich allein zum Zweck der Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland auf, was von ihr auch nicht bestritten wird.

Der Senat kann es in diesem Zusammenhang dahingestellt sein lassen, ob sich aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 12 EU grundsätzlich ergibt, dass steuerfinanzierte Sozialleistungen allen Unionsbürgern nach den gleichen Voraussetzungen und im gleichen Umfang zu gewähren sind (s. hierzu Strick, Sozialhilfe und Alg II für Unionsbürger, NJW 2005, 2182 ff). Denn eine der Übergangsregelungen des EU-Beitrittsvertrages (vom 16.04.2003 - BGBl. II, 1408 -) erlaubt es den alten Mitgliedern, ihre arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische Lage an die erweiterte Union anzupassen. Von der zunächst auf zwei Jahre begrenzten Möglichkeit hat die Bundesrepublik Deutschland mit dem Gesetz über den Arbeitsmarktzugang im Rahmen der EU-Erweiterung vom 23.04.2004 Gebrauch gemacht (BGBl. I, 602). Zwischenzeitlich hat das Bundeskabinett eine Verlängerung der Übergangsregelung mit Wirkung vom 01.05.2006 bis zum 30.04.2009 beschlossen (s. www.bmas.bund.de, Material zur Information, "Verlängerung der Übergangsregelungen bei der Arbeitsnehmerfreizügigkeit bis 2009, Stand: 22.03.2006). Das bedeutet, dass grundsätzlich für Staatsangehörige aus den betreffenden Beitrittsländern eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit möglich ist, § 284 SGB III (Fuchs, Deutsche Grundsicherung und europäisches Koordinationsrecht, NZS 2007, 1ff). Der Antragstellerin zu 1) ist jedoch keine Arbeitserlaubnis-EU nach § 284 Abs. 1 SGB III erteilt worden.