VG Freiburg

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Zitieren als:
VG Freiburg, Urteil vom 15.12.1998 - A 4 K 10678/98 - asyl.net: R2
https://www.asyl.net/rsdb/R2
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Angolaner, Aufenthaltsgestattung, räumliche Beschränkung, Verlassenserlaubnis, Unbillige Härte, Auslegung, Exilpolitische Betätigung, MAKO, Veranstaltungen, Verpflichtungsklage, Grundrechte, Meinungsfreiheit
Normen: AsylVfG § 58; GG Art. 5 Abs. 1; AuslG § 37 Abs. 1 S. 1
Auszüge:

Ergänzend betont das Gericht noch einmal, daß die Frage, ob dem Kläger für die von ihm beabsichtigten Besuche von Veranstaltungen der M.A.K.O. eine Erlaubnis zum Verlassen des Landkreises Waldshut zu erteilen ist, nur in einem konkreten Antragsverfahren unter Berücksichtigung von Inhalt und Bedeutung der jeweiligen Veranstaltung zu beantworten ist.

Allerdings weist das Gericht im Hinblick auf künftige Anträge des Klägers darauf hin, daß die Auslegung und konkrete Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "unbilligen Härte" in § 58 Abs. 1 S. 1 AsylVfG insbesondere dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG, welches das Recht eines Ausländers zur exilpolitischen Betätigung einschließt, sowie der gesetzlichen Grundentscheidung in § 37 Abs. 1 S. 1 AuslG, der allen Ausländern, auch Asylbewerbern, - grundsätzlich - ein Recht auf politische Betätigung zugesteht, Rechnung tragen muß. Die Begründung, eine bestimmte exilpolitische Organisation diene allein der Schaffung sogenannter Nachfluchtgründe, dürfte diesen Grundsätzen als alleiniger Grund zur Versagung der Verlassenserlaubnis nicht gerecht werden. Denn erstens würde damit der betreffenden exilpolitischen Organisation jede ernsthafte politische Bedeutung abgesprochen und damit regelmäßig auch die für die Annahme eines Nachfluchtgrundes maßgebliche Gefährdung verneint, wegen eines Engagements in dieser Organisation politische Verfolgung im Heimatland befürchten zu müssen; und zweitens dürfte es der Lebenswirklichkeit widersprechen, daß in exilpolitischen Organisationen nicht zumindest auch über politische Veränderungen im Heimatland diskutiert und solche Veränderungen gefordert werden, was wiederum von Art. 5 Abs. 1 GG und § 37 Abs. 1 S. 1. AuslG geschützt wäre. Vor allem ist aber zu bedenken, daß eine - nach der Rechtsordnung in Deutschland erlaubte - exilpolitische Betätigung nicht bereits allein aus sich heraus zur Annahme eines Nachfluchtgrundes führt, sondern daß diese Annahme erst durch eine im Einzelfall zu befürchtende rechtsstaatswidrige Reaktion des Heimatstaates des betreffenden Ausländers auf dieses Engagement herbeigeführt wird. Allein der Schutz vor solchen unangemessenen Reaktionen des Heimatstaates auf ein - nach unserer Rechtsordnung - erlaubtes Verhalten seiner Staatsangehörigen ist der Grund für die Gewährung von Asylrecht nach Art. 16 a Abs. 1 GG bzw. von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG aufgrund sogenannter (subjektiver) Nachfluchttatbestände. Das darf bei der rechtlichen Bewertung einer exilpolitischen Betätigung im Rahmen einer Entscheidung nach § 58 Abs. 1 S. 1 AsylVfG nicht verkannt werden.

Diese Rechtslage ist bei Entscheidungen über die Erteilung von Erlaubnissen nach § 58 Abs. 1 S.1 AsylVfG grundsätzlich zu beachten; die Entscheidungspraxis einer Behörde darf nicht de facto zu einer Aushöhlung der rechtlich geschützten (exil-)politischen Betätigungsfreiheit des Ausländers führen. Auch Mitgliederversammlungen einer exilpolitischen Organisation, denen das Gericht zwar ein geringeres Gewicht beigemessen hat als zum Beispiel Demonstrationen und Wahlen, fallen hiernach nicht von vornherein aus dem geschützten Bereich exilpolitischer Betätigungen heraus. Vielmehr wird der betreffende Ausländer in geeigneter Weise den ernsthaften politischen Charakter der betreffenden Veranstaltung belegen müssen. Dabei kommt allerdings Mitgliederversammlungen, die in vorab festgelegten kurzen Zeitabständen regelmäßig stattfinden, indiziell eine politisch eher geringe Bedeutung zu.