OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.03.1999 - 23 A 3094/95.A - asyl.net: R22
https://www.asyl.net/rsdb/R22
Leitsatz:

Die Albaner, die im Sommer 1990 in der Deutschen Botschaft in Tirana Zuflucht suchten und anschließend nach Deutschland einreisen durften (sog. Botschaftsflüchtlinge), wurden nicht als Kontingentflüchtlinge übernommen. Ihre Anerkennung als Asylberechtigte kann heute nach Änderung der politischen Situation in Albanien gemäß § 73 Abs. 1 AsylVfG widerrufen werden.

Die sog. Botschaftsflüchtlinge müssen gegenwärtig in Albanien nicht mit politischer Verfolgung wegen der Flucht in die Deutsche Botschaft rechnen.

Zur innenpolitischen Lage Albaniens.(amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Albanien, Botschaftsflüchtlinge, Kontingentflüchtlinge, Asylberechtigung, Widerruf, Unterlassen der Anhörung, Verfahrensmangel, Unbeachtlichkeit, Situation bei Rückkehr, Politische Entwicklung
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; HumHAG § 1; VwVfG § 46
Auszüge:

In jüngster Zeit sieht sich Albanien in seiner staatlichen Integrität durch die jenseits der Landesgrenze stattfindenden Kämpfe zwischen der jugoslawischen Armee und den für die Unabhängigkeit Kosovos kämpfenden Albanern gefährdet. Es gibt jedoch keine Anzeichen dafür, daß die kriegerischen Auseinandersetzungen im benachbarten Kosovo auf die innenpolitische Situation Albaniens Einfluß in dem Sinne hätten, daß Regierungskritiker oder Personen, die 1990 das Land in Richtung Italien verlassen haben, jetzt mit politischer Verfolgung rechnen müßten.

Gleiches gilt für die Auseinandersetzungen im Spätsommer dieses Jahres. Seit August 1998 hatte der frühere Staatspräsident B. seine Anhänger zum Prostet gegen die Regierenden aufgestachelt. Nach der Festnahme von zwei früheren Ministern und dem ehemaligen Geheimdienstchef R., die als Rädelsführer der Unruhen von 1997 gesucht wurden, kam es in L. nahe der griechischen Grenze zu blutigen Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften. In der Folgezeit griffen die Unruhen auf das ganze Land über. Sie eskalierten, nachdem am 12. September 1998 in T. der PD-Politker H. und dessen Leibwächter erschossen wurden. Nachdem die Regierung, an deren Spitze nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten N. jetzt R.M. steht, erfolgreich gegen die nach dem Attentat entstandenen Unruhen eingeschritten ist, bestehen keine Hinweise dafür, daß derzeit im Ausland lebende Albaner jetzt politische Verfolgungsmaßnahmen zu gewärtigen hätten.

Vor diesem Hintergrund besteht für den Kläger kein Anlaß zur Befürchtung, er werde bei seiner Rückkehr nach Albanien dort verfolgt werden.

Der angefochtene Bescheid ist letztlich auch nicht deshalb aufzuheben, weil der Kläger vor dessen Erlaß nicht nach § 73 Abs. 4 AsylVfG angehört wurde. Der Verfahrensmangel einer fehlenden Anhörung ist unbeachtlich, da dieser Mangel nicht zur Nichtigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes führt und weil in der Sache keine andere Entscheidung hätte getroffen werden können (§ 46 VwVfG).