OVG Rheinland-Pfalz

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Zitieren als:
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.10.1998 - 10 A 12577/97.OVG - asyl.net: R27
https://www.asyl.net/rsdb/R27
Leitsatz:
Schlagwörter: Türkei, Kurden, Gruppenverfolgung, Interne Fluchtalternative, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Exilpolitische Betätigung, Medienberichterstattung, Situation bei Rückkehr, Grenzkontrollen
Normen: GG Art. 16a; AuslG § 51 Abs. ; AuslG § 53
Auszüge:

1. Zur Verfolgungsgefährdung von Kurden im Rahmen der Rückkehrkontrollen aufgrund von Zeitungsberichten, die über ihren Aufenthalt als Asylbewerber in der Bundesrepublik und die Hintergründe ihres Asylverfahrens erschienen sind.

2. Für Kurden steht nach wie vor in der Westtürkei eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung (Bestätigung und Fortschreibung der Senatsrechtsprechung). (Leitsätze)

Wenn vor diesem Hintergrund auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, daß die Beigeladenen aufgrund der mit den Berichten verbundenen öffentlichen Diskussion ihres Asylverfahrens auch in das Blickfeld der türkischen Behörden geraten sein könnten, so ist jedenfalls aber nicht beachtlich wahrscheinlich, daß daraus ein weiterführendes Interesse an ihrer Person erwachsen ist, das bei den hier zu erörternden Rückkehrkontrollen für sie zu asylerheblichen Repressalien führen könnte. Denn nach den vom Senat in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen bedarf es zur Auslösung eines solchen weiterführenden Interesses aufgrund von Veröffentlichungen in den Medien entweder massiver, unmittelbar gegen das Selbstverständnis des türkischen Staates als eines Einheitsstaates gerichteter Kritik, wie sie etwa im Rahmen von gezielten Protestanzeigen, engagierten Leserbriefen oder veröffentlichten Anträgen auf Entlassung aus der türkischen Staatsbürgerschaft anzutreffen ist, der öffentlichen Parteinahme für die PKK mit ihren Anführern und Zielen sowie damit gegebenenfalls gar verbundener Aufrufe, sich an deren separatistischen Aktivitäten zu beteiligen, oder aber des öffentlichen Bekennens, selbst bereits an entsprechenden exilpolitischen Aktivitäten teilgenommen zu haben und künftig weiter teilzunehmen, wogegen allgemeine im Rahmen von Zeitungsberichten wiedergegebene Äußerungen von Asylbewerbern - wie hier - zur Lage der Kurden in der Türkei und zu von ihnen vor diesem Hintergrund in der Bundesrepublik angestrengten Asylverfahren bzw. zu ihrer Situation in der Bundesrepublik gerade nicht ausreichen (vgl. Kaya vom 15. September 1996, 18. Februar, 18. April, 19. Juni und 8. August 1997, Dr. Tellenbach vom 9. November und 2. Dezember 1996, Auswärtiges Amt vom 22. April 1997, Taylan vom 30. April 1997, Rumpf vom 29. Dezember 1997 sowie Dinc vom 22. April 1998).

Im übrigen dürfte auch dem türkischen Staat durchaus bekannt sein, daß derartige Artikel oftmals - wie auch hier - von den Medien zur Darstellung des Fluchtgeschehens erbeten werden und schon von daher nicht etwa als Sprachrohr politischer Gegnerschaft zu verstehen sind.

Gegen eine ernsthafte Gefährdung der Beigeladenen, wegen der vorgelegten Zeitungsberichte mit asylerheblichen Repressalien im Rahmen der in Rede stehenden Rückkehrkontrollen überzogen zu werden, spricht deshalb zudem, daß sie sich tatsächlich auch nicht etwa im Bundesgebiet in nennenswertem Umfang für die kurdische Sache engagiert und damit auch nicht etwa auf diesem Wege zumindest in ihrem Umfeld einen gewissen Bekanntheitsgrad als Verfechter der kurdischen Sache erlangt haben.