Mit dem ausführlich begründeten Beschluß ordnet das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage insoweit an, als eine Abschiebung nach Angola angedroht wurde. Das Gericht setzt sich zunächst detailliert mit der Frage auseinander, ob eine Verletzung des Art. 3 EMRK auch im Bürgerkrieg stattfinden kann. Es folgt dabei der Meinung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der dies bejaht. Die Kammer legte dar, das BVerwG habe sich bei seiner Auslegung des Art. 3 EMRK, wonach der dort verwandte Begriff des Behandelns ein geplantes vorsätzliches, auf eine bestimmte Person gerichtetes Handeln voraussetze, zur Begründung seiner Entscheidung auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bezogen und mehrere Entscheidungen zitiert. Die Kammer vertrat jedoch die Auffassung, daß die vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Zitate seine Schlußfolgerungen nicht abdecken.
Das VG ist darüber hinaus der Auffassung, daß angesichts der sich verschlechternden Lage in Angola eine extreme Gefahrenlage im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG zu § 53 Abs. VI S. 1 AuslG i.V.m. Art 1 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG vorliege. Somit sei unabhängig von der Rechtsauffassung zu Art. 3 EMRK die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
Die Lage in Angola stellt das Verwaltungsgericht wie folgt dar: "Unter Berücksichtigung der sich aus den Erkenntnisquellen ergebenden Tatsachen ist das Gericht der Auffassung, daß nicht ausgeschlossen werden kann, daß eine Abschiebung des Antragstellers die Annahme einer derartigen extremen Gefahrenlage im obigen Sinne rechtfertigt. Gleichfalls dürfte bei anderer Betrachtung nach all den Umständen des Einzelfalls i.S.d. Art. 2 und 3 EMRK beim Antragsteller nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auszuschließen sein, daß eine extreme Gefahrenlage aufgrund der derzeitigen Zustände in Angola vorliegt.
Die in letzter Zeit erzielten Fortschritte bei der Ausdehnung der Staatsgewalt sind zum Stillstand gekommen. Die Sicherheitslage in Angola hat sich seit ca. Mitte Mai verschlechtert. War die angespannte Sicherheitslage bis vor kurzem noch auf 4 Provinzen beschränkt gewesen, so sind inzwischen 8 Provinzen von der Verschlechterung der Lage betroffen. Es kommt weiterhin zu Übergriffen (Schläge, willkürliche Festnahmen etc.) der staatlichen Polizei gegenüber der Bevölkerung.
In den letzten Wochen wurde zudem von Seiten der VN-Mission MONUA, des Welternährungsprogramms und Vertretern internationaler Nichtregierungsorganisationen wiederholt berichtet, daß marodierende Banditen, aber auch UNITA-Einheiten in einigen Landesteilen bewaffnete Angriffe und Überfälle auf Dorfbewohner verübten. Dabei kam es diesen Berichten zufolge zu Todesopfern unter der Zivilbevölkerung. Die Art und Weise sowie die Häufung der Angriffe und Überfälle lassen eine straffe militärische Führung im Hintergrund vermuten. Unklar ist, ob es sich bei diesen Vorfällen um Einzelfälle, Exzesse oder eine bewußte Strategie der Destabilisierung handelt und welche Absichten damit verfolgt werden.
Nachdem bereits in den ganzen zurückliegenden Jahren der schleppende Friedensprozeß und die potentielle Möglichkeit eines Wiederaufflammens des Bürgerkrieges diskutiert wurde, verdichten sich seit Sommer 1998 die Pressemeldungen in bezug auf einen neuen Bürgerkrieg in Angola. Bereits der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 8.6.1998 sah die Sicherheitslage trotz einer positiven Ausgangslage als verschlechtert. Bedenklich muß stimmen, daß auch das Auswärtige Amt angibt, daß Art und Weise sowie Häufung von Angriffen und Überfällen eine straffe Führung im Hintergrund vermuten lasse. Die zitierten Presseberichte aus dem anschließenden Zeitraum lassen aus Sicht des Gerichts den Schluß zu, daß der Friedensprozeß gescheitert ist. Des weiteren muß als Faktum anerkannt werden, daß der Bürgerkrieg wiederaufgeflammt ist. Die zu Anfang des Lageberichts vom 8.6.98 noch positive Bewertung der Situation in Angola dürfte als überholt zu betrachten sein. Sie stützt sich auf die Situation bis März 1998 und wurde damals auch vom Gericht so gesehen. Die Aussage, Angola sei nicht mehr Schauplatz eines Bürgerkrieges, sondern ein Land in einer Nachkonfliktsituation, kann angesichts der Pressemitteilungen im anschließenden Zeitraum aber nicht mehr aktuell sein. Welche Entwicklung Angola in den nächsten Monaten nehmen wird, ist offen, doch dürfte Skepsis alles andere als unangebracht sein, angesichts der Dauer des Konflikts und des Umstandes, daß bereits 1992 eine kurze Friedensphase in eine besonders blutige Fortsetzung des Bürgerkriegs mündete. Die Erfolgsaussichten der eingelegten Klage müssen als offen bezeichnet werden. Die vorliegenden Pressemeldungen ergeben ein Bild, daß eine Abweisung der Klage hinsichtlich von Abschiebungsschutz genausogut möglich erscheinen läßt wie deren Erfolg. Bei offenem Verfahrensausgang hat das Gericht eine eigene Abwägung der beiderseitigen Interessen vorzunehmen. Vor dem Hintergrund der unklaren Situation in Angola, dem Umstand, daß der angolanische Bürgerkrieg gerade nach der vorausgehenden Friedensphase 1992 ganz besonders heftig und blutig wieder aufgeflammt ist, hält das Gericht es derzeit, im Rahmen der summarischen Betrachtung im Eilverfahren, nicht für zumutbar, den Antragsteller nach Angola abzuschieben. Es ist vielmehr im Rahmen des Hauptsacheverfahrens konkret die Gefährdung des Antragstellers gegebenenfalls durch gezielte Auskünfte zu überprüfen. Angesichts des hohen Rechtsguts - Leben - des Art. 1 GG hält das Gericht eine andere Ermessensentscheidung, im Eilverfahren, als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.
Im Falle des Antragstellers ist ferner noch zu beachten, daß der UNHCR in seiner Stellungnahme vom Dezember 1997, wie bereits in früheren Stellungnahmen ausgeführt hat, daß insbesondere die Herkunftsregion und die ethnische Zugehörigkeit eines angolanischen Asylsuchenden entscheidende Faktoren darstellen können, die bei der Prüfung, ob der Betreffende gefährdet ist, berücksichtigt werden sollten. Beim Antragsteller handelt es sich um einen Volkszugehörigen der Bakongo. Hierzu hat der UNHCR weiter ausgeführt, daß in Einzelfällen diesbezüglich eine politische Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu der ethnischen Gruppe der Bakongogemeinschaft nicht ausgeschlossen werden kann. Ähnlich hat sich auch amnesty international in der Stellungnahme vom 29.9.1997 geäußert. Vor dem Hintergrund des neu entflammten Bürgerkriegs geht das Gericht davon aus, daß diese Hinweise des UNHCR bzw. von amnesty international heute noch größeres Gewicht haben. Die Wahrscheinlichkeit, daß der Antragsteller als Volkszugehöriger der Bakongos verfolgt wird, dürfte heute eher größer sein, als im Zeitpunkt der Fertigung der Stellungnahme des UNHCR."