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VG Freiburg

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Zitieren als:
VG Freiburg, Beschluss vom 19.03.1998 - A 1 K 10723/98 - asyl.net: R4767
https://www.asyl.net/rsdb/R4767
Leitsatz:
Schlagwörter: Zaire, Demokratische Republik Kongo, Folgeantrag, Änderung der Sachlage, Machtwechsel, Menschenrechtsverletzungen, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Exilpolitische Betätigung, FDZ, Force Democratique Zairoise, offensichtlich unbegründet, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Einstweilige Anordnung
Normen: VwGO § 123; AsylVfG § 71 Abs. 5; AsylVfG § 71 Abs. 1; VwVfG § 51
Auszüge:

1) Dem Antragsgegner zu 2) - Bezirksstelle für Asyl - wird untersagt, den Antragsteller abzuschieben.

2) Der Antragsgegnerin zu 1) - Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - wird aufgegeben, die Mitteilung vom 5. Februar 1998 an das Regierungspräsidium Freiburg (Bezirksstelle für Asyl), wonach ein weiteres Asylverfahren im Fall des Antragstellers nicht durchgeführt wird, zurückzunehmen.

Das Bundesamt hat gem. §§ 71 Abs. 1 AsylVfG, 51 Abs. 1 VwVfG ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, so daß die Voraussetzungen des § 71 Abs. 5 S. 1 i.V.m. S. 2 AsylVfG nicht vorliegen. Das ergibt sich daraus, daß der Antragsteller gem. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG eine nachträgliche (ihm günstige) Änderung der Sachlage im ehemaligen Zaire (jetzt: Demokratische Republik Kongo) im Sinne des Entstehens von Nachfluchtgründen und damit zumindest eines Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG geltend gemacht.

Der Antragsteller hat weiterhin die von ihm zum Beleg einer Änderung der Sachlage herangezogenen Erkenntnismittel im ausführlichen Schriftsatz vom 3. Dezember 1997 (Aktenseite 61 bis 75 des Folgeverfahrens) benannt und auch vorgelegt. Neben zahlreichen, den neuen Machthabern zugeschriebenen Menschenrechtsverletzungen wird dort insbesondere über das vor allem die zairischen demokratischen Parteien (be-)treffende Verbot öffentlicher politischer Aktivitäten und Demonstrationen berichtet. Daraus geht (zumindest in einer auf der Stufe des § 51 VwVfG genügenden Weise) weiterhin hervor, daß von Übergriffen seit Mai 1997 gerade auch Angehörige der Opposition (allen voran die UDPS mit ihrem Führer Tshisekedi) in erheblichem Maß betroffen sind. Damit ist substantiiert und glaubhaft ein von den Feststellungen des abgeschlossenen ersten Asylverfahrens abweichender Sachverhalt hinsichtlich der allgemeinen Verhältnisse im Herkunftsstaat dargetan, durch den der (Folge-)Antragsteller Anlaß für weitere Sachverhaltsermittlungen gegeben hat.

Schlüssig und rechtzeitig ist weiterhin auch der Vortrag des Antragstellers zu den in seinen persönlichen Bereich fallenden Umständen, die einen Nachfluchtgrund darlegen sollen. Er hat bereits bei Stellung des Folgeantrags im Juni 1996 vorgetragen und durch Vorlage einer Mitgliedsbescheinigung nachgewiesen, daß er im Februar 1996 Mitglied der exiloppositionellen FDZ (Force Democratique Zairoise) geworden ist. Dieses Vorbringen mag zwar bezogen zum damaligen Zeitpunkt verspätet gewesen sein. Entscheidend ist nunmehr jedoch, daß dieser Vortrag in Verbindung mit weiteren, in der Bundesamtsakte befindlichen Unterlagen (Einladungen des Antragstellers zu Veranstaltungen der FDZ bis Februar 1997 und Vermerke über Ausnahmegestattungen durch die Ausländerbehörde zum Verlassen des Aufenthaltsbereichs) ab Mai 1997 neues Gewicht erlangt hat. Unter Berücksichtigung zugleich des Vortrags in den Schriftsätzen vom Juni 1997 ist aber von einer Rechtzeitigkeit im Sinne des § 51 Abs. 2, Abs. 3 VwVfG auszugehen, da der Antragsteller damit zugleich dargetan hat, weiter in der nunmehr in Opposition zur AFDL stehenden FDZ tätig zu sein. Aus seinem Vortrag geht weiterhin auch schlüssig hervor, daß er bei Rückkehr wegen dieser Zugehörigkeit zum der AFDL gegenüberstehenden (neuen) politischen Lager befürchtet, daß seine Auslandsaktivität bekannt und er bei Rückkehr Opfer menschenrechtswidriger Übergriffe werden könnte. Dagegen ist es im Rahmen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nicht von Bedeutung, ob dieser Vortrag die Verfolgungsfurcht am Ende einer ausführlichen Sachprüfung tatsächlich begründet erscheinen läßt und die Annahme einer asylrechtlich relevanten politischen Verfolgung rechtfertigt.

Der Folgeantrag ist auch nicht etwa aus eindeutigen Gründen des (sonstigen) sachlichen Asylrechts verfahrensirrelevant. Soll im Asylfolgeverfahren der Antrag ausnahmsweise aufgrund einer - grundsätzlich ausgeschlossenen (vgl. OVG Münster, Urt. v. 24. Februar 1997, NVwZ-Beilage 1997, 77; VGH München, Urt. v. 24. April 1997, NVwZ-Beilage 1997, 75) - Asylerfolgswürdigung abgelehnt werden, ist folgendes zu beachten: Jede verwaltungsgerichtliche Entscheidung über den geltend gemachten Asylanspruch muß auch unter Geltung des neuen Asylrechts den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ermittlungen zum Tatbestand "politisch Verfolgter" gerecht werden. Im Fall einer auf die Auswertung von Auskünften gestützten Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet bedarf es nach Maßgabe hinreichender Verläßlichkeit und Umfänglichkeit der Feststellung einer zweifelsfreien, widerspruchsfreien und hinreichend aktuellen Auskunftslage. An einer offensichtlichen Unbegründetheit eines Asylanspruchs des Antragstellers bestehen aber im Zeitpunkt dieser gerichtlichen Entscheidung, auf den es wegen § 77 Abs. 1 AsylVfG ankommt, ernstliche Zweifel. Bei Heranziehung der aktuellen Erkenntnisquellen kann das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangen, ein exilpolitisch nicht herausgehoben tätiger Zairer wie der Antragsteller sei bei Rückkehr so sicher vor Verfolgung, daß der (erneute) Asylantrag eindeutig aussichtslos ist (vgl. § 30 Abs. 1 AsylVfG).