OVG Rheinland-Pfalz

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Zitieren als:
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.11.1999 - 8 A 11816/99.OVG - asyl.net: R5140
https://www.asyl.net/rsdb/R5140
Leitsatz:

Keine drohende politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit für politische aktive Angehörige der Volksgruppe der Bakongo bei einer Rückkehr nach Angola.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Angola, Bakongo, UNITA, FLEC-FLAC, FFAKO, Mitglieder, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Illegale Ausreise, Antragstellung als Asylgrund, Situation bei Rückkehr, Bürgerkrieg, Versorgungslage, Extreme Gefahrenlage, Kinder, Kindersterblichkeit
Normen: GG Art. 16a; AuslG § 51 Abs. 1; AuslG § 53
Auszüge:

Als Angehörigen der Volksgruppe der Bakongo droht den Klägern bei ihrer Rückkehr nach Angola nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung.

Nach Meinung des Auswärtigen Amtes versucht der Stamm der Bakongo außerhalb Angolas immer wieder den Eindruck zu erwecken, als ob er von der Zentralregierung verfolgt werde. Nach Auffassung ausländischer Beobachter und von in Angola tätigen Menschenrechtsorganisationen sei dies aber nicht der Fall (AA v. 16.11.1998 an VG Sigmaringen).

Soweit amnesty international meint, Bakongo gerieten grundsätzlich unter Verdacht, Mitglieder der UNITA zu sein, erscheint dies angesichts des Bevölkerungsanteils der Bakongo von 10 bis 15% nicht überzeugend.

Wegen seiner Mitgliedschaft in der FLEC-FAC droht dem Kläger zu 1) nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung.

Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ist die FLEC-FAC die größte und militanteste FLEC-Fraktion. Sie unterhalte Büros in Cabinda und vertrete politische Forderungen offen. Ihre Kundgebungen und Versammlungen seien durch die Regierung verboten (AA v. 22.4.1996 an VG Schleswig). Soweit Aktivisten der verschiedenen Fraktionen der FLEC nicht militärisch aktiv seien und sich nur politisch betätigten, würden sie nicht politisch verfolgt, auch wenn nicht auszuschließen sei, daß ihre Tätigkeit von den Sicherheitsbehörden beobachtet werde (AA, Lagebericht Angola, Dezember 1998).

Der Senat hält eine politische Verfolgung des Klägers zu 1) nicht für beachtlich wahrscheinlich.

Die Beurteilungen des Instituts für Afrika-Kunde und von amnesty international beruhen nur auf Vermutungen und nicht auf Erkenntnissen zur Verfolgung nicht militanter FLEC-FAC-Anhänger. Beispiele für Verfolgungsfälle werden nicht genannt. Der Kläger zu 1) hat jedoch nicht vorgetragen, militärisch tätig gewesen zu sein, vielmehr sei er Koordinator der Jugendarbeit gewesen, habe Propaganda betrieben und Waisenkindern geholfen. Die Tötung von Personen in Cabinda, die verdächtigt wurden, die FLEC zu unterstützen, läßt keinen Schluß auf eine Gefährdung des Klägers zu 1) zu. Dieser ist nicht gezwungen, sich nach Cabinda zu begeben.

Wegen ihrer ehemaligen Mitgliedschaft in der UNITA und wegen der Mitgliedschaft in der FFAKO muß auch die Klägerin zu 2) nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgung rechnen.

Mitglieder der UNITA sind zwar nach Angaben des UNHCR 1998 nach dem Ende des Friedensprozesses von der Polizei und den Streitkräften getötet worden. So wird von verschiedenen unrechtmäßigen Hinrichtungen sowie Entführungen von Unterstützern der UNITA berichtet (UNHCR, Background Paper, April 1999, vgl. auch ai vom 12. Januar 1999 an VG Sigmaringen). Dabei handelt es sich jedoch um Einzelfälle, von denen nicht auf eine Verfolgung aller UNITA-Anhänger geschlossen werden kann. Die Klägerin zu 2), die bereits 1991 aus der UNITA ausgetreten ist, muß jedenfalls nicht mit Verfolgung rechnen.

Die FFAKO ist nach Angaben von ai aus der historischen Bewegung der Bakongo hervorgegangen, deren Ziel es war, einen unabhängigen Staat der Bakongo zu schaffen. Amnesty International hält es deshalb für durchaus möglich, daß aktive FFAKO-Mitglieder in Einzelfällen wegen Aktivitäten für die Unabhängigkeit der Bakongo in Angola Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt sind (ai vom 29.09.1997 an VG Sigmaringen). Nach Angaben des Auswärtigen Amtes sind die in Europa auftretenden Befreiungsbewegungen der Bakongo, MAKO und FFAKO in Angola so gut wie unbekannt und treten weder öffentlich auf noch machen sie mit Manifesten, Pamphleten, Versammlungen, Demonstrationen und ähnlichem auf sich aufmerksam (AA vom 1. Febuar 1996 an VG Trier, Lagebericht Angola Dezember 1998). Danach ist eine Verfolgung zurückkehrender FFAKO-Mitglieder nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, auch nicht unter Berücksichtigung der Mitgliedschaft der Klägerin in der FFAKO in Deutschland.

Eine politische Verfolgung droht den Klägern auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Zusammentreffens verschiedener, möglicherweise die Verfolgung auslösender Faktoren mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.

Von der Abschiebung der Kläger kann auch nicht nach § 53 Abs. 6 abgesehen werden.

Die Situation in Angola wird derzeit wie folgt beschrieben: ...

Aus der vorgenannten Darstellung der Situation für Rückkehrer und insbesondere für Kinder in Angola läßt sich zwar ein beträchtliches Risiko für das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Kläger bei ihrer Rückkehr nach Angola herleiten. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, daß sie der vom Bundesverwaltungsgericht geforderten extremen Gefahrenlage ausgesetzt sein werden, wonach bei der Rückkehr der sichere Tod oder schwerste Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit drohen müssen. Eine Gefahr in diesem Sinne ist nicht bereits wegen der hohen Kindersterblichkeit in Angola anzunehmen. Selbst wenn man von der vom UNHCR zuletzt genannten Kleinkindersterblichkeitsrate von 40% ausgeht (vgl. UNHCR Background-Paper April 1999 S. 15), drohen den Klägern zu 3) bis 5) nicht der sichere Tod oder schwerste Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit. Mit dieser Rate wird das Risiko für die in Angola geborenen und aufgewachsenen Kinder bis zu 5 Jahren umschrieben. Die (...) geborenen Kläger sind dem besonderen Risiko für Kleinkinder bis zu 5 Jahren jedoch nicht mehr ausgesetzt. Darüber hinaus werden die Kläger in (...), wohin sie abgeschoben würden, auf im Verhältnis zum Landesdurchschnitt günstige Lebensbedingungen treffen. Die Kläger können mit der zum Überleben nötigen Lebensmittelversorgung rechnen. Auch wenn es dem Kläger zu 1) nicht gelingen sollte, den Unterhalt der Familie durch Arbeit in seinen früheren Berufen als Mechaniker und Taxifahrer sicherzustellen, kann er doch in (...) die Unterstützung von Hilfsorganisationen in Anspruch nehmen.