VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 09.11.1999 - 11 K 99/98.A - asyl.net: R5343
https://www.asyl.net/rsdb/R5343
Leitsatz:

Abschiebungsverbot gemäß § 51 Abs. 1 AuslG für katholischen Christen aufgrund drohender Verfolgung durch die Hisbollah bei Rückkehr in den Libanon. (Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Libanon, Christen (katholische), Israel, Verdacht der Kollaboration, Haft, Folter, Verfolgung durch Dritte, Hisbollah, Mittelbare Verfolgung, Religiös motivierte Verfolgung
Normen: AuslG § 51 Abs. 1
Auszüge:

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Festellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG zu.

Das Gericht ist auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers und der vorliegenden Erkenntnisse über die Lage im Libanon zu der Überzeugung gelangt, daß der Kläger den Libanon aus begründeter Furcht vor politischer Verfolgung verlassen hat, sowie daß des weiteren nicht mit der notwendigen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, daß ihm im Falle seiner Rückkehr in den Libanon erneut politische Verfolgung drohen würde.

Zunächst besteht weder Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers noch an der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens.

Hinsichtlich der Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen ist der Beklagten zwar darin zuzustimmen, daß keinesfalls anzunehmen ist, daß im Libanon alle Angehörigen des christlichen Glaubens Verfolgungsmaßnahmen seitens der Hizbollah zu befürchten hätten. Allerdings müßten die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers im Gesamtzusammenhang mit seinen übrigen Bekundungen gesehen werden. Insofern ist zunächst zu berücksichtigen, daß der Kläger in der Bekaa-Ebene lebte, einer Gegend, in der die Hizbollah nach wie vor stark vertreten ist und in der sich gerade im Jahr der Ausreise des Klägers besonders radikale Tendenzen innerhalb der Hizbollah entwickelten.

Toufaily, der als radikaler Verfechter der iranischen Vorstellungen über einen Gottes-Staat gilt, hatte in der Herkunftsregion des Klägers eine Stimmung geschaffen, die die Darstellung des Klägers, er als Christ, der einen islamischen Staat strikt ablehne und dies auch in aller Öffentlichkeit so vertreten habe, habe Übergriffe fanatischer Hizbollah-Anhänger befürchten müssen, durchaus plausibel erscheinen lässt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, daß der Kläger glaubhaft verkündet hat, bereits im (...) infolge einer familiär bedingten Reise nach Israel den Argwohn der Hizbollah erregt zu haben; diese haben ihn wegen des Verdachts der Kollaboration mit Israel 23 Tage lang festgehalten, unter Folter verhört und dabei so zugerichtet, daß er sich operativen Maßnahmen habe unterziehen müssen. Da derartige Übergriffe im Einzelfall nach der Auskunftslage nicht ausgeschlossen werden können, und da das Deutsche Rote Kreuz, Landesverband Saarland, dem Kläger in einer Stellungnahme vom 26.2.1998 bestätigt hat, daß Foltermerkmale körperlich nachweisbar seien, besteht aus der Sicht des Gerichts keine Veranlassung am Wahrheitsgehalt der diesbezüglichen Bekundungen des Klägers zu zweifeln.

Des weiteren gab der Kläger an, von einem ihm aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit gut bekannten und ihm persönlich verpflichteten Mann, der Mitglied der Hizbollah sei, im (...) gewarnt worden zu sein; dieser habe ihm gesagt, er gelte in den Reihen der Hizbollah als Gegner Gottes und damit als Gegner der Hizbollah. Ausgehend davon, daß der Kläger schon anläßlich seiner Anhörung durch die Beklagte bekundet hatte, sich nicht nur im Bekanntenkreis, sondern auch sonst, wenn die Vorstellungen der Hizbollah über einen islamischen Staat diskutiert worden seien, gegen einen solchen ausgesprochen zu haben, ist durchaus nachvollziehbar, daß er das Mißfallen von Angehörigen der gerade in seiner Heimatregion besonders radikalen Hizbollah-Bewegung erregt haben könnte.