OLG Düsseldorf

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Zitieren als:
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.12.1999 - 2 b Ss 167/99 - 72/9 - asyl.net: R5867
https://www.asyl.net/rsdb/R5867
Leitsatz:

Die Verurteilung wegen eines Vergehens nach § 92 Abs. 1 Nr. 3 AuslG ist nicht gerechtfertigt, da die erteilte Auflage zur Tatzeit noch nicht vollziehbar war.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Ausländer, Deutschverheiratung, Aufenthaltserlaubnis, Auflagen, isolierte Anfechtungsklage, Prostitution, Vollziehbarkeit, Rechtsmittelbelehrung, Selbstständige Anfechtbarkeit, Strafverfahren
Normen: AuslG § 14 Abs. 2 S. 2; AuslG § 92 Abs. 1 Nr. 3; VwVfG § 36 Abs. 2 Nr. 4
Auszüge:

Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Auflage im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 AuslG nicht und rechtfertigen deshalb keine Verurteilung der Angeklagten wegen eines Vergehens nach § 92 Abs. 1 Nr. 3 dieses Gesetzes. Allerdings ist die Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen am 17. Februar 1998 bei der Ausübung der Prostitution in einem Bordell in Duisburg angetroffen worden, der sie als Prostituierte selbständig nachging, obwohl sie aus einem früheren - allerdings eingestellten - Verfahren wegen einschlägigen Verhaltens wußte, daß sie dadurch gegen die ihr als "Nebenbestimmung" der Aufenthaltserlaubnis erteilte Auflage verstieß. Es unterliegt deshalb auch keinem Zweifel, daß die Angeklagte insoweit vorsätzlich gehandelt hat.

Die ihr erteilte Auflage war indessen zur Tatzeit am 17. Februar 1998 entgegen der Auffassung der Strafkammer und der Generalstaatsanwaltschaft noch nicht vollziehbar, d.h. formell bestandskräftig und unanfechtbar. Vollziehbarkeit der Auflage ist aber tatbestandsmäßig Voraussetzung einer Verurteilung nach § 92 Abs. 1 Nr. 3 AuslG. Aufgrund ihrer Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat, und des familiären Zusammenlebens mit ihm hatte die Angeklagte - wie bereits erwähnt - einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 23 Abs. 1 Nr. 1, 17 Abs. 1 AuslG (vgl. Kanein/Renner, a. a. 0., § 23 AuslG Rdrn. 2 und 3). Deshalb mußte ihr die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, da mögliche Versagungsgründe nach §§ 8, 17 Abs. 5 AuslG ersichtlich nicht vorlagen (vgl. dazu auch Kanein/ Renner, a.a.O., § 23 Rdnr. 5). Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an die Angeklagte war mithin zwingend; die zuständige Ausländerbehörde hatte insoweit keinen Ermessensspielraum. Zwar dürfen im öffentlichen Interesse Auflagen auch bei einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 23 Abs. 1 Nr. 1, 17 Abs. 1 AuslG verfügt werden, soweit sie das Recht des ausländischen Ehegatten auf Zuzug und Aufenthalt im Bundesgebiet nicht in unzulässiger Weise beschränken oder gar vereiteln (vgl. dazu auch Kanein/Renner, a.a.O., § 14 AuslG Rdnr. 7 mit Beispielen). Im Hinblick darauf ist es aber erforderlich, eine selbständige Anfechtbarkeit derartiger Nebenbestimmungen bei Aufenthaltserlaubnissen zuzulassen, um gegebenenfalls eine gerichtliche Überprüfung zu ermöglichen, ob der Rechtsanspruch des ausländischen Ehegatten gewahrt ist. Die von der Strafkammer und der Generalstaatsanwaltschaft vertretene Gegenmeinung, die der Angeklagten erteilte Auflage sei "integrierender" Bestandteil der Aufenthaltserlaubnis und deshalb nicht gesondert anfechtbar, ist mit dieser sich aus der gesetzlichen Regelung der §§ 23 Abs. 1 Nr. 1, 17 Abs. 1 AuslG zwingend ergebenden Konsequenz nicht vereinbar. Insbesondere geht der Hinweis fehl, mit Rücksicht auf den immer noch geltenden Anwerbestopp für Nicht-EG-Staaten könne davon ausgegangen werden, dass im vorliegenden Fall der Angeklagte die Aufenthaltserlaubnis ohne die angeordnete Auflage nicht erteilt worden wäre. Dem steht - wie die Strafkammer und die Generalstaatsanwaltschaft ersichtlich verkennen - bereits entgegen, daß - wie mehrfach hervorgehoben - die Angeklagte mangels irgendwelcher Versagungsgründe einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis hatte. Gerade dieser Umstand hindert hier die Annahme, daß die Nebenbestimmung des Verbots der Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit oder einer vergleichbaren unselbständigen Erwerbstätigkeit einen integrierenden Bestandteil der Aufenthaltserlaubnis bildet und deshalb nicht gesondert anfechtbar ist. Sie würde letztlich auch dazu führen, daß die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis einer Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde überlassen wird, was ersichtlich mit der gesetzlichen Regelung der §§ 23 Abs. 1 Nr. 1, 17 Abs. 1 AuslG unvereinbar ist.

Hingegen wird die vom Senat vertretene Auffassung der Gesetzeslage gerecht. Im Hinblick auf den nach den bezeichneten Vorschriften begründeten Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den ausländischen Ehepartner eines deutschen Staatsangehörigen können eventuell verfügte belastende Nebenbestimmungen nur selbständig anfechtbare Auflagen im Sinne des § 36 Abs. .2 Nr. 4 VwVfG sein, nicht aber "integrierende" Bestandteile der Aufenthaltserlaubnis selbst, da diese - falls Versagungsgründe nicht vorliegen - erteilt werden muß und auch ohne Auflagen rechtlichen Bestand haben kann.

Aus alledem ergibt sich, daß im vorliegenden Fall die der Angeklagten erteilte Auflage selbständig anfechtbar war. Da die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben ist, war die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO zur Tatzeit am 17. Februar 1998 noch nicht abgelaufen. Demgemäß fehlt es an einer vollziehbaren Auflage, so daß die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 92 Abs. 1 Nr. 3 AuslG nicht erfüllt sind.