BVerfG

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Zitieren als:
BVerfG, Beschluss vom 21.06.2000 - 2 BvR 1989/97 - asyl.net: R7309
https://www.asyl.net/rsdb/R7309
Leitsatz:

Die Gleichstellung des Verschuldens eines Prozeßbevollmächtigten mit dem Verschulden eines Beteiligten bei der Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist ist auch in verwaltungsgerichtlichen Asylverfahren mit dem Grundgesetz vereinbar. (amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: D (A), Türken, Kurden, Asylbewerber, Fristen, Fristversäumnis, Anwaltsverschulden, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Verfassungsmäßigkeit, Rechtsweggarantie, Bundesamt, Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Prüfungskompetenz, Wiederaufgreifen des Verfahrens, Ermessen, Ermessensreduzierung auf Null
Normen: VwGO § 60; VwGO § 173; ZPO § 85 Abs. 2; GG Art. 19 Abs. 4
Auszüge:

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 20. April 1982 (BVerfGE 60, 253) entschieden, dass die Regelung der §§ 85 Abs. 2 ZPO, 173 VwGO mit Rücksicht auf den Grundsatz der Rechtssicherheit auch insoweit mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 19 Abs. 4 GG, vereinbar ist, als danach auch in verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen der Anerkennung als Asylberechtigter bei der Entscheidung, ob gegen die Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleichgestellt wird (BVerfGE 60, 254 267ff>). Die Gewährleistung des Art. 19. Abs. 4 S. 1 GG werde dadurch auch im Hinblick auf Besonderheiten des Asylverfahrens, insbesondere wegen der möglichen existenziellen Bedeutung einer Versagung des Asylrechts, nicht unangemessen oder unzumutbar eingeschränkt (BVerfGE 60, 253 288 ff., 295 ff.>). Die fehlende Möglichkeit für den abgewiesenen Asylbewerber, sich bei seinem Bevollmächtigten für die Folgen einer Fristversäumnis in wirksamer Weise schadlos zu halten, führe vor allem wegen des unabhängig von der Asylgewährung oder -versagung bestehenden Abschiebungsschutzes für politisch Verfolgte nicht zu schlechterdings unerträglichen Ergebnissen wie grundsätzlich im Strafverfahren (BVerfGE 60, 253 299 f.>).

Die dem - insbesondere mit dem Hinweis auf § 14 Abs. 1 AuslG a. F. (BGBl 1965 I S. 353) - zugrunde liegenden Erwägungen (vgl. BVerfGE 60, 253 300>) werden durch die zwischenzeitlich erlassenen und im vorliegenden Fall anzuwendenden Neuregelungen im Asyl- und Ausländerrecht im Ergebnis nicht in Frage gestellt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mittlerweile ausdrücklich hervorgehoben, dass damit die Prüfung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG noch nicht notwendig endet (Urteil vom 7. September 1999 - 1 C 6.99 -, InfAuslR 2000, S. 16 17 f.> und Urteil vom 21. März 2000 - 9 C 41.99 - <bisher nur in JURIS veröffentlicht>): Die Entscheidung des Bundesamtes zu § 53 AuslG unterliege nicht den eingeschränkten und strengen Wiederaufgreifensvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG, denn die einschränkende Verweisung des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gelte nur für erneuten Asylantrag (Folgeantrag) im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG, der gerade nicht das Schutzersuchen nach § 53 AuslG umfasst. Für Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG ist damit das Bundesamt nach § 51 Abs. 5 in Verbindung mit § 48 Abs. 1 VwVfG berechtigt, auf einen Antrag des Betroffenen oder auch von Amts wegen das Verfahren auch dann wieder aufzugeifen und einen Zweitbescheid zu erlassen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen. Der Betroffene hat jedenfalls Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Wiederaufgreifen im weiteren Sinne.