VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.07.2000 - A 9 S 1275/00 - asyl.net: R7471
https://www.asyl.net/rsdb/R7471
Leitsatz:

1. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, den Antrag auf Zulassung der Berufung in Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache auf neue tatsächliche Umstände zu stützen. Das kommt vielmehr in Betracht, wenn diese neuen Umstände die Klärungsbedürftigkeit einer Tat- oder Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung erstmals oder erneut begründen. Voraussetzung ist jedoch, dass das neue Vorbringen einen bereits anhängigen Streitgegenstand betrifft.

2. Streitgegenstand eines Abschiebungsschutzbegehrens ist nicht das Schutzbegehren "an sich", aus jedwedem Grund, sondern nur das Schutzbegehren aus den vom Schutzsuchenden konkret befürchteten Gefahren. (amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: D (A), Verfahrensrecht, Berufungszulassungsantrag, Grundsätzliche Bedeutung, Streitgegenstand, Änderung der Sachlage, Neues Vorbringen, Klageänderung, Kamerun, Krankheit, HIV/AIDS, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Medizinische Versorgung
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1
Auszüge:

1. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, den Antrag auf Zulassung der Berufung in Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache auf neue tatsächliche Umstände zu stützen. Das kommt vielmehr in Betracht, wenn diese neuen Umstände die Klärungsbedürftigkeit einer Tat- oder Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung erstmals oder erneut begründen. Voraussetzung ist jedoch, dass das neue Vorbringen einen bereits anhängigen Streitgegenstand betrifft.

2. Streitgegenstand eines Abschiebungsschutzbegehrens ist nicht das Schutzbegehren "an sich", aus jedwedem Grund, sondern nur das Schutzbegehren aus den vom Schutzsuchenden konkret befürchteten Gefahren. (amtliche Leitsätze)

Die Klägerin hat ihr Schutzbegehren im Verwaltungsverfahren und vor dem Verwaltungsgericht nicht (auch) auf ihre Sorge gestützt, das ihre HIV-Infektion in Kamerun nicht hinreichend behandelt werden könne. Sie hat ihre HIV-Erkrankung überhaupt nicht angeführt, auch nicht im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 09.03.2000, obwohl sie ausweislich des nunmehr vorgelegten Attestes wenig zuvor, nämlich im (...), sich deswegen in ärztliche Behandlung begeben hat. Damit gehört die Frage, ob sie wegen ihrer HIV-Infektion Anspruch auf Abschiebungsschutz - sei es nach § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m.Art. 3 EMRK, sei es nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG - hat, nicht zum Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

Ein solches zusätzliches Schutzbegehren könnte die Klägerin auch nicht im Wege der Klageänderung in den anhängigen Rechtsstreit einführen; die Klageänderung nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens kann nicht während des Berufungszulassungsverfahrens erfolgen, sondern setzt die Zulassung der Berufung voraus. Damit bleibt die Klägerin auf einen Folgeantrag oder ein Folgeschutzgesuch verwiesen.